Großer Bahnhof für die Bahnhofsmission
Großer Andrang herrschte beim Festakt zum 125. Jubiläum der Bahnhofsmissionen am 27. September 2019. Am Gründungsort der ersten Bahnhofsmission in Deutschland, dem Berliner Ostbahnhof, versammelten sich Mitarbeitende und Kooperationspartner aus dem gesamten Bundesgebiet. Prominente und Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft wie Bundesfamilienministerin Franziska Giffey, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, Erzbischof Heiner Koch, Ratsvorsitzende der EKD Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sowie Bahnchef Richard Lutz dankten den rund 2000 freiwillig Engagierten und 400 hauptamtlichen Mitarbeitenden für ihren Einsatz.
Mehr als die Hälfte der zwei Millionen Gäste der Bahnhofsmissionen sind in sozialen Schwierigkeiten. Darüber hinaus leisten die Bahnhofsmissionen jährlich 350.000 Reisehilfen. 1894 am Schlesischen Bahnhof, dem heutigen Berliner Ostbahnhof, gegründet, war die Bahnhofsmission "am Anfang von Frauen für Frauen gedacht", erzählt Gisela Sauter-Ackermann, Geschäftsführerin der ökumenischen Konferenz für Kirchliche Bahnhofsmission. Frauen aus den katholischen, evangelischen und jüdischen Gemeinden wollten damit jungen Mädchen, die kurz vor der Jahrhundertwende aus ländlichen Gebieten auf Arbeitssuche nach Berlin kamen und Opfer von sozialer und sexueller Ausbeutung wurden, "eine Lebensperspektive bieten". Die Idee machte Schule: Bald gab es weitere Bahnhofsmissionen im ganzen Land. Die Kosten werden aus staatlichen Mitteln, Kirchensteuern und Spenden zu je einem Drittel gedeckt. Die Räume stellt die Deutsche Bahn kostenfrei zur Verfügung.
Längst hat sich die Klientel gewandelt, seit langer Zeit sind die Gäste nicht mehr nur junge Frauen - im Gegenteil: Zwei Drittel sind Männer, meistens im Alter zwischen 27 und 65 Jahren. Geschlecht, Nationalität, Hautfarbe oder Religionszugehörigkeit spielen aber ohnehin keine Rolle. Jeder ist willkommen. Dazu gehören Reisende "mit Fahrkarte", die am Bahnhof ein- oder umsteigen und dabei helfende Hände benötigen oder etwa ein akutes Problem wie ein verlorenes Portemonnaie haben. Und dann gibt es noch die Gruppe jener Menschen "ohne Fahrkarte" mit existenziellen Sorgen, die wohnungslos, alkoholkrank, verarmt oder verzweifelt sind. "Wir orientieren uns daran, was die Menschen brauchen", sagt Sauter-Ackermann. "Kids on tour" heißt etwa ein aktuelles Programm. 8.500 Kinder, die übers Wochenende allein zu Großeltern und getrennt lebenden Eltern verreisen, werden jährlich durch Mitarbeiter der Bahnhofsmission begleitet. Träger der Bahnhofsmissionen am Berliner Ostbahnhof, einst der einzigen Bahnhofsmission in der DDR, ist IN VIA - Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit für das Erzbistum Berlin.