Topsharing motiviert Nachwuchskräfte
Topsharing bedeutet üblicherweise, die Arbeitszeit einer Vollzeitstelle auf zwei Führungskräfte aufzuteilen, die eng im Tandem zusammenarbeiten. Die Aufteilung der Führungsverantwortung, der Arbeitszeiten und Aufgaben richten sich nach den Anforderungen der jeweiligen Führungsstelle. Topsharer(innen) können exakt die gleichen Aufgaben haben und auch die Mitarbeiter(innen) gemeinsam beurteilen und führen. Mitarbeitergespräche finden dann mit beiden Führungskräften statt.
Weitaus häufiger ist aber die Form, dass sich Topsharer Aufgabenbereiche und Mitarbeiterverantwortung aufteilen. Bezüglich der Arbeitszeit ist es üblich, für eine möglichst große Abdeckung von Anwesenheiten zu sorgen, zum Beispiel, indem der/die eine Topsharer(in) in der ersten Hälfte der Woche anwesend ist und der/die zweite Topsharer(in) in der zweiten Hälfte. In jeder Woche erfolgen - üblicherweise mittwochs - eine Übergabe und ein Austausch zu den anstehenden Arbeitsthemen. Sehr häufig haben Topsharer jeweils 60-Prozent-Stellen.
Topsharing-Modelle werden in Deutschland - auch im europäischen Vergleich - noch eher selten eingesetzt, aber die Nachfrage und das Interesse an diesem Modell steigen seit einigen Jahren stetig. Woran liegt das?
Topsharing ist das einzige Arbeitszeitmodell, welches bei Führungspositionen sowohl hohe Präsenz als auch klassische Teilzeit ermöglicht; es ist sozusagen die "eierlegende Wollmilchsau" der Arbeitszeitmodelle. Reduzierungen von unter 70 Prozent sind in Führungspositionen in der Regel nicht praktikabel, wenn keine zweite Person in Führung geht. Die Vorteile für Vorgesetzte und Arbeitgeber sind bei Topsharing vor allem der gemeinsame Austausch in schwierigen oder neuen Situationen, das erhöhte kreative Innovationspotenzial von zwei Köpfen und die gegenseitige Vertretung in Urlaubs- und Krankheitsfällen. Topsharer und deren Vorgesetzte berichten gleichermaßen, dass Entscheidungen dadurch eine höhere Qualität erhalten und dies gerade in strategisch wichtigen Führungspositionen von Vorteil ist.
Das Plus kann aber gerade zu Beginn der Zusammenarbeit auch ein Nachteil sein, denn der Abstimmungsbedarf ist in Topsharing-Modellen zumindest am Anfang höher. Außerdem müssen die beteiligten Führungskräfte bereit sein, Macht zu teilen und zu akzeptieren, dass in ihrer Abwesenheit Entscheidungen getroffen werden, die sie selbst anders getroffen hätten.
Ein Job für jede Lebensphase
Topsharing ist ein hervorragendes Instrument im Rahmen lebensphasenorientierten Personalmanagements, denn es lassen sich auf diese Weise Phasen überbrücken, in denen eine Führungskraft aus privaten Gründen weniger arbeiten will oder muss. Dies kann die Rückkehrphase nach der Elternzeit sein oder auch der Übergang in die Rente. Topsharing bietet die Möglichkeit, dass eine ältere erfahrene Führungskraft eine jüngere eine Zeit lang "on the job" begleitet und ihr Wissen an diese weitergibt. Topsharing ist daher auch ein gutes Instrument im Kontext von systematischem Wissensmanagement.
Die Vorstellung, dass Topsharer als Führungskräfte nur zwei bis drei Tage in der Woche Verantwortung tragen und dann in ihr Privatleben abtauchen können, gilt aber in der Regel nicht. Wie bei allen Führungskräften, die flexible Modelle praktizieren, zeigt die praktische Erfahrung, dass auch an den freien Tagen das eine oder andere Mal eine Mail beantwortet werden muss oder dringende Absprachen getroffen werden. "Als Führungskraft trage ich immer noch 100 Prozent der Verantwortung, auch wenn ich nur 50 Prozent der regulären Arbeitszeit hier bin", beschreibt es eine Leitung aus einem deutschen Telekommunikations-Konzern treffend.
Trotzdem sagen die meisten Topsharer, mit denen die EAF Berlin1 gearbeitet hat, dass es sich unterm Strich für die Vereinbarkeit lohnt. Erfolgsfaktoren sind ein hohes Maß an Flexibilität, eine gute Passung des Topsharing-Partners und die Akzeptanz des Umfeldes. Gerade der letzte Punkt ist nicht selbstverständlich, denn oftmals herrscht die Haltung vor, dass das Modell nur Sache des Führungstandems ist. Mit dieser Einstellung sind solche Modelle zum Scheitern verurteilt, denn wie alle flexiblen Arbeitszeitmodelle funktioniert auch dieses Modell nur, wenn das Umfeld sich ebenfalls verändert. So muss die vorgesetzte Leitungsperson zukünftig zwei Führungskräfte beurteilen, die zumindest zu einem gewissen Anteil eine gemeinsame Leistung erbringen - eine ungewohnte Situation. Viele Topsharer haben identische Arbeitsverträge und werden tatsächlich zusammen beurteilt. Andere Stellen sind so stark voneinander abgegrenzt, dass eine getrennte Beurteilung ohne Probleme möglich ist. Gerade zu Beginn ist es wichtig, dass der/die Vorgesetzte mit einem Vertrauensvorschuss den Prozess begleitet und auch bei Akzeptanzproblemen im Umfeld Schützenhilfe leistet.
Die Haltung zählt
Für die Mitarbeiter(innen) bedeutet Topsharing eine Umstellung, die aber in der Regel ohne große Probleme abläuft. Flexible Führung sollte immer auch dazu genutzt werden, die Eigenverantwortung des Teams und das Delegieren an Mitarbeitende zu fördern. Denn der Erfolg solcher Modelle basiert auf einem starken Team, welches Führung nicht als Omnipräsenz der Führungskraft in jedem noch so kleinen Arbeitsprozess definiert. Ein Großteil der Mitarbeiter(innen) schätzt das Vertrauen und die wachsenden Möglichkeiten, eigenverantwortlich zu handeln.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist eine klare Transparenz von Anwesenheits- und Abwesenheitszeiten für Kundschaft und Mitarbeiter(innen) und Erreichbarkeit in Notfällen. Letztendlich zählt aber vor allem die Haltung gegenüber neuen Führungs- und Arbeitsformen. Neue Modelle bedürfen immer einer Umstellung und eines zumindest vorübergehend höheren Managementaufwandes. Langfristig bindet und motiviert eine Organisation durch solch neue Modelle aber insbesondere junge - weibliche wie männliche - Nachwuchskräfte, die laut Studien (zum Beispiel von Kienbaum 20152) mehr als die ältere Generation Wert darauf legen, dass Vereinbarkeitsfragen im Personalmanagement berücksichtigt werden. Daher bieten sich diese Modelle gerade für Organisationen an, die mit akutem Fachkräftemangel zu kämpfen haben.
Anmerkungen
1. Die EAF Berlin ist eine unabhängige und gemeinnützige Institution. Sie begleitet Organisationen in Veränderungsprozessen und berät zu den Themen Vielfalt und Chancengleichheit, Karriere und Führung, Vereinbarkeit und Resilienz sowie Politik und Partizipation. Sie realisiert Trainings zur Personal- und Organisationsentwicklung sowie eigene Studien und Forschungsprojekte.
2. Kienbaum Studie 2015: Absolventen 2015 unter die Lupe genommen: Ziele, Wertvorstellungen
und Karriereorientierung der Generation Y.
Kurzlink http://bit.ly/2hOaXpM
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