Nicht fördern und fordern, sondern "Aufgaben anvertrauen"
Nicht jeder Mensch kann auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehen. Hilfen zu Arbeit und Beschäftigung bietet deshalb das Walter-Adlhoch-Haus in Limburg in abgestufter Form an - angepasst an die Möglichkeiten und Perspektiven der Betreuten. Das Haus in Trägerschaft des Caritasverbandes für den Bezirk Limburg ist eine Einrichtung der Wohnungslosenhilfe. Neben einem Übergangswohnheim mit 20 Plätzen für wohnungslose Männer und einer Beratungsstelle gehört die Vermittlung in Arbeit und Beschäftigung zu den zentralen Elementen des Angebots. Sie richtet sich insbesondere an Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und (ehemalige) Wohnungslose. "Wir wollen Perspektiven vermitteln und jenen eine selbstständige Lebensführung ermöglichen, die es besonders schwer haben. Arbeit und Beschäftigung sind da besonders wichtig", erklärt Wolfgang Feiler, Leiter der Einrichtung. Ein Stufensystem hilft dabei, die Unterstützung bedarfsgerecht und individuell zu gestalten: Einfache Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs), etwa in der Tagesstätte des Hauses, stellen die erste Stufe dar. Im nächsten Schritt sind Schulung und Qualifizierung intensiver, es kommen Praktika hinzu. Arbeitsverträge mit Beschäftigungszuschuss können eine weitere Stufe sein. Dabei erreicht nicht jeder Betreute die oberste Stufe oder gar den Eintritt in den ersten Arbeitsmarkt. Die Übergänge nach oben wie unten sind zudem offen. Gerade vor dem Hintergrund der besonderen sozialen Schwierigkeiten der Klient(inn)en hat sich das Treppenmodell als richtig erwiesen. Viele Betreute haben mehrere Hilfen durchlaufen, ihre Biografien sind lückenhaft und wechselvoll.
Anton Passon zum Beispiel war schon in mehreren Maßnahmen beschäftigt. Er ist 58 Jahre alt, hat eine Behinderung und eine wechselvolle Spätaussiedler-Biografie. Mittlerweile arbeitet er dank einer Stelle mit Lohnkostenzuschuss im Adlhoch-Haus als Hausmeistergehilfe. Momentan sei allerdings unklar, ob Passon seine Stelle auch im kommenden Jahr behalten könne, sagt Feiler. "Wir befürchten, dass die Förderung für Langzeitarbeitslose durch das Jobcenter knapper wird."
Karl-Heinz Russ, ein weiterer Betreuter, hatte als junger Mann zwar eine Ausbildung abgeschlossen. Aber für den ersten Arbeitsmarkt reichte das nicht aus, weil er dem Leistungsdruck nicht standhalten konnte. Deswegen hat er in der Holzwerkstatt der Einrichtung gearbeitet. Für Menschen wie Karl-Heinz Russ müssen immer wieder Nischen geschaffen werden.
Ein starkes Netzwerk
Menschen wie Passon und Russ zu helfen, ist dem Caritasverband für den Bezirk Limburg ein wichtiges Anliegen. "In den letzten Jahren sind zunehmend einfache Arbeitsplätze mit geringeren Anforderungen wegrationalisiert worden", erklärt Geschäftsführer Michael Schwarzer. Er bemängelt, dass Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose oft keine Chance hätten, weil der Leistungsdruck so hoch sei. Bei den bisherigen Fördermöglichkeiten gelinge aber selten die Integration dieser Menschen in den ersten Arbeitsmarkt, deshalb brauche es eine Alternative: "Der Caritasverband setzt sich nachdrücklich für die Schaffung eines dritten Arbeitsmarktes ein, der mit staatlicher Unterstützung dauerhaft Arbeitsplätze für Benachteiligte ermöglicht", formuliert Schwarzer die Position des Verbandes.
Um den Zielen näherkommen zu können, sind die Beschäftigungshilfen eingebettet in ein starkes Netzwerk. Die Zusammenarbeit etwa mit dem Jobcenter als Träger der Grundsicherung für Langzeitarbeitslose im Landkreis ist intensiv. Maßnahmeträger für Arbeitsgelegenheiten ist das Adlhoch-Haus seit Einführung des SGB II im Januar 2005. Mit den Ein-Euro-Jobs will man zunächst niedrigschwellig helfen.
Die Hilfetreppe bekam im Januar 2006 mit dem aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderten Projekt "Aufbruch" eine neue Stufe. Einigen Teilnehmer(inne)n konnten damit eine intensivere arbeitsmarktorientierte Schulung sowie regelmäßige Einzelgespräche angeboten werden. "So konnten die Betreuten sich stabilisieren und Perspektiven entwickeln", sagt Feiler. Die Bilanz sei ausgesprochen positiv. In den fünfeinhalb Jahren der Kooperation zwischen Adlhoch-Haus und Jobcenter gab es immer wieder Erfolge: Von den 30 Klient(inn)en, die in den vergangenen beiden Jahren am Projekt "Aufbruch" teilnahmen, fanden zwei eine reguläre Anstellung, drei nahmen eine Arbeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt auf und ein weiterer absolvierte ein Praktikum auf dem ersten Arbeitsmarkt. Andere schafften den Sprung in eine weiterführende Hilfemaßnahme oder erreichten zumindest eine verbesserte Qualifikation.
Partner machen mit
Damit Arbeit und Beschäftigung für seine Klient(inn)en auch auf lange Sicht Bestand haben, hat das Adlhoch-Haus die Aktion "Aufgaben anvertrauen" auf die Beine gestellt. Ziel ist es, Menschen zu finden, die die Angebote finanziell unterstützen, sich ideell dafür starkmachen oder sich ehrenamtlich einbringen. So bekommt das Netzwerk viele neue kleinere und größere Knotenpunkte und wird tragfähiger.
Dass Anton Passon seinen Job bekommen konnte, ist dieser Verknüpfung des Hilfenetzes zu verdanken. Denn die Caritas-Einrichtung braucht Unterstützung, um Passons Stelle zu finanzieren. Maximal 75 Prozent kann das Jobcenter im ersten Jahr als Beschäftigungszuschuss beisteuern. Mit der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) wurde ein Partner für die Finanzierung gefunden. Der Förderverein des Limburger KAB-Diözesanverbandes steuerte in den vergangenen beiden Jahren 10.600 Euro bei. Gemeinsam mit einem Zuschuss von 1700 Euro, den der Landkreis Limburg-Weilburg gab, reichte das, um die fehlenden 25 Prozent von Passons Stelle zu finanzieren.
Der KAB-Förderverein hat das Projekt auch schon bei einem Seminarwochenende unterstützt. Auch so etwas sei wichtig, denn die Hilfen zu Arbeit und Beschäftigung gehen im Adlhoch-Haus Hand in Hand mit Weiterbildungen und sozialer Betreuung, erklärt der Leiter des Adlhoch-Hauses. Denn: "In der Gruppe lernen, ein reflektierter Austausch und die geistige Beschäftigung mit den persönlichen Zielen, das verstärkt die in der Praxis gewonnenen Fähigkeiten."
Sozialpolitische Rhetorik: bitterer Beigeschmack
Zentral für die Hilfen ist auch, dass man sich bewusst abheben will vom üblichen Diskurs um ALG II. Denn diese sozialpolitische Rhetorik unter dem Schlagwort "Fördern und Fordern" hat für Feiler bei aller Notwendigkeit einen bitteren Beigeschmack. Dahinter stecke vor allem eines: "Du bekommst nur etwas, wenn du funktionierst", fasst er zusammen. "Aufgaben anvertrauen" klinge genauso griffig, meine aber etwas ganz anderes: "Bei uns geraten die Menschen nicht von vornherein unter Druck, sondern sind aus sich selbst heraus motiviert." Auf Zuverlässigkeit werde auch hier geachtet, sagt Feiler. Aber es gehe nicht um Sanktionen, sondern um einen "Rahmen der Verbindlichkeit". Auch im Flyer, mit dem für die Aktion geworben wird, steht nicht nur, wie den Menschen geholfen wird. "Die von uns betreuten Menschen leisten selbst einen großen Beitrag", wird dort betont. Sich in der sozialen Hängematte ausruhen wolle keiner, so Feiler. Auch Harry Fenzl, Sozialarbeiter in der Einrichtung, weiß: "Die Leute suchen einen Platz. Sie sind hochmotiviert, man muss ihnen nur eine Chance geben."