Ein Schlüssel zur Integration
Im Jahr 2008 stellten in Deutschland 28.018 Menschen einen Antrag auf Asyl - ein historischer Tiefstand. Doch spätestens seit 2012 ist die Zahl der Asylsuchenden wieder stark angestiegen. Für das Jahr 2013 verzeichnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 127.023 Anträge auf Asyl. Die Schätzungen der Bundesregierung für das Jahr 2014 belaufen sich auf circa 200.000. Dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald wurden nach der Landesquote 2013 insgesamt 374 Flüchtlinge zugewiesen. Für 2014 wird mit mindestens 440 asylsuchenden Menschen gerechnet.
Beratende Angebote für Flüchtlinge haben im Migrationsdienst des Caritasverbandes für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald Tradition. Seit den späten 1980er Jahren hält der Verband einen Sozialdienst für Flüchtlinge vor, der in den 1990er Jahren (Krieg im ehemaligen Jugoslawien) zeitweise sieben Deputate umfasste. Der Schwerpunkt der Flüchtlingsarbeit lag seit 1998 - bei stark rückläufigen Anträgen auf Asyl - verstärkt in der Begleitung und Information von Ehrenamtlichen und Helferkreisen. Die Verantwortlichkeit für die Flüchtlingssozialarbeit in den Gemeinschaftsunterkünften (GUs) wechselte von den Ligaverbänden zur kommunalen Landkreisbehörde.
Eine Arbeit zu haben ist für Flüchtlinge ein bedeutender Faktor bei der gesellschaftlichen Integration. Durch Arbeit sind die asylsuchenden Menschen auch finanziell unabhängig von Transferleistungen, deshalb spielt sie eine nicht unerhebliche Rolle bei der Erlangung eines Aufenthaltstitels. Dies gilt insbesondere für Flüchtlinge, über deren Asylgesuche negativ entschieden wurde.
Seit dem Jahr 2010 ist der Caritasverband für den Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald Netzwerkpartner des seit 2007 bestehenden Projektverbundes Bleiberecht Freiburg/Breisgau-Hochschwarzwald. Dieses ESF/Xenos-Programm1 richtet sich an Flüchtlinge mit mindestens nachrangigem Zugang zum Arbeitsmarkt. Das bedeutet, dass Menschen im laufenden Asylverfahren mit Aufenthaltsgestattung nach neun Monaten und Geduldete2 nach zwölf Monaten eine Beschäftigungserlaubnis erhalten können, wenn für die konkrete Arbeitsstelle keine Bewerber(innen) aus Deutschland oder einem EU-Mitgliedstaat vorhanden sind. Mit einer gezielten, individuell zugeschnittenen Vermittlung in Ausbildung und Arbeit werden Flüchtlinge auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt begleitet. Zur besseren Integration von Geringqualifizierten organisiert der Projektverbund Bleiberecht Freiburg/Breisgau-Hochschwarzwald vor allem berufsbezogene Sprachkurse, aber auch Fortbildungen, wie beispielsweise Qualifizierungen in der Altenpflege, im Reinigungsgewerbe oder in der Gastronomie.
Seit Anfang März 2014 ist der Projektverbund Kooperationspartner der örtlichen Agentur für Arbeit, die mit dem Modellprojekt "Jeder Mensch hat Potenzial" qualifizierten Flüchtlingen mit Bleibeperspektive von Beginn des Asylverfahrens an den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern versucht.
Flüchtlinge sind auf dem Land oft verloren
Durch die sogenannte Anschlussunterbringung - Flüchtlinge werden von den Gemeinschaftsunterkünften in kleine Wohneinheiten in die Gemeinden verlegt - müssen sich die 50 Gemeinden und Kommunen im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, in die die Flüchtlinge umverteilt werden, mit Fragen der Unterbringung und Integration auseinandersetzen.
Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald erstreckt sich von der Rheinebene bis in den Hochschwarzwald. Die Entfernungen sind entsprechend groß, einige Gemeinden und Ortschaften abgelegen und schlecht mit öffentlichem Nahverkehr ausgestattet. Der Zuzug von Flüchtlingen in die Gemeinden ist ein brisantes Thema. Neben den Stimmen der "Das Boot ist voll"-Fraktion gibt es aber auch erfreulich viele positive Tendenzen in den Kommunen.
Bei Podiumsdiskussionen, Bürgerversammlungen und Helferkreistreffen nehmen die Mitarbeiter(innen) der Migrationsdienste ein großes Willkommensecho in der Bevölkerung wahr. Die Resonanz auf Aufrufe zu ehrenamtlicher Mitarbeit ist sehr groß, ebenso wie der Wunsch, von professioneller Seite begleitet oder beraten zu werden. Der Caritasverband unterstützt diese Entwicklung mit den neuen Patenschaftsprojekten "ILM" (Integration von langzeitarbeitslosen Menschen mit Fluchtschicksal in den Arbeitsmarkt) und "So what" (Solidarisches Miteinander bei der Wegsuche junger Menschen mit Migrationshintergrund nach Ausbildung und Arbeit).
Patenschaften nützen allen
Patenschaften zwischen Einheimischen und Fremden sind keine neue Erfindung, aber sie sind wirksam und zielführend. Die Patenschaften zielen dabei nicht nur auf die Integration der zugewanderten Menschen ab, sondern wollen ebenso die Potenziale von Flüchtlingen für das jeweilige Gemeinwesen in den Vordergrund stellen: im Idealfall eine Win-win-Situation, bei der interkulturelle Begegnung erfahrbar wird.
Um langzeitarbeitslose Flüchtlinge zu fördern, die bereits über einen befristeten Aufenthaltstitel verfügen, startete die Caritas zum 1. Januar 2014 das mit regionalen Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds finanzierte "ILM"-Projekt. In Zusammenarbeit mit dem lokalen Jobcenter sprechen die beiden Mitarbeiterinnen des "ILM"-Projekts gezielt Flüchtlinge mit gesichertem Aufenthalt im SGB-II-Bezug an, die ihren Wohnsitz im Landkreis haben. Ergänzend zum Bleiberechtsprojekt bietet "ILM" somit Unterstützung für Flüchtlinge, die trotz eines Aufenthaltstitels Schwierigkeiten bei der Arbeitsaufnahme haben.
"So what" (gefördert von der "Aktion Mensch") dagegen zielt auf 16- bis 27-jährige Migrant(inn)en ab - mit oder ohne Fluchtschicksal. Neben mitgebrachten Integrationshemmnissen wie Sprachdefiziten, fehlender Anbindung an das Gemeindeleben, möglichen traumatischen Belastungen oder geringer schulischer und beruflicher Qualifikation gehen die Beteiligten des "So what"-Projekts auf altersspezifische Entwicklungsstadien zwischen Pubertät und der Festigung der eigenen Persönlichkeit ein.
In beiden Projekten sind Ehrenamtliche mit eigenem Migrationshintergrund herzlich willkommen.
Nur mit dem skizzierten Projektmix, begleitet und unterstützt von den schon länger bestehenden Jugendmigrationsdiensten und Migrationserstberatungsstellen, ist der Anspruch erfüllbar, alle Flüchtlinge im Landkreis zu erreichen. Regelmäßige Kooperationen mit den Sozialdiensten des Landratsamtes, Jobcenter/Agentur für Arbeit sowie Gemeinden und Kirchengemeinden sind dabei wesentliche Faktoren für den Erfolg.
Aus Solidarität bilden sich Helferkreise
Helferkreise (wie beispielsweise Freundeskreise Asyl) hat es in den letzten Jahren bei zurückgehenden Asylanträgen und Schließungen von Geimeinschaftsunterkünften immer weniger gegeben. Seit Anfang 2013 manifestiert sich in der Bevölkerung eine spürbar stärker werdende große Anteilnahme für in die Gemeinde ziehende Flüchtlinge, die oft zur Gründung einer festen Helfergruppe führt.
Herausragendes Beispiel ist dabei im Landkreis der Helferkreis Kirchzarten, der jüngst sein 25-jähriges Bestehen feierte. Getragen von der Gemeindeverwaltung und tatkräftig unterstützt von katholischer und evangelischer Kirchengemeinde ist dieser Kreis inzwischen selbstverständlicher Bestandteil des Gemeindelebens. Arbeit- und Wohnungssuche, Ausflüge und Feste organisieren, Petitionen aufsetzen oder Politiker(innen) sensibilisieren - das Betätigungsfeld ist äußerst vielfältig. Und auch dieser Kreis hat wieder neuen Zulauf von Mitgliedern erhalten.
Für den Caritasverband im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald ist die Sozialarbeit mit Flüchtlingen sowie die Unterstützung der ehrenamtlichen Netzwerke ein zentraler Bestandteil seiner auf christlichen Wurzeln basierenden Arbeit.
Anmerkungen
1. ESF = Europäischer Sozialfonds; Xenos = Sonderprogramm des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für arbeitsmarktbezogene Maßnahmen an der Schnittstelle zwischen (Berufs-)Schule, Ausbildung und Arbeitswelt.
2. Stand vom 5. Juni 2014. Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung soll der nachrangige Zugang zum Arbeitsmarkt für Gestattete und Geduldete in naher Zukunft auf drei Monate abgesenkt werden.
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