Kindertal: Hilfen für arme Kinder in Wuppertal
Mit seinen Spendeneinnahmen aus vielen unterschiedlichen Quellen hilft der Wuppertaler Verein Kindertal Kindern wie Paul. Der Neunjährige ist einer Schulsozialarbeiterin wegen seiner Nervosität aufgefallen. Pauls Mutter ist sehr krank, der Vater schon seit drei Jahren arbeitslos. Die Sozialarbeiterin nahm mit Kindertal Kontakt auf. Über den Caritasverband erhielt sie ein Antragsformular, das sie gemeinsam mit Pauls Vater ausfüllte. Sie sichtete die geforderten Unterlagen über das Familieneinkommen und bestätigte mit ihrer Unterschrift die Bedürftigkeit der Familie. Ein paar Tage später hatte Pauls Vater schon eine Rückmeldung: Der beantragte Zuschuss zu einer Kindererholungsmaßnahme wurde bewilligt. Paul durfte in den Sommerferien das allererste Mal verreisen und konnte mit einer pädagogisch geleiteten Kindergruppe zwei erholsame Wochen an der Nordsee genießen.
"Wir wollen nachhaltig helfen", sagt Susanne Bossy, Pressereferentin beim Caritasverband Wuppertal/Solingen und seit vielen Jahren Vorsitzende des Vereins Kindertal. Deshalb legt der Verein auch einen besonderen Schwerpunkt auf die Erholungsmaßnahmen. Über 300 Wuppertaler Kinder sind es jährlich, die dank eines Zuschusses von Kindertal an solchen Ferienmaßnahmen teilnehmen können.
Warme Winterkleidung, rückenfreundliche Schultornister, Freizeitaktivitäten und Kinderbetten führen zudem die Wunschliste der bedürftigen Familien an. "Ein Bett für jedes Wuppertaler Kind" heißt eine besondere Spendenaktion, mit der Kindertal regelmäßig darauf aufmerksam macht, dass das eigene Bett eben keine Selbstverständlichkeit ist. "Wir sehen immer wieder Wohnungen, in denen sich zwei Geschwisterkinder ein Bett teilen müssen oder die Kinder auf dünnen Matratzen auf dem Fußboden schlafen", berichtet Vlatka Blagaic. Die Sozialarbeiterin ist auf Caritasseite mit der Antragssichtung für Kindertal betraut. Wie der Antrag für den neunjährigen Paul landen Hunderte von Formularen auf ihrem Tisch. Vlatka Blagaic: "Gemeinsam mit einer Kollegin der Wuppertaler Diakonie überprüfe ich die Angaben auf Vollständigkeit und Plausibilität. Die Höhe der Zuwendung richtet sich nach der individuellen Situation der Familie, aber auch nach einer Richtschnur, die wir uns gesetzt haben."
Wird der Antrag positiv beschieden, fließt nur in ganz seltenen Fällen Bargeld. "Wir kooperieren mit verschiedenen Wuppertaler Unternehmen", erläutert Susanne Bossy. Mit einem großen Kaufhaus und einem bekannten Bekleidungshaus hat Kindertal spezielle Gutscheinverfahren entwickelt. Eine Stigmatisierung der Familien ist dabei ausgeschlossen. Die Gutscheine sehen aus wie normale Geschenkgutscheine. Nur für das Personal ist sichtbar, dass sie ausschließlich für Kinderkleidung oder Schulbedarf eingelöst werden können.
Soziale Teilhabe ohne Ausgrenzung
Das Konzept trägt ein großes örtliches Möbelunternehmen seit vielen Jahren mit. Hier können sich die Kinder aus einer kleinen Auswahl ihr Bett, ihren Schreibtisch oder ihren Schreibtischstuhl selber aussuchen. "Der Besuch im Möbelhaus ist für die Familien oft ein tolles Erlebnis", weiß Vlatka Blagaic. Neben den günstigen preislichen Konditionen räumt das Möbelhaus Kindertal kostenlose Lieferung und Montage ein. "Eine saubere und aufgeräumte Wohnung und eine zuverlässige Termineinhaltung sind unsere Bedingungen an die Familien", betont Susanne Bossy.
Eine Wuppertaler Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat (natürlich ehrenamtlich) einen strengen Blick auf die ordentliche Mittelverwendung und bescheinigt regelmäßig, dass alles bestmöglich läuft. Aber kann Kindertal garantieren, dass die Hilfen immer wirklich bei den Kindern ankommen? Die Vorsitzende antwortet ehrlich: "Eine hundertprozentige Garantie wird man nicht geben können. Doch wir tun unser Bestes. Ferienzuschüsse zahlen wir an die Träger der Maßnahmen. Und unser Gutscheinprinzip trägt ebenfalls zur Sicherheit bei. Wichtig ist aber vor allem die Nähe zu den sozialen Einrichtungen, mit denen wir zusammenarbeiten und die die Familien kennen."
Beratungsdienste an der Hand
Es gilt das Prinzip: Keine Familie kann einen Antrag ohne Mitwirkung einer sozialen Institution oder eines Trägers der Kinder- und Jugendhilfe an Kindertal stellen. "Natürlich wenden sich nach einem Spendenaufruf unseres Lokalradios immer auch bedürftige Familien direkt an die Redaktion", sagt Katja Dummer. Die Redaktionsassistentin ist "Kindertalerin" aufseiten des Senders und weist den Familien dann den Weg zur Sozialberatung von Caritas und Diakonie.
Dass die von Kindertal geförderten Kinder auch langfristig nach Möglichkeit nicht "verloren gehen", will die mit Caritas und Diakonie geschaffene Schnittstelle zwischen Ehrenamt und professionellen Fachdiensten sichern. Susanne Bossy: "Immer wird auch geprüft, ob es sinnvoll ist, die zum Beispiel an Schuldnerberatung, Erziehungshilfen, Suchtberatung oder Migrations- und Integrationsdienste anzudocken."
Lässt sich Kindertal nachmachen?
Die Vorsitzende ist überzeugt: "Vieles spricht dafür. Wir können wirklich ganz konkret helfen und wir schaffen für Familien häufig nachhaltige Bezüge zum Hilfesystem. Zudem stärkt die Ortsbezogenheit des Vereins spürbar die Solidarität in der Stadtgesellschaft." In der benachbarten Kleinstadt Wülfrath folgte vor Jahren eine Bürgerinitiative dem Beispiel von Kindertal und gründete einen ähnlichen Verein. Bossy: "Dass hinter Kindertal die großen kirchlichen Wohlfahrtsverbände stehen und wir durch die Partnerschaft mit dem lokalen Rundfunksender seit Jahren so präsent in der Bevölkerung sind, ist unsere große Stärke - und bisher wohl einzigartig in Deutschland."