Ein Schritt hin zu mehr Austausch und Solidarität
Für die meisten von uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir heute in Europa in Frieden miteinander leben. In dieser Hinsicht ist der europäische Integrationsprozess eine bewundernswerte Erfolgsgeschichte. Doch gleichzeitig dominieren seit einigen Jahren sehr besorgniserregende Ereignisse die Nachrichten über Europa: Schuldenkrise, hohe Arbeitslosigkeit in einigen Ländern, ansteigende Flüchtlingsströme, zunehmende rechtsradikale Tendenzen, das Auseinanderdriften von Arm und Reich. Die Probleme in Europa sind komplex und scheinen aus Sicht vieler Bürger(innen) schier unlösbar.
Im beruflichen Alltag der meisten Caritas-Beschäftigten in Deutschland stehen die lokalen und regionalen Hilfebedarfe der Menschen im Vordergrund. Die Probleme der Menschen hierzulande werden nicht weniger, während Ressourcen im Hilfesystem nicht mehr werden. Viele Kolleg(inn)en erleben dadurch eine hohe Arbeitsdichte und bisweilen großen Stress. Europa und seine Probleme sind da manchmal weit weg.
Die Europa-Kompetenzen stärken
Die Caritas als soziale Säule der katholischen Kirche setzt sich in ganz Europa für den sozialen Zusammenhalt, die Förderung von Solidarität und die Vermittlung von christlichen Werten ein. Dabei ist sie als Dienstleistungserbringerin im Sozialwesen eine wichtige und starke Akteurin. Gleichzeitig nehmen auf europäischer Ebene die Koordinierungsanstrengungen im Sozial-, Familien- und Bildungsbereich zu, der Anwendungsbereich der EU-Binnenmarktregeln wirkt immer stärker auch auf soziale Dienstleistungen, und Klientel und Arbeitskräfte werden in den EU-Mitgliedstaaten internationaler. Um sich gestaltend in diese europäischen Prozesse einbringen zu können und auf die Herausforderungen für das Sozialwesen in Europa reagieren zu können, müssen die
Europa-Kompetenzen der Caritas-Beschäftigten und der Caritas-Organisationen weiterentwickelt und gestärkt werden. Trotz des gemeinsamen oder ähnlichen Namens von Caritas-Organisationen in Europa ist die Kenntnis voneinander, der Austausch übereinander und die strategische Kooperation miteinander noch sehr schwach ausgeprägt.
Vor diesem Hintergrund hat der Landes-Caritasverband Bayern in Kooperation mit dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin und der Caritas in Nordrhein-Westfalen das EU-Projekt "Capso: Caritas in Europe - Promoting together Solidarity" ins Leben gerufen. Mit Fördergeldern aus dem EU-Programm für lebenslanges Lernen reisten 30 Beschäftigte der Caritas aus Deutschland zu Caritas-Organisationen in 20 verschiedene Programmländer. Im Projektzeitraum von Juni 2013 bis Mai 2015 besuchten sie die Caritas-Partnerorganisationen für je zweiwöchige individuelle Lernaufenthalte.
Europäisch denken und handeln
Ziel des Projektes war es, zu lernen, wie die Sozialsysteme in anderen europäischen Ländern funktionieren, welche Aufgaben die Caritas dabei übernimmt und in welcher Tradition, mit welcher Geschichte und mit Hilfe welcher Strukturen die Caritas dabei arbeitet. Die Teilnehmenden sollten durch den Austausch und Aufenthalt lernen, die europäische Perspektive und europäisches Wissen in ihren Arbeitsalltag zu übernehmen. Interkulturelles und fremdsprachliches Lernen waren ein weiteres wichtiges Ziel. Außerdem sollten sie nach der Teilnahme als Multiplikator(inn)en ihren haupt- und ehrenamtlichen Kolleg(inn)en Impulse geben, europäisch zu denken und zu handeln.
Mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens haben die Teilnehmenden Informationen über die Sozialsysteme der Gastländer und der dortigen Caritas gesammelt. Informationen aus den Lernaufenthalten und aus dem durch das Projekt entstandenen Netzwerk von Caritas-Organisationen waren für eine Publikation zusammengestellt worden, die auf der Abschlusskonferenz am 28./29. September 2015 in Berlin vorgestellt wurde. In Ausgabe 3/2015 von "caritas in NRW" zum Thema "Soziales Europa" wurden einige Lernaufenthalte und die Situation in den Gastländern beschrieben.
Die gastgebenden Projektpartner sind durch das Projekt Teil eines europaweiten Netzwerkes von Caritas-Organisationen geworden, die Interesse an europäischem Austausch bewiesen haben. Alle Partner haben Zugriff auf die Kontaktdatenbank der beteiligten Organisationen und können diese für weitere europäische Projekte und Wissenstransfer nutzen. Bei der Abschlusskonferenz hatten alle Partner die Gelegenheit, sich persönlich kennenzulernen und auszutauschen. Für weitere Projekte können die Partner auf das gebündelte Wissen aus dem Capso-Projekt zurückgreifen und so den europäischen Austausch noch fach- und themenspezifischer gestalten. Der Transfer von Wissen hat in beide Richtungen stattgefunden, nicht nur von den Gastgebern zu den Teilnehmenden, sondern auch umgekehrt. Zwischen den Organisationen ist durch die Lernaufenthalte in vielen Fällen ein intensiver Kontakt entstanden, der nun weiter gepflegt wird.
Große Not in manchen Gastländern
Die Teilnehmenden berichten über vielfältige Lernergebnisse auf der fachlichen, aber auch auf der persönlichen Ebene. Besonders in Erinnerung blieben ihnen:
- das überzeugende und authentische Engagement aus dem Prinzip der Nächstenliebe von Hauptamtlichen und Freiwilligen der Caritas im Gastland;
- die Notwendigkeit der Caritas, die Grundbedürfnisse von Menschen zu erfüllen, weil es im Land kein soziales Sicherungssystem gibt;
- die grassierende Armut und Not der Menschen in verschiedenen Gastländern;
- die selbstverständliche und konstruktive Zusammenarbeit von Caritas und Pfarreien/Diözesen;
- die professionelle und glaubwürdige Selbstdarstellung der Caritas im Gastland;
- die Hilfsangebote, die durch Freiwillige möglich sind;
- die zahlreichen Möglichkeiten der Kooperation und des Austausches zwischen der Caritas in Deutschland und der Caritas im Gastland;
- die Kreativität und Professionalität beim Einwerben von Geldmitteln für Hilfsangebote.
Damit das Projekt Realität werden konnte, mussten die beteiligten Verbände - auch auf Gastgeberseite - die anfallenden Personalkosten für das Projektteam, die Teilnehmenden und die Gastgeber(innen) für den Austauschzeitraum finanzieren. EU-Projekte müssen sich oft rechtfertigen, ob sie den Aufwand wert sind. Das Projektteam ist der Überzeugung, dass es neben den großen politischen Lösungen für die Probleme in Europa vor allem die Verbindungen zwischen den Menschen braucht, damit die Solidarität in Europa erhalten bleibt und weiter wächst.
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