Das Projekt „Kommune Inklusiv“ nimmt Fahrt auf
Wichtig ist, dass alle zusammenarbeiten: Verwaltung, Vereine, Wohlfahrtsverbände, Selbsthilfe und Unternehmen. Wenn sie an einem Strang ziehen, entstehen nachhaltige Inklusionsnetzwerke. Strukturen und Denkweisen können verändert, Teilhabe und Partizipation gefördert werden. Die fünf Modellkommunen, das sind Erlangen, die Verbandsgemeinde Nieder-Olm, Rostock, Schneverdingen und Schwäbisch Gmünd. So verschieden sie sind, so unterschiedlich ist auch in den kommenden Jahren ihr Weg zu einer inklusiven Gesellschaft.
Die fünf Kommunen
- Erlangen in Mittelfranken hat schon in den 80er-Jahren viel für Rollstuhlfahrer(innen) bewegt. Rampen und Niederflurbusse sind dort selbstverständlicher Teil des Stadtbildes. Nun möchten die Erlanger mehr Freizeitangebote für gehörlose und auch für ältere Menschen schaffen. Zum Beispiel soll dort bald ein inklusiver Chor entstehen: Die einen singen mit ihren Stimmen, die anderen mit Gebärden.
- Nieder-Olm in der Nähe von Mainz hat vor allem Geflüchtete und Menschen mit kognitiven Einschränkungen im Fokus und will sie besser auf dem Arbeitsmarkt integrieren. Außerdem soll es mehr Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung geben. In einem neu entstandenen Bildungstreff sollen alle, die Lust haben, zusammen rechnen, schreiben und lesen üben können. Anfangs mit Unterstützung, später selbstverwaltet.
- Rostock hat sich als Zielgruppe für neue Inklusionsprojekte vor allem Kinder und Jugendliche mit körperlichen Behinderungen herausgesucht. In dem von der Caritas koordinierten Projekt liegt auch hier ein weiterer Fokus auf Menschen mit Migrationshintergrund. Die Stadtteil-Begegnungszentren, die es in Rostock schon seit einigen Jahren gibt, sollen daher ab sofort zu zentralen Inklusions-Anlaufpunkten werden. So werden bestehende Strukturen genutzt, um mehr Bewusstsein für Inklusion zu schaffen.
- In Schwäbisch Gmünd geht es um Bildung mit der Zielgruppe Kinder und Jugendliche aus sozial schwierigen Verhältnissen, aber auch um Menschen mit geistig-seelischer Einschränkung. Um ihnen und anderen von Ausgrenzung bedrohten Menschen zu helfen, hat sich mittlerweile ein starkes Netzwerk gebildet. Der neu gegründete Verein zur Förderung der Inklusion in Schwäbisch Gmünd will Inklusion wirkungsvoll und nachhaltig gestalten. Darin organisieren sich unter anderem das Landratsamt, die Lebenshilfe und der Stadtverband Sport. Ein Vertreter der Caritas ist in der Steuerungsgruppe von "Kommune inklusiv" dabei.
- Und im niedersächsischen Schneverdingen soll ganz allgemein das Inklusionsbewusstsein der Bevölkerung erhöht werden. In der kleinen Stadt mit 20.000 Einwohnern wird daher vor allem Partizipation gefördert. In vier Arbeitsgruppen treffen sich die Bürger, um Inklusion in Bildung, Arbeit, Freizeit und Wohnen voranzubringen.
Professionelle Begleitung
Die Aktion Mensch begleitet und berät die Modellkommunen. Darüber hinaus bietet sie Schulungen zum Beispiel zum Thema Netzwerkbildung, Projektmanagement, Rhetorik oder Pressearbeit an. Jede der Städte hat für die fünf Jahre, die das Projekt dauert, einen sogenannten Netzwerk-Koordinator. Diese Koordinatoren pflegen alte Kontakte und bringen neue Akteure zusammen. Sie halten die Fäden in der Hand und das Ziel im Blick: dass nämlich vor Ort langfristig inklusive Lebensumfelder entstehen. Und zwar nicht nur in Bezug auf Menschen mit und ohne Behinderung, sondern im ganz weiten Sinne: Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, ältere und jüngere, dickere und dünnere sollen sich auf Augenhöhe begegnen können.
Dafür braucht es soziale Strukturen, die in den Kommunen zum Teil gebündelt, zum Teil aber auch neu gebildet werden müssen. Entscheidungen dazu, wie das gelingen kann, werden aber nicht von oben herab gefällt. Im Gegenteil: Teilhabe wird im Projekt "Kommune Inklusiv" ganz groß geschrieben. Das sagt auch Projektleiterin Carolina Zibell: "Das Besondere an der Initiative ist, dass wir alle von Anfang an mitnehmen wollen. Über Bürgerforen, Ideenwerkstätten und Zielgruppenbefragungen werden die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, sich an dem Projekt zu beteiligen und ihren Lebensraum mitzugestalten."
Tagung mit 250 Experten
Um das Projekt einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen, hat die Aktion Mensch Ende Februar in Köln eine große Tagung organisiert: 250 Expert(inn)en und Referent(inn)en aus Wirtschaft und Wissenschaft, Kommunen und Verbänden haben sich darüber ausgetauscht, wie inklusive Lebensumfelder und bunte Stadtgesellschaften entstehen können. "Allerdings möchten wir keine Luftschlösser bauen, sondern realistisch bleiben", sagt Armin von Buttlar, Vorstand der Aktion Mensch. "Deshalb haben wir auch einen Blick auf die möglichen Herausforderungen geworfen, die es auf dem Weg zur Inklusion zu meistern gilt."
In 13 Foren und Workshops haben die Teilnehmenden Erfahrungen ausgetauscht und Potenziale diskutiert. Ein wichtiges Thema ist, wie Teilhabe durch Digitalisierung entstehen kann. Bastian Pelka, Forschungsrat und Bereichskoordinator an der Sozialforschungsstelle der Technischen Universität Dortmund, sieht die Vorteile der Digitalisierung auf zwei Ebenen: "Einmal in der Teilhabe mit Medien, weil zum Beispiel die Vorlese- oder Vergrößerungsfunktion von Tablets es vielen Menschen erleichtert, Texte wahrzunehmen. Zweitens in der Teilhabe in Medien: Rathäuser werden digital, Bildung und Arbeit sowieso. Das kommt allen Menschen zugute, die in der analogen Welt viele Barrieren erfahren."
Referenten mit guten Beispielen
Ein zukunftsweisendes Beispiel dafür, wie Chancen der Vielfalt auch in der Arbeitswelt Schule machen können, liefert Jan Wulf-Schnabel, Geschäftsführer des Instituts für Inklusive Bildung aus Kiel. Das Institut ist die weltweit erste an eine Universität angegliederte wissenschaftliche Einrichtung für die Bildungsarbeit von Menschen mit geistiger Behinderung. Als "Experten in eigener Sache" werden sie dazu ausgebildet, Menschen ohne Behinderung ihre Lebenswelten, Bedarfe und Sichtweisen zu vermitteln, zum Beispiel Lehrkräften, Studierenden oder Personalverantwortlichen an Fach- und Hochschulen.
Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt "Kommune Inklusiv" von der Goethe-Universität Frankfurt, und zwar auf drei Ebenen: Zum einen untersuchen die Wissenschaftler(innen) die geplanten Maßnahmen innerhalb der Modellkommunen. Wie bewerten die Teilnehmenden die Angebote vor Ort? Wie nachhaltig sind die Maßnahmen im jeweils konkreten Lebensalltag? Kann sich die inklusive Praxis innerhalb der Sozialräume durch die Maßnahmen weiterentwickeln? Auf einer zweiten Ebene werden die Sozialräume mit ihrer Infrastruktur beobachtet und analysiert; vor Ort, aber auch mit Telefonumfragen und Online-Fragebögen. Und schließlich geht es natürlich um die Menschen, die in den fünf Modellkommunen leben: Wie geht es denen, die dort von Teilhabebarrieren bedroht sind, und wie helfen ihnen die Veränderungen vor Ort?
Eine Schablone für Inklusion
Ab sofort, aber auch nach Abschluss des Projekts stehen die Modellkommunen allen anderen Sozialräumen in Deutschland zur Verfügung, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu teilen. So entsteht in dieser Zeit eine Schablone für Projekte und Netzwerk-Vorbilder rund um Inklusion. Für Informationen und den Erfahrungsaustausch stellt die Aktion Mensch eine Online-Plattform bereit. Hier können sich auch Kommunen informieren und einbringen, die nicht Teil der Initiative sind. Auf diese Weise profitieren auch jetzt schon Gemeinden in ganz Deutschland vom Projekt "Kommune Inklusiv".
Nähere Infos: www.aktion-mensch.de/kommune-inklusiv; www.aktion-mensch.de/fachtagung-sozialraum.de
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