Himmel und Erde: #DasMachenWirGemeinsam
Der Deutsche Caritasverband feiert seinen 125. Geburtstag. Mitten im Alltag, mitten in einem Jahr voller Krisen und Katastrophen. Zum Feiern ist uns gar nicht so oft zumute. Die Feier-Tage zwängen sich in die Ritzen eines vollgestopften Kalenders, in dem Energiekrise und Klimakrise, Bürgergeldreform und Triage-Gesetzgebung, die Senkung des Wahlalters und die Frage nach der Zukunft der Pflege … uns voll und ganz mit Beschlag belegen.
Da erhalten Feier-Tage ernste Überschriften, greifen Arbeitsthemen auf und stellen sich drängenden Fragen. Sie nehmen den roten Faden auf, der rund um den Kampagnen-Claim gesponnen ist und der bis zum Jubiläumskongress im Januar 2023 reicht: "Himmel und Erde: #DasMachenWir Gemeinsam".
Es wird sich der Kreis schließen, den wir mit dem großen UND beschrieben haben: Konfessionelle Wohlfahrtspflege muss sich bewähren als Stifterin von Zukunft UND Zusammenhalt. Für Jung UND Alt, für Menschen, die bei uns geboren wurden, UND die, die zu uns gekommen sind, für Pflegebedürftige UND Überschuldete, für Christ:innen UND Nichtchrist:innen. Für soziale Gerechtigkeit UND Klimaschutz. Für Freiheit UND Sicherheit. Analog UND digital. Es ist weder selbstverständlich noch einfach, dieses UND zu leben. Denn jedes Thema, jede Not fordert den ganzen Einsatz, die uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Jede Abwägung, jedes UND kann wie ein fauler Kompromiss erscheinen, wie ein Zugeständnis, wie eine Unentschiedenheit. Wir konkurrieren als Wohlfahrtsverband mit seinem großen Bauchladen mit den wendigen Ein-Thema-Akteuren, die alles auf eine Karte setzen, die uns der Halbherzigkeit zeihen, wenn wir uns für ihr Thema und das Thema der anderen einsetzen, die uns schwerfällig finden, wenn wir die Auswirkungen eines Engagements auf andere Arbeitsfelder abwägen.
Neue Allianzen eingehen, ohne die alten zu vergessen
Dabei ist das UND vor allem auch ein UND der Allianzen. Wir wollen als Caritas weiter Solidaritätsstifterin sein. Indem wir auf neue Partnerinnen zugehen und uns von neuen Partnern einladen lassen, mitzutun. Ohne die alten Allianzen zu vergessen. Ohne über dem äußeren das innere Netzwerk zu vernachlässigen, das weitergesponnen sein will. Die Satzungskommission, die ihre Arbeit im Jubiläumsjahr aufgenommen hat und bei der Delegiertenversammlung 2023 einen Reformvorschlag zum Miteinander der Organe, Gremien und Mitglieder vorlegen wird, hat hier eine wichtige Funktion.
Caritas ist das strukturierte Miteinander der Liebestätigkeit und geht insofern über Nächstenliebe als individuelle Tugend hinaus, als sie gemeinsam geschieht: Not sehen und gemeinsam handeln! Not sehen und verstehen und Ressourcen organisieren und handeln. Das "Verstehen" wird als Voraussetzung gezielten Handelns immer anspruchsvoller, die Not immer komplexer. Es reicht für wirkungsvollen Klimaschutz nicht aus, die Temperaturen am eigenen Fensterbrett zu messen. CO2-Senken, Treibhausgase, Permafrost und Gletscherschmelze, fossile Brennstoffe und grüner Wasserstoff … es sind viele Vokabeln und Verhaltensweisen, die verstanden und eingeübt werden wollen. Klimaschutz erfordert eine große Transformation, die institutionelle, soziale, ökonomische, naturwissenschaftliche, technische und kulturelle Herausforderungen verbindet.
Ähnlich ist es bei der Digitalisierung. Algorithmen, Plattformen, Datenmanagement. Ohne technisch-naturwissenschaftliches Grundwissen sind die Risiken für die Armen und die Chancen für eine gerechtere Welt kaum einzuordnen und die Handlungsoptionen nicht zu bewerten, die wir als Caritasverband ergreifen können und sollten.
Auch wenn es um den rechten Umgang mit Pandemien geht, wird weder eine rein medizinisch-naturwissenschaftliche noch eine rein sozial(politisch)e Antwort auf die Fragen nach Impfpflicht, Masken(pflicht) und Social Distancing überzeugen. Naturwissenschaft kommt zur sozialen Caritaswissenschaft hinzu, wenn wir "Not sehen und handeln" überzeugend leben wollen. Mit Keynote-Speakerin Mai Thi Nguyen-Kim werden wir bei unserem Jubiläumskongress darüber sprechen. Sie ist Deutschlands bekannteste Wissenschaftsjournalistin. Ihr Youtube-Kanal "maiLab" hat inzwischen über 1,4 Millionen Abonnent:innen. Ihr Video "Corona geht gerade erst los" war 2020 mit über sechs Millionen Aufrufen das Top-Trending-Video des Jahres. Es hat vielen Menschen geholfen, die Hintergründe der Pandemie zu verstehen, und ihnen Mut gemacht, dass wir nicht wehrlos sein müssen.
Mitarbeitende und Ehrenamtliche, alle sind Markenbotschafter:innen
Nach dem Verstehen geht es ums Handeln. Und dafür bedarf es der nötigen Ressourcen. Finanziell und personell. Als Caritas müssen wir Menschen einladend begeistern, sich das Ding der Caritas zu eigen zu machen. Oder besser noch: ihre Ideen für eine bessere Welt unter unserer Marke zu entwickeln und umzusetzen. Professorin Karin Schlüter hat es im vergangenen Jahr am 9. November, am Gründungstag und -ort in Köln, formuliert: Jede Katastrophe, jede Krise hat einen neuen Ring um den (Marken-)Kern der Caritas gelegt.1 Immer mehr Menschen geraten mit der Caritas in Beziehung. Seit 125 Jahren. 690.000 Mitarbeitende und mehrere Hunderttausend freiwillig Engagierte - sie alle sind Markenbotschafter:innen, sie alle sind Caritas.
Im Logo der Caritas war das Bild von den Jahresringen, die sich um den Kern legen, zu Anfang angelegt. Kreuz und Flammen waren in der ersten Wort-Bild-Marke von 1920 umgeben von einem Kranz aus Worten und Ringen. Das 1962 erneuerte Logo von Bert Jäger verzichtete auf den Wörter-Kreis und reduzierte das Flammenkreuz auf die beiden zentralen Elemente: Kreuz und Flammen. Seit 60 Jahren im Grunde unverändert, markiert das Kreuz den Ort, an dem die Not zu finden ist, es markiert die Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können. Und die Pfingstflammen als strahlender Wirkungskreis sprechen vom Handeln mit Leidenschaft, von der weltweiten Aufgabe. Sie stehen für die Zuversicht, dass sich das Handeln lohnt. Gegen die Versuchung der Ohnmacht, die uns immer wieder erfasst in einer überkomplexen Welt, in der das eigene Tun so wenig auszurichten scheint. Ohnmacht - ein verführerisches Privileg. "Es ist das Privileg derjenigen, die von Krisen und Katastrophen nur indirekt betroffen sind und es sich leisten können, in Verzweiflung und Gleichgültigkeit zu versinken. Wer vor dem Hurrikan flieht, der Flut oder dem Brand entkommen muss, gegen den Hunger kämpft, der kann sich keine Ohnmacht leisten. Der muss handeln."2
Unverzichtbar: Zukunftsmut und Möglichkeitssinn
Die Gegenworte zu Ohnmacht sind Zukunftsmut und Möglichkeitssinn. Unverzichtbar und wichtig. Denn Ohnmacht lähmt. "Ohnmacht sorgt dafür, dass meine Großmutter morgens nicht mehr die Zeitung aufschlagen mag, dass Familien an Weihnachten nicht mehr über das Klima reden, weil alle sonst streiten. Ohnmacht schaltet gleich: lässt kaum Nuancen zu, keine Widersprüche, keine Unebenheiten. Ohnmacht heißt: Alles ist vergebens, die Welt und ich in ihr gleichermaßen."3
Das aber darf nicht das letzte Wort sein. "Wir dürfen uns nicht wehrlos und sprachlos machen lassen. Wir müssen sprechen und handeln. Wir können die Verantwortung auf uns nehmen. Und das heißt: Wir können sprechend und handelnd eingreifen in diese sich zunehmend verrohende Welt. … Dazu braucht es nur Vertrauen in das, was uns als Menschen auszeichnet: die Begabung zum Anfangen."4
Das ist der Markenkern der Caritas, die Begabung zum Anfangen. Seit 125 Jahren. Immer wieder neu. Für eine bessere Welt.
Anmerkungen
1. Die Festrede von Karin Schlüter zum Thema "Caritas als lebendige Marke" finden Sie in voller Länge im Internet unter: https://youtu.be/hDvz6-E4L-E
2. Neubauer, L.; Reemtsma, D.: Gegen die Ohnmacht. Meine Großmutter, die Politik und ich. Stuttgart: Tropen Verlag, 2022, S. 25.
3. A. a. O., S. 24.
4. Emcke, C.: Anfangen! Dankesrede, www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de/die-preistraeger/2010-2019/carolin-emcke
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