Schulsozialarbeit stärkt Schüler: individuell begleiten, vertraulich handeln
Die Kinder, Jugendlichen und Eltern sind sehr dankbar über jede Form der Kontaktaufnahme! Ihnen fehlen Ansprechpartner(innen), mit denen sie direkt in Kontakt treten können und denen sie auch ,blöde‘ Fragen stellen dürfen, und Helfer(innen), die Geduld haben und sie ermutigen."1 Diese und ähnliche Aussagen erreichten die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) von vielen Schulsozialarbeiter(inne)n während der Phase der pandemiebedingten Schulschließungen im Frühjahr 2020. Auch wenn die persönliche Begegnung am Ort Schule zeitweise nicht möglich war, wollte die Schulsozialarbeit gerade ihre Ansprechbarkeit und die Beratungsangebote aufrechterhalten - auf welchem Wege auch immer. Was anfangs vorwiegend über Telefonanrufe, per E-Mail, Briefe und über Balkon- und Fenstergespräche lief, hat sich mittlerweile erweitert um neue digitale Formate. Kreativ und dynamisch lassen sich die meisten Schulsozialarbeiter(innen) auf die derzeitigen Entwicklungen ein und passen ihre Angebote entsprechend der vorgesehenen Hygienemaßnahmen an.
Schulsozialarbeit für alle an allen Schulen
Das Handlungsfeld der schulbezogenen Jugendsozialarbeit beziehungsweise Schulsozialarbeit hat eine zentrale Vermittlungs- und Scharnierfunktion - innerhalb von Schulen, aber auch zwischen dem Schulsystem und der Jugendhilfe sowie weiteren Partnern aus dem Sozialraum.2 Gerade während der Pandemie scheint diese multiprofessionelle Zusammenarbeit, vor allem innerhalb der Schulen, mehr Wertschätzung zu erfahren. Teilweise waren die Schulsozialarbeiter(innen) die Einzigen, die während des Lockdowns Kontakt zu einzelnen Jugendlichen hatten.
he Ausweitung - von der Grundschule bis zu den Berufsschulen - erfährt, ist das Feld stark geprägt durch unterschiedliche Regelungen, Zuständigkeiten und Finanzierungslösungen je nach Bundesland oder Kommune. Dies erschwert die Profilbildung und führt zu Planungsunsicherheiten. Bundesweit führt dies zu einer uneinheitlichen Ausstattung an den Schulen. Alle jungen Menschen am Lern- und Lebensort Schule sowie ihre Familien sollten von dem Angebot profitieren können - nicht nur in Krisenzeiten.
Unterschiedliche Regelungen erschweren Profilbildung
Bisher wird die Schulsozialarbeit meist aus unterschiedlichen Paragrafen des Jugendhilfegesetzes (Achtes Buch Sozialgesetzbuch, SGB VIII) abgeleitet, nämlich den §§ 1, 11, 13, 14, 16 und 81. In einzelnen Bundesländern erfolgt die Konkretisierung dann über Landesprogramme der Sozialministerien, die eine Trägerschaft in der Jugendhilfe verorten und einen Finanzierungsanteil stellen, zum Beispiel in Baden-Württemberg. In anderen Bundesländern (Sachsen und Saarland) setzt ebenfalls die Jugendhilfe Schulsozialarbeit um. Die Finanzierung erfolgt aber gemeinsam mit den Kultusministerien beziehungsweise aus dem Bildungsetat.
Die Jugendhilfe versteht Schulsozialarbeit als eine eigenständige, kontinuierliche professionelle Tätigkeit sozialpädagogischer Fachkräfte an der Schule mit dem Ziel, Schüler(innen) in ihrer individuellen, sozialen und schulischen Entwicklung zu fördern, Bildungsbenachteiligungen zu vermeiden, Eltern bei der Erziehung zu beraten, bei Konflikten im Einzelfall zu helfen und das Zusammenleben in der Schule mitzugestalten.
Wird Schulsozialarbeit in schulischer Trägerschaft umgesetzt, stehen mehr schulstrukturelle Unterstützungsfunktionen im Vordergrund. Vor allem liegt die Dienst- und Fachaufsicht dann bei der Schulleitung und nicht beim jeweiligen Jugendhilfeträger. Dies kann unabhängiges Handeln und vertrauliche Beratung durch die Schulsozialarbeiter(innen) erschweren, zum Beispiel auch für Lehrkräfte. Eine nahezu vollständige schulische Trägerschaft existiert in Niedersachsen. Sowohl finanziell als auch fachlich liegt die Zuständigkeit für das Handlungsfeld dort beim Kultusministerium.
Warum eine verbindliche Zuständigkeit der Jugendhilfe?
Die katholischen Träger von Schulsozialarbeit leisteten mit ihrem Ende 2015 veröffentlichten Positionspapier "Schulsozialarbeit in Anbindung an die Kinder- und Jugendhilfe!" einen Beitrag zu der bis heute kontrovers geführten Fachdebatte über die geeignete Trägerschaft.3
In erster Linie sollen junge Menschen von Schulsozialarbeit profitieren und ihre Angebote, die sie an und in Kooperation mit Schulen bieten, freiwillig in Anspruch nehmen können. Für die verbindliche Anbindung der Schulsozialarbeit an die Kinder- und Jugendhilfe sind fachlich-inhaltliche Argumente zentral, die darlegen, auf welche Bedarfe von jungen Menschen am Lern- und Lebensort Schule reagiert werden sollte.
Schulsozialarbeit arbeitet präventiv, interveniert bei Schwierigkeiten und hat Familien im Blick. Insbesondere soll sie der Persönlichkeitsstärkung junger Menschen dienen und ganzheitliche Bildungsprozesse ermöglichen. Sie bringt also kinder- und jugendhilfe- spezifische Ziele, Methoden und Herangehensweisen in die Schule ein. Sind die Fachkräfte in Trägerschaft der Jugendhilfe angestellt, sind sie wesentliche und unabhängige Kooperationspartner(innen) von Schulen mit eigenen Aufgaben und Kompetenzen. Als Angebot der freien Jugendhilfe ist die Schulsozialarbeit auch fachpolitisch in kommunale Jugendhilfeausschüsse eingebunden und gestaltet die kommunale Jugend(hilfe)politik mit.
Die rechtliche Verankerung im Jugendhilfegesetz ist erforderlich
Ein flächendeckender, systematischer Ausbau, die qualitative Weiterentwicklung und Schärfung des Profils sowie die nachhaltige Absicherung von Schulsozialarbeit können über die Anbindung an die Jugendhilfe maßgeblich unterstützt werden. Hierfür bedarf es jetzt einer klaren rechtlichen Verankerung der Schulsozialarbeit im Jugendhilfegesetz, dem SGB VIII.4 Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) plädiert für die Etablierung einer eigenständigen Norm: § 13 a SGB VIII.5
Für eine nachhaltige Finanzierung muss gesorgt werden
Mit einer gesetzlichen Normierung im SGB VIII ist nicht automatisch eine ausreichende und verlässliche Finanzierung gesichert. Der Bund muss parallel durch eigene Handlungsmöglichkeiten für eine Entlastung der Länder und Kommunen sorgen und/oder sie nicht aus der Verpflichtung entlassen, entsprechende Angebote vorzuhalten. Die BAG KJS spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, Möglichkeiten der gemeinsamen Finanzierung sowohl aus dem Jugendhilfeetat als auch, je nach Bundesland, aus dem Bildungsetat auszuloten.
Reform des Jugendhilfegesetzes als (einmalige) Chance
Die derzeitige wegweisende Reform des Jugendhilfegesetzes bietet ein Fenster, dem seit langem existierenden Regelungsbedarf der Schulsozialarbeit gerecht zu werden. Eine gesetzliche Verankerung in einem neuen Paragrafen 13 a sollte laut BAG KJS wie folgt formuliert sein:6
"(1) Schülerinnen und Schülern sowie Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten sollen im Rahmen der Jugendhilfe gemäß § 1 Abs. 3 geeignete und erforderliche Angebote der Schulsozialarbeit am Ort Schule zur Verfügung gestellt werden.
(2) Schulsozialarbeit soll durch sozialpädagogische Fachkräfte gemäß § 72 kontinuierlich in verbindlich vereinbarter Zusammenarbeit mit der Schule gemäß § 81 Nr. 3 geleistet werden. Bei der Finanzierung der Schulsozialarbeit gemäß § 13 a soll der gemeinsamen Verantwortung von Schule und Jugendhilfe für Erziehung und Bildung Rechnung getragen werden. Näheres regelt Landesrecht."
Mit dieser Formulierung wird auch auf die notwendige ausreichende finanzielle Ausstattung der Schulsozialarbeit hingewiesen. Hierbei wird auf die gemeinsame Verantwortung von Jugendhilfe- und Schulsystem abgezielt. Auf der Landesebene gibt es bereits vereinzelt Regelungen, die eine Jugendhilfeträgerschaft absichern bei gleichzeitiger (Mit-)Finanzierung des Angebots aus dem Bildungsetat. Dies gilt es, über Regelungen im Landesrecht weiteren Bundesländern zu ermöglichen. Nicht nur in Krisenzeiten sollten Herausforderungen in multiprofessioneller Zusammenarbeit und mit geteilter Verantwortung gemeistert werden. Das trifft besonders für die Kooperation von Schule und Schulsozialarbeit in Trägerschaft der Jugendhilfe zu.
Anmerkungen
1. Siehe Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS): Interviewreihe in den Jugendsozialarbeit News: "Wie geht es eigentlich den Jugendlichen …; https://jugendsozialarbeit.news/wie-geht-es-eigentlich-schuelerinnen-im-landkreis-osnabrueck-die-in-der-schulsozialarbeit-betreut-werden
2. Zwischen Leistungen der schulbezogenen Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit oder der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) gibt es fachliche Unterscheidungen, jedoch auch viele Überschneidungen.
3. Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS); Deutscher Caritasverband; IN VIA Deutschland (Hrsg.): Schulsozialarbeit in Anbindung an die Kinder- und Jugendhilfe!, 2015: www.bagkjs.de/schulsozialarbeit-in-anbindung-an-die-kinder-und-jugendhilfe
4. Deutscher Caritasverband (Hrsg.): Caritas fordert Maßnahmen gegen ungleiche Bildungschancen - Versäumnisse werden in der Corona-Pandemie überdeutlich;
www.caritas.de/fuerprofis/presse/ stellungnahmen/07-30-2020-caritas-fordert-massnahmen-gegen-ungleiche-bildungschancen
5. BAG KJS: Stellungnahme "Ausbau, Qualität und Absicherung von Schulsozialarbeit"; www.bagkjs.de/ wp-content/uploads/2019/12/12-16-BAG-KJS_Stellungnahme_Schulsozialarbeit.pdf
6. BAG KJS: Stellungnahme der BAG KJS zum Referentenentwurf (5.10.2020) eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG): /www.bagkjs.de/ teilhabe-fuer-alle-jungen-menschen-sicherstellen-eine-inklusive-kinder-und-jugendhilfe-braucht-eine-starke-jugendsozialarbeit
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