Kein Kind soll zurückbleiben
Charlotte und Lotte sausen vergnügt über das Freigelände der Caritas-Kita St. Elisabeth, dass die Haare fliegen. Arm oder wohlhabend – die wirtschaftliche Situation ihrer Eltern spielt hier keine Rolle. „Etwa 20 Prozent unserer Eltern bekommen über das Jobcenter einen Zuschuss zu den Verpflegungskosten. Manche erhalten zudem von Kindertal Zuschüsse für Kleidung oder Möbel“, sagt Kita-Leiterin Jutta Weber und freut sich, dass keines ihrer Kita-Kinder zurückstecken muss.
Wuppertal ist keine reiche Stadt: Viele Eltern sind langzeitarbeitslos, viele Kinder schlecht gekleidet und ernährt, immer weniger können an kostenpflichtigen Freizeitangeboten teilnehmen. Dies und Berichte der Sozialarbeiter über schlechte Wohnverhältnisse und massive psychosoziale Probleme in den Familien rief 2004 Caritas und Diakonie in der 360.000-Einwohner-Stadt auf den Plan. Der Lokalsender Radio Wuppertal und die Stadtsparkasse waren schnell im Boot. Mit Vivica Mittelsten Scheid (Vorwerk) fand sich eine engagierte und prominente Schirmherrin. Kindertal begann Spenden zu sammeln und auf unbürokratische Weise Hilfe zu leisten. Und das ist bis heute so geblieben.
Würstchen und Eis für Soziales
Aus einer Aktion wurde bald ein gemeinnütziger Verein. „Kindertal ist eine ganz wichtige Institution in unserer Stadt“, lobt Wuppertals Sozialdezernent Stefan Kühn. Eine Institution, die sich über einen riesigen Rückhalt in der Bevölkerung freuen darf. Auf rund 400.000 Euro beläuft sich inzwischen das jährliche Spendenaufkommen. „Firmen verzichten auf Weihnachtsgeschenke für ihre Kunden und überweisen ein paar Tausend Euro. Goldhochzeitspaare stellen ein Sparschwein für Kindertal auf. Und Kinder kommen mit 12,75 Euro in eine Sparkassenfiliale und sind stolz, ihren Erlös aus einem Flohmarkt für arme Kinder zu spenden“, beschreibt Jürgen Harmke die bunte Mischung der Spender. Der Sparkassenmitarbeiter vertritt sein Unternehmen im Verein Kindertal und wacht über die Spendeneingänge.
Einmal im Jahr klingelt die Spendenkasse besonders laut. Dann ist „Kindertal-Tag“. Der fand 2015 zum ersten Mal statt und brachte auf Anhieb einen phänomenalen Erfolg. Dem Radioaufruf „Ein ganzer Tag für Kindertal“ folgten mehr als tausend Wuppertaler. Ein Eismann kreierte eigens ein „Kindertal-Eis“ mit extra vielen Erdbeeren und spendete den Tageserlös. Ein Kegelclub grillte an einem beliebten Radweg Würstchen. Kitas verkauften Selbstgebasteltes und Gebackenes. Altenheimbewohner ließen beim Spielenachmittag einen Hut kreisen. Auszubildende eines großen Krankenhauses servierten den Kollegen belegte Brötchen. Auf Gleis 1 des Wuppertaler Hauptbahnhofs sorgten die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter der ökumenischen Bahnhofsmission für köstlichen Waffelduft. Allein der jährliche „Kindertal-Tag“ bringt so rund 70.000 Euro.
Viele sind immer wieder für Kindertal aktiv. Wie Harald Forster. Seit Jahren organisiert der begeisterte Motorradfahrer jeden Sommer ein großes Biker-Treffen. Ein paar Hundert Zweiradfahrer steuern dann ein beliebtes Strandlokal an der Wupper an, um an der Kindertal-Biker-Tour durchs Bergische Land teilzunehmen und anschließend viel Geld in die Tombola zu investieren. „Wir Biker genießen die Schönheit der Welt und wollen, dass es auch den Kindern in unserer Stadt gutgeht“, begründet Harald Forster sein Engagement.
Für Kinder von „um die Ecke“
Dass Kindertal Mädchen und Jungen in der direkten Nachbarschaft hilft, ist vielen Spendern besonders wichtig. Aber auch die Tatsache, dass jeder Spendeneuro ohne Abzug für bedürftige Kinder verwendet wird, bestärkt die Hilfsbereitschaft. Wie das funktionieren kann? „Wir arbeiten alle ehrenamtlich für Kindertal beziehungsweise dürfen in einem Teil unserer Arbeitszeit für Kindertal tätig sein“, erklärt Susanne Bossy. Sie ist Pressereferentin beim Caritasverband Wuppertal/Solingen und seit vielen Jahren Vorsitzende des Vereins. In dieser Funktion wirbt sie auch immer wieder erfolgreich dafür, dass Wuppertaler Unternehmen unentgeltlich für Kindertal arbeiten. Druckereien und Fahnenhersteller liefern das Werbematerial, eine Digitalagentur sorgt dafür, dass Kindertal im Netz präsent ist.
Das bedeutet, dass tatsächlich Hilfe im Wert von rund 400 000 Euro jährlich geleistet werden kann.