Wer Fachkräfte will, muss Vereinbarkeit bieten
Zu teuer, zu aufwendig, alles andere ist wichtiger? Solche Einwände sind verstummt, familienbewusste Personalpolitik ist längst nicht mehr ein vermeintliches Privileg großer Konzerne der Privatwirtschaft. Auch die Unternehmen der Caritas bieten ihren Mitarbeiter(inne)n vermehrt Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie an.
Das hat triftige Gründe, die zum einen in den Strukturen der Caritas selbst liegen: In den Einrichtungen und Diensten arbeiten zu mehr als 80 Prozent Frauen, und mehr als 60 Prozent aller Beschäftigten sind im stationären Bereich tätig.1 Zum anderen veranlassen äußere Rahmenbedingungen wie der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel die Caritas-Unternehmen, nach neuen Wegen zu suchen. Längst haben sie erkannt, dass eine Balance von Beruf und Familie die Motivation und Bindung der vorhandenen Mitarbeiter(innen) steigert und ein wesentliches Kriterium für die erfolgreiche Suche nach zukünftigen Beschäftigten ist.2 Dennoch sind die betriebswirtschaftlichen Faktoren nicht alleiniger Grund, familienbewusste Maßnahmen einzuführen, vielmehr entspricht dies dem Selbstverständnis unternehmerischen Handelns in der Caritas.3
Der Vorstand des Deutschen Caritasverbandes (DCV) hat aus diesen Gründen ein zweijähriges Projekt (2010-2011) initiiert, das die Einführung familienbewusster Arbeitsstrukturen in der Caritas befördern soll. Zunächst stand im Mittelpunkt, Erkenntnisse darüber zu erlangen, inwieweit die Unternehmen der Caritas familienbewusste Arbeitsstrukturen implementiert haben und ihren Mitarbeiter(inne)n die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Hierzu wurde in Kooperation mit der "berufundfamilie gGmbH" eine dreiteilige Umfrage unter Rechtsträgern, Einrichtungen und Diensten sowie Mitarbeitervertretungen der Caritas durchgeführt. Während der Schwerpunkt der Befragung der Rechtsträger auf personalpolitischen Strategien lag, ging es bei den Einrichtungen und Diensten um die Frage nach dem Vorhandensein bestimmter Maßnahmen und bei den Mitarbeitervertretungen um den Wirkungsgrad vorhandener Maßnahmen. An der Befragung haben sich insgesamt 105 Rechtsträger, 126 Einrichtungen und 42 Mitarbeitervertretungen beteiligt.
Strategisches Ziel jedes zweiten Rechtsträgers
Dabei gaben 58 Prozent der befragten Rechtsträger an, dass das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie Teil ihrer strategischen Ziele ist. Allerdings ist es bei nur 38 Prozent auch Teil des Leitbildes. Weiterhin sagen 30 Prozent der Rechtsträger, dass sie ihre Führungskräfte gezielt mit dem Thema vertraut machen (beispielsweise bei Fortbildungen). Knapp zehn Prozent der Rechtsträger haben eine(n) Beauftragte(n) für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und/oder Gleichstellung.
Die Mehrzahl der Einrichtungen und Dienste bietet bereits flexible Tages- und Wochenarbeitszeiten (72 Prozent) sowie individuelle Teilzeitmodelle (70 Prozent). Die vorrangige Berücksichtigung von Eltern bei der Urlaubsplanung findet ebenfalls bei sehr vielen der befragten Einrichtungen (81 Prozent) statt. Weniger verbreitet sind hingegen Modelle wie das Jobsharing, aber auch flexible Jahres- oder Langzeit-Arbeitskonten.
Kontakthalte-Programm nur bei jeder dritten Einrichtung
Obwohl fast drei Viertel (72 Prozent) Informations- und Planungsgespräche vor Beginn der Elternzeit anbieten, lässt dieses Engagement während der Elternzeit nach. Demnach bieten nur wenige Einrichtungen zielgruppenspezifische Informationen (27 Prozent) sowie Paten- oder Kontakthalteprogramme während der Elternzeit (31 Prozent). Dennoch wird das Angebot von Paten- oder Kontakthalteprogrammen im Durchschnitt von Einrichtungen der Caritas stärker angeboten als von einer Vergleichsgruppe.4 Allerdings werden weitere Maßnahmen von den Einrichtungen der Caritas weniger stark angeboten, wie beispielsweise Weiterbildungsmöglichkeiten für Beschäftigte in Elternzeit.
Mehr als die Hälfte aller Einrichtungen der Caritas bieten Beratungs- und Vermittlungshilfen (52 Prozent) sowie unbezahlte Arbeitsfreistellungen für die Pflege von Angehörigen (60 Prozent) an, damit werden Beratungs- und Vermittlungshilfen deutlich stärker angeboten als in der Vergleichsgruppe.
Außerbetriebliches Engagement zum Thema "Vereinbarkeit", etwa das Mitwirken in kommunalen Netzwerken, wird lediglich von 26 Prozent aller Einrichtungen der Caritas betrieben. Der Unterschied im Vergleich zum externen Benchmark ist hier besonders groß.
Caritas im Mittelfeld
Die Befragung der Mitarbeitervertretungen zielte auf die Wirksamkeit der personalpolitischen Strategien und vorhandenen Maßnahmen ab. Mit Hilfe des "berufundfamilie"-Index werden anhand der drei Dimensionen Dialog, Leistung und Kultur die Stärken und Schwächen bei der Umsetzung familienfreundlicher Maßnahmen erfasst und beurteilt werden. In der Datenbank der "berufundfamilie gGmbH" haben beinahe 1000 Unternehmen ihren Index-Wert erfasst, diese bilden damit eine wichtige Vergleichsgrundlage für den eigenen Index-Wert. Nach der Einschätzung der an der Befragung teilnehmenden Mitarbeitervertretungen kommen die Caritas-Unternehmen auf einen durchschnittlichen Index-Wert, der also im Vergleich zu allen anderen Unternehmen im Mittelfeld liegt.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen auf, dass die Unternehmen der Caritas die Zeichen der Zeit erkannt haben, aber noch weitreichendes Potenzial besteht, bis familienbewusste Arbeitsstrukturen flächendeckend und systematisch etabliert sind. Ziel des Projekts des DCV ist es deshalb, bis Anfang 2012 einen Praxisleitfaden herauszugeben, in dem aus den gewonnenen Erkenntnissen praktikable Handlungsempfehlungen formuliert werden. Dazu werden einzelne Beispiele guter Praxis aus den verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Caritas ausführlich geschildert, die zum Nachfragen und Nachahmen anregen sollen. Weiterhin werden die wesentlichen Ansatzpunkte für die Caritas zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus unternehmerischer Sicht dargestellt sowie aktuelle gesellschaftspolitische Fragen diskutiert und rechtliche Fakten erläutert.
Zudem werden bis Ende des Jahres 2011 einige Veranstaltungen, etwa in Kooperation mit Fachverbänden, durchgeführt. Zum Abschluss des Projekts ist für das erste Quartal 2011 eine Leuchtturmveranstaltung geplant, bei der in Workshops Beispiel guter Praxis aus der Caritas vorgestellt und diskutiert werden können. Der Blick über den Tellerrand hinaus soll mit dem Thema "Vereinbarkeit von Beruf und Pflege" gewagt werden, hierzu werden Expert(inn)en von außerhalb der Caritas zu Wort kommen. Diese Leuchtturmveranstaltung richtet sich an alle Geschäftsführungen und Personalverantwortlichen der Caritas-Unternehmen in Deutschland. Weitere Informationen, Links und Kontakte finden Sie demnächst auch im Internet unter www.caritas.de
Anmerkungen
1. Vgl. Zentralstatistik des Deutschen Caritasverbandes, Jahrgang 2008.
2. Vgl. Schneider, Helmut et al.: Betriebswirtschaftliche Ziele und Effekte einer familienbewussten Personalpolitik, Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik. Arbeitspapier 5/2008.
3. Vgl. Leitlinien für unternehmerisches Handeln der Caritas. In: neue caritas Heft 20/2008, S. 31 ff.
4. Hier wurde ein externer Benchmark aus den Daten ähnlicher, aber nicht caritativer Unternehmen herangezogen, die der "berufundfamilie gGmbH" vorliegen.