Nicht ohne das Flammenkreuz
Unsere Konferenz hat sich in der Caritaslandschaft zu einer festen Marke entwickelt" war der Tenor bei der Bundeskonferenz der Geschäftsführungen und Vorstände der Orts-Caritasverbände. 109 Teilnehmende verzeichnete das hybrid in Berlin veranstaltete und kurzweilig moderierte dreitägige Treffen, das im vorigen Jahr Corona-Zwangspause hatte. Im Rechenschaftsbericht bezeugte die Sprechergruppe der Pandemie auch eine positive Seite: Sie brachte neue digitale Begegnungsformen und eine schnelle Vernetzung hervor, zog Sprecherin Regina Hertlein aus Mannheim das Resümee. Auch habe man auf der Ortsebene vom wöchentlichen Austauschformat der Videokonferenzen mit dem Sozial- und Fachvorstand des DCV inhaltlich profitiert.
Aus Sicht der Diözesanebene bestätigte die geladene Berliner DiCV-Direktorin Ulrike Kostka der Ortsebene, dass diese eine gewichtige Stimme entwickelt habe im gemeinsamen Konzert und dass von ihr auch gute Initiativen ausgehen, insbesondere zu den Themen rund um die Digitalisierung der Caritas. Es brauche jedoch auch eine klare Rollenverteilung, um an den regionalen Rändern und verbandlichen Schnittstellen Doppelungen zu vermeiden.
Als weiterer Gast der Runde ging Caritaspräsident Peter Neher ebenfalls auf die Vielfalt der verbandlichen Akteure ein. Sie führe auch zu einer Vielfalt im verbandlichen Handeln. Diese könne einerseits eine Stärke der Caritas in der Außenwirkung sein. Andererseits könne die Kakophonie jedoch auch zu einer Schädigung im Ansehen führen. Mit Sorge stelle er sich die Frage, wie die Caritas auch in Zukunft eine konsistente politische Linie finden könne. Statt reiner Selbstprofilierung Einzelner müsse man auch das verbandliche Profil im Blick behalten. Er sehe zumindest für sich im Präsidentenamt die Aufgabe, diese Bündelung zu leisten und den Verband zusammenzuhalten. Die jüngste Erfahrung zum Altenpflegetarif habe gelehrt, dass ein Thema überhandnehmen könne, das zwar auf vielen verbandlichen Ebenen diskutiert worden sei, aber nirgendwo zusammengetragen wurde. Angedacht sei daher nun, eine Arbeitsgruppe zu benennen mit Teilnehmenden aus unterschiedlichen Ebenen, die sich Gedanken zu einem entsprechenden Seismographen machen sollen.
Krise um Altenpflegetarif
Auch DCV-Vorstand Hans Jörg Millies stand Rede und Antwort, was im Vorfeld der Abstimmung der Arbeitsrechtlichen Kommission zu einem Altenpflegetarif schiefgelaufen sei. Man habe die Brisanz des Themas gekannt, aber vorab die Kommunikation zum AK-Beschluss nicht ausreichend vorbereitet. Hier brauche es ein Frühwarnsystem. Derzeit seien die Orte des Handelns nun aber die Pflegekommission sowie die Reform der Pflegeversicherung. Die Ortsvorstände regten einen weiteren Diskurs zum Dritten Weg an (wir berichten dazu in neue caritas Heft 14/2021) und lenkten auch den Blick auf einen positiven Aspekt der Krise: man sehe jetzt viel deutlicher, dass die Caritas gute Löhne zahle, und das Thema Pflegenotstand sei - natürlich auch durch die Pandemie - endlich überall im Blick.
Transparenzstandards: Wer soll sie setzen?
Als Lehre aus dem AWO-Skandal ist die Caritas derzeit dabei, sich in Sachen Compliance und Transparenz noch besser aufzustellen. Die neue caritas wird in einem der nächsten Hefte dazu ausführlicher informieren. Auch sollen Standards und Verbindlichkeit bei den Ortsvorständen im kommenden Jahr Konferenzthema sein. Immerhin 77 Prozent der Versammelten waren der Ansicht, dass die Transparenzstandards des DCV nicht nur empfehlenden Charakter haben dürften, sondern für alle verbindlich sein müssten. Gleichzeitig wurde gewarnt, dass zu viele Anforderungen an Standards von außen, insbesondere durch Drittmittelgeber, kommen und die Verbände dafür sehr viele Personalressourcen investieren müssen. Es sei darauf hinzuarbeiten, selbst offensiv zu sein und sich vor allem an den Standards der Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) zu orientieren.
Assistierter Suizid - Grauzonen am Lebensende
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum assistierten Suizid hat sich schon das nächste Spannungsfeld aufgetan und war der Ortsebene ein dringendes Austauschthema. Der Verweis auf das Wunsch- und Wahlrecht biete hier den Einrichtungen keine schnelle Abhilfe, da es des Öfteren gar keine Wahlmöglichkeit gebe, so Präsident Neher. Das grundsätzlich verbriefte Recht auf Selbsttötung müsse einerseits respektiert werden. Andererseits gebe es keine Verpflichtung, beim Suizid zu assistieren. Hier werde man eventuell in den Diensten und Einrichtungen mit einer Grauzone leben müssen, in der es einen offenen Rest gebe. Beim DCV wird derzeit als Hilfestellung eine Handreichung dazu erarbeitet. Seine Ambivalenz zum assistierten Suizid hatte auch der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter von den Grünen im Talk mit den Caritas-Ortsvertretungen signalisiert, zu dem er eingeladen worden war.
Nach einer Arbeitsgruppenphase zu dem bunten Themenstrauß IT-Struktur, Digitalisierung, Benchmarking, Seelsorgekonzept, Gemeinwohlökonomie, Klimawandel und Bundesteilhabegesetz ging es mit DCV-Vorstand Eva Welskop-Deffaa in die Abendrunde. Sie ging ebenfalls auf den begleiteten Suizid ein und verdeutlichte ihr Erschrecken über das Freiheitsverständnis, das dem Verfassungsgerichtsurteil zugrunde liege. Die Caritas sorge sich um die vulnerable Gruppe, die selbst nicht in der Lage sei, frei zu entscheiden. Es dürfe keinesfalls einen gesellschaftlichen Druck geben, wonach Menschen, die keine Leistungsträger seien, möglichst kostengünstig ableben sollten. Welskop-Deffaa rief den vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken ins Gespräch gebrachten Schutzraum in Erinnerung, den kirchliche Einrichtungen bieten könnten.
Als einen weiteren Paukenschlag bezeichnete Welskop-Deffaa das jüngste Bundesverfassungsgerichtsurteil zum Klimaschutz. Dessen Vorgabe, dass die heutige Generation zeitlich keine Hypotheken in die Zukunft verschieben dürfe, habe auch sozialpolitische Implikationen, die derzeit noch gar nicht bedacht seien. So stelle sich beispielsweise die Frage, ob Leistungszusagen auf die Rente unter der Lupe des Urteils noch bestehen könnten.
Im Portfolio von Eva Welskop-Deffaa ressortiert auch das Thema Digitalisierung in der Caritas, das seit 2017 ständiger Tagesordnungspunkt bei der Bundeskonferenz der Ortsebene ist. Anhand von zwei Präsentationen wurde gezeigt, was zwischenzeitlich erreicht wurde, was aber auch noch alles in Angriff zu nehmen ist. Der Geschäftsführer der inzwischen gegründeten Vorstandskommission Digitale Transformation, Johannes Landstorfer, betonte den iterativen Charakter des Prozesses, in dem es nun darum gehe, eine Governance-Struktur zu finden, um dann auch die Aufgaben anpacken zu können.
In Österreich tickt die Caritas anders
Dass das Caritas-Flammenkreuz auf alle Fälle gemeinsamer Nenner sein soll, auf den kaum einer verzichten will, ergab eine spontane Befragung auf der Konferenz. Anlass dazu war der Vortrag zu Entwicklungen und Herausforderungen für die Caritas des Caritas-Generalsekretärs der Diözese St. Pölten in Österreich, Christoph Riedl. Er schilderte, dass in Österreich das Flammenkreuz bei Kampagnen nicht mehr als Marke verwendet werde. Bereits die SchrifttypeHelvetica bewirke eine ausreichend hohe Wiedererkennung und schaffe Vertrauen in die Caritas.
Diskussion zum Verhältnis Kirche und Caritas anstoßen
"Wenn die Caritas spricht, spricht die Kirche", zitierte Riedl den Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Für Menschen, die mit der Kirche nichts mehr zu tun haben, sei es attraktiv, so Riedl, bei der Caritas zu arbeiten. Die Caritas werde oft nicht mehr als Teil der Kirche wahrgenommen. Bei den versammelten Vorständen aus den Ortsverbänden in Deutschland könnten sich laut einer Schnellumfrage zwar immerhin 44 Prozent vorstellen, sich stärker von der Kirche abzusetzen - auf das Flammenkreuz verzichten wollten jedoch nur neun Prozent.
Als offensichtlich wertschätzender als hierzulande stellte sich den Konferenzteil[1]nehmenden der Umgang zwischen der Kirche und der Caritas in Österreich dar. Im Gegensatz zu Österreich macht den deutschen Caritasverbänden die kirchliche Grundordnung mit ihren Loyalitätsobliegenheiten zu schaffen. Die Loyalität der Mitarbeitenden zur Caritas sei groß, so ein Großstadtdirektor aus dem Süden, jedoch nicht die zur Kirche. Der Umgang der Kirche mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und die Krise, in der sich die katholische Kirche in Deutschland deshalb befinde, wirke sich auch auf die Caritas aus, wenn es darum gehe, Personal für die Dienste und Einrichtungen zu finden. Das Verhältnis von Kirche und ihrer Caritas sehen die Teilnehmenden als ein Zukunftsthema, zu dem man gerne im Verband einen Diskussionsprozess anstoßen und eventuell ein Dialogpapier verfassen wolle. Caritaspräsident Neher bekannte, dass es für ihn eine Caritas ohne die Kirche nicht geben könne. Er setze seine Hoffnung in den Synodalen Weg und die Veränderung von innen heraus.
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