Sankt-Antonius-Schule, Wuppertal (Nordrhein-Westfalen)

Der Offene Ganztag ist angekommen - in einem System, dem es an Ressourcen mangelt

"Bei euch ist es aber schön leise", begrüßt mich eine Lehrerin im Gruppenraum. Was natürlich als Kompliment gedacht war, zeigt, wie der Offene Ganztag nach 20 Jahren im Bildungssystem angekommen ist. Heilpädagogische und pädagogische Fachkräfte lernen in ihrer Ausbildung Ressourcenorientierung, den Blick auf die kindlichen Bedürfnisse und ein Selbstverständnis als lernbegleitende Person. Doch dies kollidiert mit festgefahrenen Strukturen und mangelnden Personalressourcen bei Lehr- wie pädagogischen Fachkräften. Ein multiprofessionelles Team zu sein ist der Anspruch, die Wirklichkeit ähnelt oft einer Verwahrung. Fachkräfte fühlen sich ohnmächtig, Eltern im Stich gelassen. Unsere Kinder haben keine Lobby. Was wir als starke Fachkräfte täglich den Kindern vorleben können, ist die Ermutigung: Sei laut! Sei wild! Sei stark!
Ist ein Kind in emotionaler Not, braucht es einfühlsame Fachkräfte. Aber auch das soziale Umfeld, das System muss einbezogen werden. Jedes Verhalten hat einen Sinn. Nur eckt das Verhalten oft an. Im Schulalltag muss das Kind funktionieren. Dass seine Bedürfnisse manchmal nicht zu den Anforderungen passen, motiviert die pädagogische Fachkraft dazu, den Sinn des Verhaltens offenzulegen und dem Kind anzubieten, was es dringend benötigt. Sieht es für Außenstehende wie ein Nachgeben aus, ist es verblüffenderweise genau das. Es entspringt einer professionellen bedürfnis- und beziehungsorientierten Haltung. Dazu muss die Fachkraft innehalten können - in einem System, in dem es an Zeit und Personal eklatant mangelt.

Wir brauchen an unseren Schulen Führungskräfte, die auch in diesen schwierigen Zeiten andere Menschen inspirieren und motivieren. Die Stärken und Ressourcen der Kinder, Familien, pädagogischen Fachkräfte und Lehrkräfte müssen stets im Mittelpunkt stehen.

Cordula Nguyen

Leitung des Offenen Ganztags Sankt-Antonius-Schule