Wann Vorstände für Risiken haften
Macht ein Verein Verluste, die auf legitimen Geschäftsrisiken beruhen, so trägt diese Kosten der Verein. Denn unternehmerische Risiken sind herkömmlicher Bestandteil der Tätigkeit eines Vereins als Träger von Einrichtungen mit nennenswertem Geschäftsumfang. In gleicher Weise, wie das positive Ergebnis eines eingegangenen Geschäftsrisikos das Vereinsvermögen bereichert, muss auch die negative Realisierung eines unternehmerischen Geschäftsrisikos vom Vereinsvermögen abgefangen werden.
Für vorwerfbare Pflichtverletzungen allerdings haftet der Vorstand. Dazu gehören Einbußen, die auf individuelles Fehlverhalten von Vorstandsmitgliedern zurückgehen. So haftet der Vorstand zum Beispiel für die Folgen von sachfremden Entscheidungen, die vom satzungsgemäßen Zweck des Vereins nicht gedeckt sind. Nach den Grundsätzen der geschäftlichen Beurteilung (Business Judgement Rule) haften Vorstände aber nicht für negative Folgen unternehmerischer Entscheidung, wenn diese auf der Grundlage angemessener Informationen, ohne Berücksichtigung sachfremder Interessen, zum Wohl des Unternehmens und in gutem Glauben gefasst wurde. Denn nach § 93 Abs. 1 Satz 2 Aktiengesetz (AktG) hat der Vorstand seine Pflichten nicht verletzt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Soweit die Satzungen keine gesonderten Regelungen enthalten, ist der Vorstand an Weisungen der Mitgliederversammlung beziehungsweise des Aufsichtsrates nach § 27 Abs. 3 in Verbindung mit § 665 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gebunden. Der Vorstand haftet dem Verein gegenüber daher nicht, wenn seine Handlung auf einem Beschluss eines zuständigen Vereinsorgans beruht. Bei legitimen Geschäftsrisiken geht es häufig um Rechtsgeschäfte, bei denen der Vorstand nach der Satzung ohnehin eine Zustimmung des für die Aufsicht und Kontrolle zuständigen Vereinsorgans (Aufsichtsrat) benötigt.
Vorstand muss Aufsichtsrat umfassend informieren
Bei Zustimmungsentscheidungen mit erheblichen Geschäftsrisiken ist es jedoch erforderlich, dass der Vorstand das Aufsichtsorgan umfassend auf der Grundlage seiner Kenntnisse über alle Chancen und Risiken eines Projekts informiert. Realisiert sich später beim Umsetzen dieses Projekts das vom Vorstand bei der Zustimmungsentscheidung des Aufsichtsrates genannte Risiko, haftet der Vorstand dafür nicht. Verschweigt er bei der Zustimmungsentscheidung des Aufsichtsrates ihm bekannte wesentliche Risiken, oder Risiken, die mit vertretbarem Aufwand hätten ermittelt werden können, gelten die vorgenannten Grundsätze zur Haftungsfreistellung des Vorstandes nicht. Das heißt, die Folgen eingetretener Risiken, die dem Vorstand bei der Zustimmung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen, gehen dann zu seinen Lasten, wenn er den Aufsichtsrat wider besseres Wissen nicht im erforderlichen Umfang informiert hat.
Vor diesem Hintergrund spielt es eine wichtige Rolle für die Haftung des Vorstandes bei Geschäftsrisiken, ob und wie er Informationen im Vorfeld von Zustimmungsentscheidungen kommuniziert hat. Im Fall eingetretener Risiken mit erheblichem Schaden oder Folgen auf den Bestand des Vereins kann die Kenntnis des Aufsichtsrates zentrale Bedeutung erlangen: Zu beantworten sind die Fragen, wann dem Vorstand Risiken bekannt geworden sind und wann der Aufsichtsrat
welche Informationen über ein bestimmtes Projekt erhalten hat. Ein gutes Mittel der Dokumentation des haftungsrelevanten Wissensstandes des Aufsichtsrates ist die digitale Informationsversorgung der Aufsichtsorgane. Dafür eignet sich das vom Deutschen Caritasverband (DCV) auch für die Gremienkommunikation angebotene Carinet. Es spart Papier und Portokosten und dokumentiert auf sichere Art und Weise die Gremien-Kommunikation. Zum einen hält das Carinet fest, welche Dokumente und Informationen wann den Nutzer:innen zur Verfügung standen. Zum anderen liefert es auch in Echtzeit Aufschluss darüber, ob und welche vom Vorstand eingestellten Daten abgerufen werden. Beim Abgleich der Mitgliederzahl des Organs mit den digitalen Zugriffen wird für den Vorstand erkennbar, ob seine Informationen die Adressat:innen erreichen. Haftungsrelevant ist allerdings in erster Linie die Zugriffsmöglichkeit der Aufsichtsratsmitglieder auf entscheidungsrelevante Informationen, nicht aber der tatsächliche Zugriff. Der in Aufsichtsorganen mitunter geäußerten Bemerkung, von den sich später realisierten Risiken noch nie etwas gehört zu haben, kann mit Hinweis auf den im System nachgewiesenen Zeitpunkt der Zugriffsmöglichkeit entgegnet werden. Die hier dargestellten Haftungsgrundsätze gelten in gleicher Weise für die Vorstände von Stiftungen und Geschäftsführungen von GmbHs.
Der Aufsichtsrat sollte nachfragen
Auf der anderen Seite ist der Aufsichtsrat eines Einrichtungsträgers stets gut beraten, bei Beschlussvorlagen des Vorstandes zu Investitionen in entgeltfinanzierte Einrichtungen generell die Frage zu stellen, wie der jeweilige Spitzenverband die Investitionsentscheidung bewertet. Bedeutung hat diese Frage, weil die Spitzenverbände der Caritas (Diözesan-Caritasverbände) bei ihren Aufgaben nicht nur auf die Einrichtungen eines Trägers, sondern auf die gesamte Einrichtungslandschaft des Verbandsgebietes und des Bundeslandes blicken. Mitarbeiter:innen des Spitzenverbandes sind bei der Vereinbarung von Rahmenverträgen beteiligt, die die Qualität der Leistungen und die Rahmenbedingungen der Finanzierung auf Landesebene regeln. Der dabei notwendige fachliche Austausch mit Akteur:innen und Expert:innen des Pflegesatzwesens auf übergeordneter Ebene bietet Entscheidungshilfen, um die Wirtschaftlichkeit von neuen und umstrukturierten Einrichtungen und ihre Marktchancen einzuschätzen. Auch die Mitwirkung der Spitzenverbände in den Schiedsstellen des sozialrechtlichen Leistungserbringungsrechts (SGB V, SGB IX, SGB XI und SGB XII) ermöglicht es, die Erfolgsaussichten von Pflegesatzverhandlungen einzuschätzen, die für die Einrichtungen existenzielle Bedeutung haben.
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