Babylotsinnen helfen Familien in ein sozial gefestigtes Leben
Wie geht es nach der Entlassung bei Ihnen weiter? Was brauchen Sie noch? - Das sind Fragen, mit denen Babylotsinnen1 Schwangere und Mütter mit Neugeborenen in Geburtskliniken ansprechen. Babylotsinnen sind meistens sozialpädagogische Fachkräfte mit einer Zusatzqualifikation. Ihre Kernaufgaben bestehen darin, psychosoziale Belastungen und Ressourcen bei den Müttern zu erkennen, vertiefende Gespräche mit ihnen zu führen sowie sie - im Bedarfsfall - in Entlastungs- und Unterstützungsangebote überzuleiten. Deshalb verfügen sie über ein gutes Netzwerk und sind gut angebunden an die Frühen Hilfen, die es in jeder Kommune gibt.
Um Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen und (werdende) Eltern zu stärken, haben Fachkräfte in Geburtskliniken bereits seit dem Jahr 2007 die Anamnese bei der Aufnahme von Schwangeren um sozialmedizinische Fragen erweitert. Verschiedene Lotsendienste der Frühen Hilfen, die es in etwa 30 Prozent aller Geburtskliniken in Deutschland gibt, sind für solche Fragen zuständig. Diese Dienste finden sich öfter in Kliniken mit hohen Geburtenzahlen und sehr viel häufiger in Städten. Bundesweit ist das Programm "Babylotse" am stärksten verbreitet (siehe Infokasten S. 19).
Ein Hintergrund für die Entstehung von Lotsendiensten der Frühen Hilfen in Geburtskliniken bildet das sogenannte Präventionsdilemma, also die Erfahrung, dass frischgebackene Eltern mit Unterstützungsbedarfen auf der einen Seite und Angebote wie Frühe Hilfen auf der anderen Seite bisweilen nicht zusammenfinden. In diesem Dilemma stecken oft Familien in belastenden Lebenssituationen und Armutslagen, die angesichts geringerer (Bewältigungs-)Ressourcen gerade unterstützende Angebote gebrauchen könnten. Wie aber werden diese vulnerablen Zielgruppen erreicht?
Vor diesem Hintergrund haben Geburtskliniken eine prädestinierte Rolle im Sinne der Prävention. Seit Jahren kommen in Geburtskliniken konstant 98 Prozent aller Kinder in Deutschland auf die Welt. Schwangere nehmen dieses stigmatisierungsfreie Angebot des Gesundheitssystems ganz selbstverständlich in Anspruch. Und genauso selbstverständlich ist es für sie, wenn sie dort von einer Babylotsin angesprochen werden.
Die Bedeutung von Babylotsinnen und die Wirksamkeit des Programms sind durch mehrere Studien gut belegt.2 Die jüngste Studie dazu wurde im Auftrag des DCV vom Forschungsinstituts Kantar3 durchgeführt. Im Vordergrund stand die Frage, wie Babylotsinnen bundesweit von Eltern erlebt werden, deren Kinder während der Pandemie zur Welt kamen. Anlass der Untersuchung waren zudem die zusätzlichen Armuts- und Teilhaberisiken für belastete Familien während der Coronakrise. Von Dezember 2020 bis April 2021 interviewte Kantar Mütter, Babylotsinnen und Klinikmitarbeitende.
DCV-Studie: Babylotsinnen machen den Unterschied
In der Pandemie ist noch klarer geworden, welchen Unterschied Babylotsinnen für Familien machen und welche Stütze sie ihnen sind: 93 Prozent der Mütter, die Kontakt mit einer Babylotsin hatten, halten fest: "Ich fühle mich mit meinen Fragen nicht alleingelassen, man hat mir zugehört." Fast so viele sagen, sie hätten "wichtige Informationen erhalten" und fast drei Viertel fühlen sich "entlastet". Ausnahmslos alle befragten Mütter können Babylotsinnen weiterempfehlen. Die Studie zeigt, dass rückblickend 74 Prozent der Mütter, die in der Klinik Kontakt zu einer Babylotsin hatten, zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Klinikaufenthalt waren. Unter den Müttern, die keinen Kontakt hatten, liegt der Anteil bei 55 Prozent. Die Hälfte der Erstgebärenden ohne Verbindung zu einer Lotsin fühlte sich schlecht auf die Entlassung aus der Klinik vorbereitet. Unter denen, die begleitet wurden, war es dagegen nur ein Fünftel.
Nach Einschätzung von Klinikmitarbeitenden liegt der Anteil an Müttern mit psychosozialen Belastungen im Durchschnitt zwischen 15 Prozent und 23 Prozent. Psychosoziale Belastungen sind unter anderem materielle Sorgen, Sprachbarrieren sowie Konfliktsituationen und können bedeutsam für die gesunde Entwicklung des Kindes werden. Das Klinikpersonal kann im Gegensatz zu Babylotsinnen auf diese Sorgen und Nöte aus Zeitgründen nicht angemessen eingehen. 95 Prozent der befragten Ärzt(inn)e(n), Pflegekräfte und Hebammen in Kliniken mit Babylotsinnen erachten deren Einsatz als unabdingbar, für noch mehr stellt er eine Entlastung dar.
Es ist kein Zufall, dass die Studie über die Zeit der Coronapandemie geführt wurde. Armuts- und Teilhaberisiken für belastete Familien haben sich während der Coronakrise verschärft. Seit März 2020 übt die Pandemie wesentlichen Einfluss auf die Arbeit der Babylotsinnen aus. Insgesamt fehlte Müttern aufgrund von Kontaktbeschränkungen in der Klinik und nach der Entlassung die Unterstützung der Familie und des Freundeskreises. Denn der Austausch mit anderen war durch den Wegfall beziehungsweise digitalen Ersatz zum Beispiel von Kursen zur Geburtsvorbereitung oder Mutter-Kleinkind-Treffen, wenn überhaupt, nur eingeschränkt möglich.
Unverzichtbar - doch eine Regelfinanzierung fehlt
Lotsendienste der Frühen Hilfen und explizit die Babylotsinnen bewähren sich in vielfacher Hinsicht, gerade in der Pandemie. Aus dem Alltag in Geburtskliniken sind sie nicht mehr wegzudenken. Sie entlasten die Mitarbeiter(innen) in den Kliniken und sind ein Gewinn für alle Familien mit Neugeborenen, besonders, wenn Druck und fehlende Ressourcen den Einstieg ins Familienleben erschweren. Babylotsinnen gestalten die Nahtstelle zwischen Geburtsklinik und den meist externen Angeboten der Frühen Hilfen oder anderen Entlastungs- und Unterstützungsangeboten. Sie bilden so ein wirkungsvolles Element einer frühen Armuts- und Gesundheitsprävention. Als vertrauensvolle Ansprechpartner(innen) für Eltern ermutigen sie diese zur Inanspruchnahme von Frühen Hilfen. Damit leisten sie einen Beitrag zur gesunden und guten Entwicklung aller Kinder und tragen dazu bei, das Präventionsdilemma zu überwinden.
Lotsendienste der Frühen Hilfen und insbesondere Babylotsinnen haben sich bundesweit seit 2007 immer weiter verbreitet und etabliert. Sie werden bisher in unterschiedlicher Weise mischfinanziert. Was nach wie vor fehlt, ist eine Regelfinanzierung. Lotsinnen sind in beiden Welten zu Hause und dort jeweils gut vernetzt: sowohl in der zum Gesundheitsbereich gehörenden stationären Geburtshilfe als auch in den zur Kinder-, Jugend- und Familienhilfe gehörenden Frühen Hilfen. Diese doppelte Systemzugehörigkeit muss sich auch in einer rechtskreisübergreifenden Beteiligung an den Kosten abbilden.
Anmerkung
1. Weil der Beruf nur von Frauen ausgeübt wird, wird hier im Text ausschließlich die weibliche Form verwendet
2. Eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat 2010 die Wirkung des Programms "Babylotse" überprüft. Ebenso gibt es eine vergleichende Studie mit ähnlichem Design der Berliner Charité von 2019. Weiter wird die Publikation einer aktuellen Evaluationsstudie der Goethe-Universität Frankfurt a.M. mit dem Titel "Babylotse Frankfurt am Main - Prävention von Anfang an" für 2021 erwartet.
3. Siehe dazu www.caritas.de, direkter Kurzlink: https://bit.ly/3izWKto
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