Zum ersten Mal im Schwimmbad
Mirza (Name geändert) tapst über die weißen, rutschigen Fliesen des Düsseldorfer Schwimmbads Düsselstrand. Am Becken angekommen setzt die Sechsjäh­rige vorsichtig einen Fuß ins Wasser. Sie lacht - und zieht den zweiten Fuß hinterher.
Mirza ist zum ersten Mal in ihrem Leben in einem Schwimmbad. Auch am Meer war sie noch nie mit ihren Eltern. Planschen, sich nass spritzen lassen – das kennt das Mädchen bislang nur aus der eigenen Dusche oder der Badewanne. Mit zwölf weiteren Vorschulkindern der katholischen Kindertagesstätte St. Michael in Düsseldorf lernt sie jetzt schwimmen. Einmal in der Woche macht sich der kleine Tross mit der Straßenbahn auf in das zwei Kilometer entfernte Schwimmbad in der Düsseldorfer Innenstadt. "Mit etwas Glück haben die Kinder im Sommer ihr Seepferdchen", sagt Karin Moseke, Leiterin der Kita.
Für viele zu teuer
Möglich macht das die Aktion Delfin-Freunde des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln. Denn sie finanziert 50 Vorschulkindern Schwimmkurse, von der Wassergewöhnung bis zum Schwimmabzeichen. Die Kitas liegen allesamt in ärmeren Stadtvierteln: in Düsseldorf-Lierenfeld, Köln-Kalk und Köln-Chorweiler. Hier kann kaum ein Kindergartenkind schwimmen. Und was noch viel entscheidender sei, so Frank Johannes Hensel, Kölner Diözesan-Caritasdirektor: "Die Kinder haben auch nur geringe Chancen, schwimmen zu lernen." Der Grund sei so schlicht wie naheliegend: "Ihre Mütter und Väter können sich weder einen Schwimmbadbesuch noch einen Kurs leisten." Vor allem für Familien, die von Hartz IV leben, sei Schwimmen ein "Luxusgut". Und es gebe keinerlei finanzielle Unterstützung. Die Folgen hat die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) kürzlich beschrieben: 60 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen in Deutschland sind einer Umfrage zufolge keine sicheren Schwimmer, 2010 waren es noch knapp 50 Prozent. Eine gefährliche Tendenz, denn Schwimmenkönnen ist im Zweifel auch eine Überlebensversicherung.
Mit der Aktion Delfin-Freunde – gefördert unter anderem von der Caritasstiftung im Erzbistum Köln und dem Verein BILD hilft "Ein Herz für Kinder" – möchte die Caritas aber nicht nur die Zahl der Schwimmer erhöhen helfen. Sie möchte auch ein Zeichen setzen: dafür, dass sich staatliche Unterstützung wie etwa durch das Bildungs- und Teilhabepaket endlich am tatsächlichen Bedarf von Kindern und Familien orientieren muss.
Teilhabe endet nicht am Strand
Hensel sagt: "Wer Kindern aus ärmeren Familien wirklich gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen möchte, der muss mehr als Mittagessen und Klassenfahrten sichern: Der muss auch gewährleisten, dass sie mal in den Zoo, in ein Kino oder ins Schwimmbad können und - wie ihre Kita- und Schulkameraden - einfach schwimmen lernen können."
Es dauert nur ein paar Minuten, dann steht die sechsjährige Mirza bis zur Brust im Wasser. Sie lacht immer noch. Auch als der Schwimmlehrer ihr die Schwimmnudel um den Oberkörper legt und sie an den Füßen sanft durch das Wasser zieht. Die Angst vor dem Wasser verlieren, sich sicher fühlen im neuen Element, auch mal den Kopf unter Wasser halten – darum geht es in den ersten Stunden. Erst in einigen Wochen beginnen die eigentlichen Schwimmübungen.
Mirzas Eltern schauen zwar nicht zu, aber Karin Moseke, Leiterin der Kita, sagt, sie freuen sich, dass Mirza nun schwimmen lernt. Sie hätten es sich selbst nicht leisten können, denn beide sind arbeitslos und noch dazu erst seit wenigen Jahren in Deutschland.
Ihnen stehen zwar Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu – etwa für Ausflüge oder demnächst für Schulmaterial. Doch schon die Antragsformulare überfordern sie.
Caritasdirektor Hensel fordert nicht nur freien Eintritt für alle Kinder in öffentliche Schwimmbäder. Er setzt sich auch dafür ein, das Bildungs- und Teilhabepaket entweder deutlich zu verändern oder ganz abzuschaffen und das Geld auf die Hartz-IV-Regelsätze umzulegen. Damit künftig noch mehr Kinder eine echte Chance haben, schwimmen zu lernen.
Weitere Infos bietet die Homepage der Caritas-Aktion Delfin-Freunde.