Digitales Know-how fördern: gemeinschaftlich und partizipativ
Für die digitale Teilhabe aller Menschen setzt sich IN VIA Katholischer Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit - Deutschland auf unterschiedlichen Ebenen ein. Das im Dezember 2020 angelaufene Projekt "Di.Ko. Digitale Konzepte in der Jugendsozialarbeit" stellt eine der verbandlichen Initiativen dar, die darauf abzielen, dass sich durch die Digitalisierung bereits vorhandene soziale Ungleichheiten nicht weiter verschärfen. In dem von der Glücksspirale geförderten Projekt werden gegenwärtige Herausforderungen und Bedarfe in der Jugendsozialarbeit ermittelt und davon ausgehend Anstöße für die pädagogische Praxis und erforderliche Strukturanpassungen gegeben.
Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch die veränderten Lernpraktiken der Jugendsozialarbeit. Aufgrund der Dynamik des digitalen Wandels und der stetigen Entwicklung im Bereich des Digitalen wird davon ausgegangen, dass lebenslangem Lernen eine neue Bedeutung zukommen wird.1 Eine zentrale Herausforderung der Jugendsozialarbeit wird es daher sein, sowohl unter ihren Zielgruppen als auch unter ihren Fachkräften eine generelle Affinität zum (lebenslangen) Lernen zu fördern.
Digitalisierung als Gemeinschaftsaufgabe verstehen
Doch wie eignen sich Fachkräfte Wissen und Fertigkeiten im Bereich digitaler Technologien an? Und wie schätzen sie die Haltung ihres institutionellen Umfelds ein? Um dies zu erfassen, erfolgte im Projekt "Di.Ko." in Kooperation mit dem Projekt "FAQ.dig.edu" der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) im Sommer 2021 eine Online-Befragung in Einrichtungen der Jugendberufshilfe in katholischer Trägerschaft.2 Es zeigte sich, dass sich viele Mitarbeitende im Bereich digitaler Technologien bislang vor allem informell weiterbilden: durch Ausprobieren, über Kolleg:innen, Youtube-Tutorials, Familienmitglieder, Freund:innen und Bekannte.3 Was die Umfrageergebnisse ebenfalls darlegten: In vielen Einrichtungen hängt das Voranbringen digitaler Prozesse stark von dem persönlichen Engagement einzelner Teammitglieder ab. Und dies, obwohl die Mehrzahl der 101 Teilnehmer:innen der Online-Befragung sowohl ihrer Einrichtungsleitung als auch ihrem Team bescheinigen, dass diese den Einsatz digitaler Technologien und die medienpädagogische Arbeit mit Jugendlichen als wichtig erachten.4 Das Voranbringen von Digitalisierungsprozessen muss jedoch als Gemeinschaftsaufgabe betrachtet werden und Einrichtungen sollten Wege finden, alle Teammitglieder anzuregen, sich mit Digitalisierungsthematiken auseinanderzusetzen.5
Zugleich benötigen Fachkräfte sowohl für formelle wie auch für informelle Lernprozesse ausreichend (zeitliche) Ressourcen. Diese Erkenntnis ist nicht überraschend, und dennoch zeigen die Umfrageergebnisse, dass viele Fachkräfte die ihnen zur Verfügung gestellten (zeitlichen) Ressourcen als unzureichend bewerteten. Dieser Befund ist umso bemerkenswerter, als von den 101 Umfrageteilnehmer:innen keine:r der Aussage zustimmte, dass die Mehrheit der Fachkräfte in der Jugendberufshilfe kompetent mit digitalen Technologien umgehen könne, um Jugendliche auf die digitale (Arbeits-)Welt vorzubereiten.6
Die Expertise junger Menschen einbeziehen
Nicht nur auf der Ebene der Einrichtungen und der Fachkräfte gehen die vorhandenen Mittel und die Kenntnisse in Bezug auf Digitalisierung auseinander. Die Jugendberufshilfe und die Jugendsozialarbeit im Allgemeinen zeichnen sich durch eine heterogene Klientel aus. Wenngleich es den Zielgruppen der Jugendsozialarbeit oftmals strukturell erschwert ist, digitale Kompetenzen zu vermitteln, können auch sie ihr Wissen über digitale Technologien in sozialpädagogische Einrichtungen einbringen und Know-how an die Fachkräfte weitergeben. Auffallend ist jedoch, dass in der Online-Befragung lediglich ein geringer Teil der Fachkräfte angab, sich über Jugendliche Wissen und Fertigkeiten im Bereich digitaler Technologien anzueignen.7 Auch bei der (Weiter-)Entwicklung pädagogischer Angebote können junge Menschen wichtige Impulse geben.
Da gerade das Teilen von Know-how Lernprozesse anregen und befördern kann, sollten auch Peer-to-Peer-Ansätze oder generationsübergreifende Konzepte weiter erprobt und beworben werden. In Kooperation mit der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), Diözesanverband Köln, führte IN VIA Köln etwa ein Format ein, das Jugendlichen die Rolle von Kompetenzvermittler:innen zusprach. So konzipierten Teilnehmer:innen einer berufsvorbereitenden Maßnahme unter Anleitung der Fachkräfte von IN VIA Köln eine "Handy-Schulung" für Senior:innen. Begleitet von den Fachkräften setzten die Jugendlichen die inhaltlichen Schwerpunkte der Schulung und erörterten, welche Themen - wie zum Beispiel die Datenschutzeinstellungen bestimmter Apps - für die Senior:innen relevant sein könnten. Von der generationenübergreifen- den Begegnung profitierten nicht nur die Senior:innen. Die Jugendlichen erfuhren Anerkennung, wertvolles Know-how zu besitzen, und lernten zugleich, wie sie damit andere Personen unterstützen können. Solcherlei Ansätze ziehen eine veränderte Rolle der sozialpädagogischen Fachkraft nach sich und machen die Reflexion des eigenen Lehr- und Lernverständnisses unabdingbar. Auch für diese Prozesse müssen Fachkräften Ressourcen bereitgestellt werden.
Anmerkungen
1. Vgl. Henning, C.: Arbeit 4.0: Zurück in die Zukunft. In: Grimm, P. et al. (Hrsg.): Digitale Ethik. Leben in vernetzten Welten. Ditzingen: Reclam, 2019, S. 203.
2. Zum Hintergrund und methodischen Vorgehen der Befragung siehe Janz, S.; Duarte dos Santos, F.: Nachgefragt: Wie gelingt Einrichtungen der »
Jugendberufshilfe die Digitalisierung? Ergebnisse und Handlungsempfehlungen; www.ueberaus.de/wws/jugendberufshilfe-digitalisierung.php
3. Ein ähnliches Bild ergab sich in der Studie von Mayrhofer, H.; Neuburg, F.; Schwarzl, C.: Bestandserhebung zu e-youth work in der Offenen Jugendarbeit in Österreich. Zwischenbericht zum KIRAS-Forschungsprojekt "E-YOUTH.works - Offene Jugendarbeit in und mit neuen Medien als Schutzmaßnahme gegen radikalisierende Internetpropaganda". Wien: IRKS Working Paper, 2017, S. 18, S. 70.
4 Auch hierzu ergab die Studie von Mayrhofer, H.; Neuburg, F.; Schwarzl, C. ein ähnliches Bild, vgl. ebd., 2017, S. 34 f.
5. Mögliche Ansätze fasste die Autorin gemeinsam mit Sabrina Janz in dem oben genannten Beitrag auf dem Fachportal www.ueberaus.de zusammen.
6. Ausgehend von der durch die Umfrage erworbenen Momentaufnahme konzipierte IN VIA Deutschland gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit und IN VIA Dortmund ein niedrigschwelliges Weiterbildungsangebot. In acht zweistündigen Workshops erhielten Teilnehmende Impulse aus unterschiedlichen Fachdisziplinen sowie Projekten und die Möglichkeit, unterschiedliche digitale Tools oder Methoden auszuprobieren.
7. In der Bestandserhebung zu e-youth work in der Offenen Jugendarbeit in Österreich gaben hingegen 64 Prozent der befragten Jugendarbeiter:innen an, die Expertise der Jugendlichen hinzuzuziehen, um sich neues Wissen anzueignen (vgl. Mayrhofer, H.; Neuburg, F.; Schwarzl, C., 2017, S. 70). Wenngleich sich die beiden Handlungsfelder unterscheiden, sollten partizipative Formate im Bereich der Digitalisierung in der Jugendberufshilfe weiter erprobt werden.
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