Wie sich die Preisbremsen auswirken
Kurz vor Weihnachten wurden die Gesetze zur Strom- und Gaspreisbremse von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Mit diesen beiden ab 1. Januar 2023 wirksamen Gesetzen sollen Bürger:innen und Unternehmen von den drastisch gestiegenen Preisen für Gas, Fernwärme und Strom entlastet werden. Dafür stellt die Bundesregierung ein Sondervermögen von 200 Milliarden Euro zur Verfügung. Sie hatte im September 2022 eine Regierungskommission zur Ausarbeitung von kurz-, mittel- und langfristigen Vorschlägen zur Gaseinsparung beauftragt. Mitglied dieser Expert:innen-Kommission Gas und Wärme war auch die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes (DCV), Eva Maria Welskop-Deffaa. Die Autorin dieses Artikels fungierte dabei als ständige Begleiterin in der Kommission, Birgit Fix vom DCV als stellvertretendes Mitglied.
Die Gas-Wärme-Kommission hat unter hohem Druck gearbeitet und die politisch entscheidenden Empfehlungen in ihrem Zwischenbericht vom 10. Oktober 2022 vorgelegt; der Abschlussbericht folgte am 31. Oktober. Sie hat empfohlen, den Gaspreis für 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Jahresverbrauchs auf zwölf Cent pro Kilowattstunde (kWh) für leitungsgebundenes Gas und auf 9,5 Cent pro kWh für Fernwärme zu reduzieren. Damit sollten die Verbraucher:innen einerseits von enormen Preissteigerungen entlastet werden, andererseits einen Anreiz zum Energiesparen erhalten. Nach den Vorstellungen der Kommission hätte die Gaspreisbremse bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft treten sollen. Die dort vertretenen Energieversorgungsunternehmen erklärten jedoch, dass eine Gaspreisbremse organisatorisch frühestens zum März 2023 umsetzbar sei. Eine Entlastung erst zum Ende des Winters war sowohl für die Kommissionsmitglieder als auch für die an der Kommission als Gäste teilnehmenden Abgeordneten der Ampel (Matthias Miersch, SPD, Julia Verlinden, Bündnis 90/Die Grünen und Lukas Köhler, FDP) nicht hinnehmbar. Daher empfahl die Kommission eine bürokratiearme einmalige Entlastung bereits zum Dezember 2022, indem der Bund die Kosten für Gas in Höhe eines Zwölftels des Jahresverbrauchs des für den Referenzmonat September 2022 vereinbarten Arbeitspreises übernimmt.
Zwei Schritte der Entlastung
Die Bundesregierung ist den Vorschlägen gefolgt und hat die Entlastung in zwei Schritten umgesetzt: einer Einmalzahlung von 100 Prozent des Dezemberabschlags 2022 im Dezember als Soforthilfe und einer Gaspreisbremse für ein Entlastungskontingent von 80 Prozent des im September 2022 prognostizierten Verbrauchs für zwölf Cent/kWh für Gas beziehungsweise 9,5 Cent/kWh für Fernwärme, sofern der Jahresverbrauch unter 1,5 Millionen kWh liegt.
Die Soforthilfe für Dezember wurde mit dem am 16. November in Kraft getretenen Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG) geregelt. Der zweite Entlastungsschritt, die Gaspreisbremse für ein Entlastungskontingent von 80 Prozent des Verbrauchs, wurde von Bundestag und Bundesrat Mitte Dezember 2022 beschlossen. Er greift ab 1. März 2023, gilt aber dann rückwirkend auch für die Monate Januar und Februar 2023. Die zunächst bis Ende 2023 geltende Regelung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bis 30. April 2024 verlängert werden.
Die Regelung der 80-prozentigen Entlastung gilt für alle Kund:innen mit Standardlastprofil (SLP), also für "Normalverbraucher". Für Großkunden, deren Verbrauch mittels Registrierender Leistungsmessung (RLM) ermittelt wird, gibt es ein Entlastungskontingent von 70 Prozent für Gas (sieben Cent/kWh) und für Fernwärme (7,5 Cent/kWh) beziehungsweise von neun Cent für Kunden, die Fernwärme an Dritte weiterverkaufen. Da der Verbrauch dieser Kunden durch das RLM-Verfahren stetig ermittelt und nicht geschätzt werden muss, kann für sie die Preisbremse bereits zum Januar 2023 in Kraft treten. Dies sind Kunden, die mehr als 1,5 Millionen kWh pro Jahr verbrauchen, also in der Regel Industrieunternehmen, aber auch die Krankenhäuser. Dazu zählen auch große Träger der Sozialwirtschaft, die als Gaskunde ("Letztverbraucher") mehrere Einrichtungen und Dienste ("Entnahmestellen") unter ihrem Dach vereinigen. So kann etwa ein Träger, der eine große Behinderteneinrichtung, mehrere vollstationäre Pflegeeinrichtungen und ein Frauenhaus unterhält, schnell den genannten Verbrauch erreichen.
Preisdeckel für große soziale Träger
Da soziale Einrichtungen in der Regel kaum Gaseinsparungen von 30 Prozent erzielen können, ohne ihre Angebote einzuschränken, bedarf es Ausnahmeregelungen, für die die Caritas erfolgreich Lobbyarbeit betrieben hat. Damit fallen auch folgende große Träger und Einrichtungen, sofern sie mehr als 1,5 Millionen kWh jährlich verbrauchen, unter den 80-prozentigen Preisdeckel: Pflegeeinrichtungen, Reha- und Vorsorgeeinrichtungen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, Kitas, Wohneinrichtungen der Eingliederungshilfe, Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) und andere Leistungsanbieter nach § 60 SGB IX sowie Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Ähnlich der Gaspreisbremse ist auch die Strompreisbremse ausgestaltet: Privathaushalte und Unternehmen, die weniger als 30.000 kWh pro Jahr verbrauchen, erhalten ab 1. März 2023 rückwirkend für die Monate Januar und Februar ein Entlastungskontingent in Höhe von 80 Prozent der Jahresverbrauchsprognose vom September 2022 für 40 Cent pro kWh. Unternehmen, die mehr als 30.000 kWh pro Jahr verbrauchen, müssen für 70 Prozent ihres Verbrauchs 13 Cent pro kWh bezahlen.
Härtefallregelungen für Mieter
Für die Caritas war es in der Gas-Wärme-Kommission zentrales Anliegen, flankierend zur eigentlichen Gaspreisbremse Härtefallregelungen für Mieter:innen zu treffen, um Energiesperren zu vermeiden sowie Hilfsfonds für soziale Einrichtungen zu etablieren. Der Härtefallfonds für Mieter:innen, für den sich auch der Deutsche Mieterbund starkgemacht hatte, wurde im Strompreisbremsengesetz geregelt: Bei drohenden Energiesperren sind Energieversorger künftig verpflichtet, Ratenzahlungen zu vereinbaren. Außerdem wird der Rückzahlungszeitraum bei Rückständen von mehr als 300 Euro künftig zwölf bis 24 Monate betragen. In Härtefällen können Verbraucher:innen bis Ende April auch verlangen, dass ihre monatliche Ratenzahlungsvereinbarung bis zu drei Monate ausgesetzt wird - sofern sie ihr Versorgungsunternehmen entsprechend informieren und zumindest die laufenden Abschlagszahlungen leisten. Für Privathaushalte, die mit Öl, Pellets oder Flüssiggas heizen und ebenfalls erhebliche Preissteigerungen hinzunehmen hatten, stellt der Bund 1,8 Milliarden Euro für einen Härtefallfonds zur Verfügung, der über eine Vereinbarung mit den Ländern administriert wird.
Unterstützung für Kinder- und Jugendhilfe auf Länderebene
Dem Engagement der Caritas ist zu verdanken, dass Hilfsfonds für soziale Einrichtungen etabliert wurden. Mit dem Gaspreisbremsengesetz wurden drei dieser Fonds aufgelegt: für Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und für den Bereich der Rehabilitation. Aus ordnungspolitischen Gründen können aus den Bundesmitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds allerdings nur Einrichtungen in Bundeszuständigkeit unterstützt werden. Daher sind leider aus Bundesmitteln keine Fonds für Einrichtungen der Eingliederungshilfe und Kinder- und Jugendhilfe möglich, die auf Länder- beziehungsweise kommunaler Ebene administriert werden. Die Caritas und die ihrem Vorschlag folgende Gas-Wärme-Kommission hat daher empfohlen, dass die Länder für Einrichtungen in ihren Kompetenzbereichen in gleicher Weise Fonds errichten wie der Bund.
Der Bundeshilfsfonds gestaltet sich wie folgt: Pflegeeinrichtungen können für den Zeitraum Oktober 2022 bis April 2024 Ergänzungshilfen zum Ausgleich der steigenden Preise für Erdgas, Strom und Fernwärme beantragen. Die Höhe ergibt sich aus der Differenz zwischen der Vorauszahlung für den Verbrauch des Monats März und den jeweiligen laufenden monatlichen Abschlagsvorauszahlungen. Dabei darf es zu keinen Doppelfinanzierungen kommen, etwa durch bereits bei Verhandlungen getroffene Anpassungen der Betriebskostenzuschüsse. Als Einsparanreiz hat der Gesetzgeber verpflichtende Beratungen zur energetischen Sanierung vorgesehen. Erfolgen diese nicht, können die Hilfen um 20 Prozent gekürzt werden. Für den Pflege-Hilfsfonds stellt der Bund zwei Milliarden Euro zur Verfügung.
Rehaeinrichtungen müssen mit Kostenträgern verhandeln
Rehabilitationseinrichtungen werden mit einer Milliarde Euro vom Bund unterstützt. Einrichtungen der stationären und ambulanten medizinischen Rehabilitation und Vorsorge sowie die Werkstätten für Menschen mit Behinderung, in denen von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Personen arbeiten, können für die Differenz der Kosten für Gas, Strom, Heizöl, Pellets oder Flüssiggas für das Jahr 2022 gegenüber dem Jahr 2021 einen 95-prozentigen Zuschuss erhalten. Für 2023 müssen die Einrichtungen mit den Kostenträgern verhandeln. An dieser Stelle ist der Gesetzgeber nicht den Empfehlungen der Kommission gefolgt, die auch für die Rehabilitationseinrichtungen einen Fonds bis April 2024 gefordert hatte. Die Caritas und ihre Fachverbände für Rehabilitations- und Vorsorgeeinrichtungen setzen sich vehement für eine gesetzliche Regelung ein, die die Einrichtungen bis April 2024 absichert.
Krankenhäuser erhalten für den Zeitraum von Oktober 2022 bis April 2024 sechs Milliarden Euro in Form einer krankenhausindividuellen Ausgleichszahlung zum pauschalen Ausgleich von mittelbar durch die gestiegenen Gas- und Strompreise verursachten Kosten. Auch sie müssen sich verpflichtend über eine energetische Sanierung beraten lassen oder Kürzungen von 20 Prozent bei den Erstattungen hinnehmen.
Der DCV wird die weitere Umsetzung der Strom- und Gaspreisbremse aufmerksam begleiten, auf etwaige Umsetzungsprobleme aufmerksam machen und gemeinsam mit den Diözesan- und Fachverbänden anstreben, die Lücken in den Länderfonds zu schließen.
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