Anerkennungsgesetz – eine erste Bilanz
Am 1. April 2012 trat das "Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen", das sogenannte Anerkennungsgesetz des Bundes, in Kraft. 1
Ziel des Gesetzes ist es zum einen, durch eine ihren Qualifikationen entsprechende Beschäftigung die Integration von Migrant(inn)en in den deutschen Arbeitsmarkt zu fördern und so das inländische Potenzial besser zu nutzen. Zum anderen soll durch verbesserte Anerkennungs-möglichkeiten die Attraktivität Deutschlands für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland erhöht werden.2 Um einzuschätzen, inwieweit die Ziele des Gesetzes bereits erreicht werden und wo weiterer Handlungsbedarf besteht, werden im Folgenden die bisherigen Erfahrungen dargestellt.
Gesetzliche Grundlagen
Das Anerkennungsgesetz des Bundes öffnet, vereinfacht und verbessert die Strukturen und Verfahren der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen für die auf Bundesebene geregelten Berufe. Nach vorheriger Rechtslage hatten überwiegend nur Bürger(innen) aus der Europäischen Union und aus den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz sowie Spätaussiedler(innen) einen rechtlichen Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren. Heute hingegen gibt es einen allgemeinen Rechtsanspruch unabhängig von Staatsangehörigkeit oder Aufenthaltsstatus.
Das Gesetz findet Anwendung auf die etwa 600 Berufe, die in der Zuständigkeit des Bundes liegen. Nicht vom Anerkennungsgesetz umfasst sind landesrechtlich geregelte Berufe und Hochschulabschlüsse, die auf nicht reglementierte Berufe zulaufen. Hierfür sind Landesgesetze erforderlich, oder es sind Bewertungen durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) vorgesehen.
Informations- und Beratungsangebote
Für landesrechtlich geregelte Berufe sind in vierzehn3 Bundesländern nun Landesanerkennungsgesetze in Kraft. Alle weiteren Gesetze befinden sich derzeit in der Vorbereitungsphase. Die Gesetze sehen jedoch für einzelne Berufe unterschiedliche Anerkennungsregelungen in den Fachgesetzen vor.
Um Personen mit ausländischen Qualifikationen ihre individuellen Möglichkeiten einer Anerkennung aufzuzeigen und sie gegebenenfalls im Anerkennungsprozess zu unterstützen, werden bundesweit Info- und Beratungsangebote vorgehalten. Neben dem Internetportal www.anerkennung-in-deutschland.de des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Telefonhotline des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge4 unterstützen bundesweit etwa 70 Anlaufstellen des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Bundesagentur für Arbeit geförderten Programms "Integration durch Qualifizierung (IQ)" die Ratsuchenden.5 Sie klären, inwieweit ein Anerkennungsverfahren für Ratsuchende zielführend ist, unterstützen beim Identifizieren eines möglichen Referenzberufs (Beruf, für den die Gleichwertigkeit des ausländischen Abschlusses geprüft wird), erläutern gesetzliche Grundlagen, den Ablauf des Verfahrens sowie Finanzierungsmöglichkeiten und informieren gegebenenfalls über geeignete Qualifizierungsangebote. Aufgabe der IQ-Fachstelle "Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen" am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) in Nürnberg ist die beratende Begleitung der Akteure der Anerkennungsberatung. Sie unterstützt beim Aufbau, der Vernetzung und Professionalisierung der Beratungsstrukturen und fördert den Austausch mit weiteren relevanten Akteuren, auch außerhalb von IQ.
Zahlen aus Anerkennungspraxis und -beratung
Aus den Daten der IQ-Anlaufstellen zur Anerkennungsberatung, die quartalsweise ausgewertet werden, sowie aus Zahlen zu Antragsstellungen bei zuständigen Stellen geht hervor, welche Personen die Möglichkeiten des Anerkennungsgesetzes und die begleitenden Maßnahmen bisher nutzen. Dadurch können die bisherige Zielerreichung eingeschätzt und weiterer Handlungsbedarf identifiziert werden.
Die von IQ-Anlaufstellen Beratenen kommen aus über 150 Ländern. Von allen Personen, die bundesweit einen Antrag auf Anerkennung stellten, verfügt fast die Hälfte über eine Qualifikation aus einem Drittstaat, etwa 40 Prozent sind Staatsangehörige von Ländern innerhalb der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz.6 Durch das Anerkennungsgesetz des Bundes wurden für diese Personengruppen die Möglichkeiten, ihre Qualifikation anerkennen zu lassen, ausgeweitet oder überhaupt erst geschaffen.
Von allen durch IQ-Anlaufstellen Beratenen gibt nicht einmal ein Fünftel eine Beschäftigung ohne ergänzenden Leistungsbezug an. Das Anerkennungsgesetz des Bundes und seine begleitenden Maßnahmen sprechen also Personen an, deren Qualifikationspotenzial aktuell nicht optimal genutzt wird. Die Anerkennung ihres ausländischen Abschlusses kann ihre Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern.
Das Interesse an den Möglichkeiten einer beruflichen Anerkennung ist groß. Zwischen dem 1. August 2012 und dem 31. Dezember 2013 wurden mehr als 18.897 Personen von IQ-Anlaufstellen beraten. Nach der amtlichen Statistik, die bisher nur für 2012 verfügbar ist, wurden knapp 11.000 Anträge auf Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen gestellt.
Die Beratung der IQ-Anlaufstellen nahmen häufiger Frauen (64,6 Prozent) als Männer (35,4 Prozent) in Anspruch. Vor dem Hintergrund der geringen Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Migrationshintergrund ist dies ein Indiz dafür, dass mit dem Anerkennungsgesetz Qualifikationsreserven mobilisiert werden. Denn nur etwa die Hälfte (53 Prozent) aller Frauen und 67 Prozent der Männer mit Migrationshintergrund im erwerbsfähigen Alter sind erwerbstätig, während 68 Prozent der Frauen und 77 Prozent der Männer ohne Migrationshintergrund einer Beschäftigung nachgehen.
Die IQ-Anlaufstellen haben bisher zu über 330 Referenzberufen beraten. Insgesamt machten Beratungen zu Berufen des pädagogischen, sozialen und des Gesundheitsbereichs fast die Hälfte (47 Prozent) aus (s. Abb. unten). In etwa einem Fünftel (22 Prozent) der Beratungen wurden Berufe aus dem Bereich Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung thematisiert.
Bundesweit wurden nach der amtlichen Statistik 2012 die meisten der insgesamt 10.989 Anträge in Gesundheitsberufen, zudem etwa 2200 Anträge in Berufen der dualen Ausbildung gestellt.9 Häufig sind hier Anträge im kaufmännischen und im Metall- und Elektrobereich.10
Das Anerkennungsgesetz kann also zur Fachkräftesicherung beitragen. Denn die Bundesagentur für Arbeit konstatiert gegenwärtig einen Fachkräftemangel vor allem in technischen sowie Gesundheits- und Pflegeberufen.11 Die große Nachfrage nach Anerkennung von Abschlüssen in Gesundheitsberufen sowie in den Elektronik- und Metallberufen und im Ingenieurwesen deckt sich somit mit den gegenwärtigen und auch zukünftig zu erwartenden Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes.
Weiterer Handlungsbedarf
Durch die gesetzlichen Neuerungen rücken die eingangs beschriebenen Ziele, das inländische Qualifikationspotenzial besser zu nutzen und die Attraktivität Deutschlands für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland zu erhöhen, bereits jetzt ein wenig näher. Doch es bleibt weiterhin einiges zu tun, um die Potenziale des Gesetzes auszuschöpfen. Erfahrungen aus der Anerkennungsberatung zeigen vor allem drei Aspekte, aus denen sich Handlungsbedarf ergibt:
- Für den Ausgleich der wesentlichen Unterschiede, die in Bescheiden teilweiser Gleichwertigkeit festgestellt werden, steht kein ausreichendes Angebot an Maßnahmen zur Verfügung. Das Angebot entsprechender Anpassungsqualifizierungen sollte in quantitativer und qualitativer Hinsicht weiterentwickelt werden.12
- Die Möglichkeiten einer Anerkennung in landesrechtlich geregelten Berufen sind noch nicht ausreichend erweitert und vereinheitlicht. Dadurch wird Personen mit Auslandsqualifikationen in diesen Berufen eine Tätigkeit, die ihren Qualifikationen entspricht, oftmals erschwert.
- Um einen einheitlichen Vollzug auf Länderebene zu gewährleisten, sind die Bündelung von Verfahrenszuständigkeiten sowie eine weitgehende Standardisierung der Verwaltungsverfahren ausschlaggebend.13
Anmerkungen
1. Gesetz vom 6.12.2011, BGBl. Teil 1, Nr. 63, S. 2515.
2. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung: Erläuterungen zum Anerkennungsgesetz des Bundes. 2012, S. 3, abrufbar unter: www.anerkennung-in-deutschland.de, Suchbegriff "Erläuterungen".
3. Stand: 6.5.2014.
4. Nummer der Hotline: +49 30-1815-1111.
5. Kontaktdaten unter: www.netzwerk-iq.de/ 482.html
6. Vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung: Statistik zum Bundesgesetz, 2013, abrufbar unter www.anerkennung-in-deutschland.de/html/ de/statistik_zum_bundesgesetz.php
7. Vgl. Pressemitteilung 347/13 des Statistischen Bundesamtes vom 15. Oktober 2013: "Fast 7500 ausländische Berufsqualifikationen im Jahr 2012 anerkannt". Diese Zahl ist als Untergrenze zu sehen, da einige zuständige Stellen in der Anfangsphase unter anderem aufgrund von Personalengpässen nur unvollständige oder keine Daten an die Statistischen Landesämter meldeten.
8. Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Integrationsreport: Migranten am Arbeitsmarkt in Deutschland. Working Paper 36, 2011, S. 25.
9. Vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung: Statistik zum Bundesgesetz, 2013, a.a.O.
10. Ebd.
11. Vgl. Bundesagentur für Arbeit (BA): Fachkräfteengpässe verstärken sich - das zeigt die aktuelle BA-Analyse. Pressemeldung vom 9.1.2013. Nürnberg 2013, abrufbar unter: www.arbeitsagentur.de, Rubrik Presse.
12. Im Rahmen des Förderprogramms IQ werden in Modellprojekten Anpassungsqualifizierungen, z.B. für Gesundheits- und Handwerksberufe, neu erarbeitet oder unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen an Qualifizierungen für Migrant(inn)en weiterentwickelt.
13. Vgl. Fohrbeck, Dorothea: Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen - das neue Anerkennungsgesetz des Bundes. Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis 41 (2012) 5, S. 6-10; Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: Zuwanderung von Fachkräften unbürokratischer gestalten. 2013, S. 7 f.
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