Auch wer keine Arbeit hat, kann sich einbringen
Die allgemeine Wehrpflicht und damit auch der Zivildienst gehören seit dem 1. Juli 2011 der Vergangenheit an. Viele Einrichtungen waren auf die zupackenden Hände der jungen Männer angewiesen und trauern dem "Zivi" nach. Das Erbe tritt nun der neue Bundesfreiwilligendienst (kurz: BFD) an. Er gleicht dem "Zivi" in vielerlei Hinsicht und soll sich nach dem Willen des Gesetzgebers auch vom Freiwilligen Sozialen beziehungsweise Ökologischen Jahr (FSJ/FÖJ) nicht allzu sehr unterscheiden. Ein Alleinstellungsmerkmal des neuen Freiwilligendienstes ist das Alter: Der BFD kennt hier keine Grenze, wohingegen FSJ und FÖJ nur jungen Menschen bis 27 Jahre offenstehen.
Was den BFD ausmacht
Die Männer und Frauen leisten freiwillig den Dienst als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bei einer dafür anerkannten Einsatzstelle. Als Aufgabenbereiche nennt das Gesetz insbesondere Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, auch solche für außerschulische Jugendbildung und für Jugendarbeit, Einrichtungen der Wohlfahrts-, Gesundheits- und Altenpflege, der Behindertenhilfe, der Kultur- und Denkmalpflege, des Sports, der Integration, des Zivil- und Katastrophenschutzes und Einrichtungen, die im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes und der Bildung zur Nachhaltigkeit tätig sind. Man kann sich für sechs bis 18 Monate verpflichten. In der Regel dauert der Dienst ein Jahr, in seltenen Ausnahmefällen ist eine Verlängerung auf bis zu 24 Monate möglich. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Der Dienst kann in Voll- oder Teilzeit geleistet werden. Freiwillige, die noch unter 25 Jahre alt sind, haben unter bestimmten Voraussetzungen auch noch Anspruch auf Kindergeld.
Viele Fragen, die jetzt im Zusammenhang mit dem BFD auftauchen, hat das "Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben" (BaFzA), das aus dem ehemaligen "Bundesamt für den Zivildienst" hervorgeht, auf der Internetseite www.bundesfreiwilligendienst.de unter dem Stichwort "Oft gestellte Fragen" schon beantwortet. Ein Blick auf diese Liste lohnt sich. Für Mitarbeiter(innen) in der Caritas oder anderen Wohlfahrtsverbänden kann es auch hilfreich sein, die Kolleg(inn)en zu fragen, die sich mit der Umsetzung des FSJ/FÖJ befassen. Denn ganz oft stellen sich dieselben Fragen, und vielleicht wurde dort bereits eine Lösung gefunden, die sich übertragen lässt. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers sind die beiden Freiwilligendienste parallel ausgestaltet, weshalb die Regelungen sich oft gleichen.
In einigen Einrichtungen der Caritas zeigt sich schon jetzt, dass viele der Menschen, die sich für den BFD interessieren, Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehen. Der Bezug dieser Transferleistung ist grundsätzlich kein Hindernis dafür, den Freiwilligendienst zu absolvieren. Es stellen sich dabei aber verschiedene Fragen, auf die im Folgenden eingegangen wird.
Mindert das Taschengeld ALG II?
Ob und in welcher Höhe der/die Freiwillige ein Taschengeld bekommt, wird mit der jeweiligen Einsatzstelle individuell vereinbart. Dabei darf die Höchstgrenze von derzeit 330 Euro monatlich nicht überschritten werden. Diese Grenze gilt auch für die Jugendfreiwilligendienste und ergibt sich aus § 2 Nr. 4 Buchstabe a) des Bundesfreiwilligendienstgesetzes. Taschengeld, das ein(e) ALG-II-Empfänger(in) bekommt, stellt grundsätzlich Einkommen dar. Ob und in welcher Höhe es den Anspruch auf ALG II mindert, richtet sich nach den §§ 11-11b SGB II und nach den Regelungen der ALG-II-Verordnung. Diese gesetzlichen Regelungen gelten für alle und können nicht individuell, beispielsweise innerhalb der Vereinbarung zwischen dem/der Freiwilligen und dem Bund, außer Kraft gesetzt werden. Sie regeln nicht, wie hoch das Taschengeld ausfällt, sondern nur die Auswirkungen auf den ALG-II-Anspruch. Im Einzelnen gilt Folgendes:
- Freibetrag: § 1 Abs. 1 Nr. 13 ALG-II-Verordnung bestimmt, dass 60 Euro des Taschengelds nicht auf das ALG II angerechnet werden.
- Versicherungsbeiträge: Für angemessene private Versicherungen können ALG-II-Empfänger(innen) pauschal 30 Euro von ihrem Einkommen absetzen. Bei volljährigen Leistungsberechtigten ist kein Nachweis über die Versicherung erforderlich. Zusätzlich können die nachgewiesenen Beiträge für gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen (wie zum Beispiel eine Kfz-Haftpflichtversicherung) abgesetzt werden.
- Altersvorsorge: Wer in eine staatlich geförderte Altersvorsorge in Form der "Riester-Rente" einzahlt, kann die Beiträge bis zur Höhe des Mindesteigenbeitrags absetzen. Der Mindesteigenbeitrag liegt seit dem Jahr 2008 bei vier Prozent des Jahreseinkommens, mindestens jedoch fünf Euro im Monat. Über den Mindesteigenbeitrag hinaus gezahlte Beiträge können nicht berücksichtigt werden.
- Steuerrechtliche Privilegien: Das Taschengeld, das man beim BFD erhält, ist nach den geltenden Regelungen kein steuerrechtlich privilegiertes Einkommen. Ob dennoch der erhöhte Freibetrag von 175 Euro monatlich gelten soll, wird derzeit noch politisch diskutiert.
- Fahrtkosten: Oft sind mit dem Taschengeld, das der/die Freiwillige erhält, auch die Fahrtkosten zur Einsatzstelle abgegolten. Für ALG-II-Empfänger(innen) hat das einen Vorteil: Wer sich von seinem Taschengeld zum Beispiel eine Monatskarte für den ÖPNV kauft, kann diese Kosten absetzen, womit sich der Anrechnungsbetrag mindert. Die Einsatzstelle kann aber auch ein geringeres Taschengeld zahlen und die Monatskarte in Form einer Sachleistung gewähren. Dann wird der Wert der Sachleistung zum Einkommen des ALG-II-Empfängers hinzuaddiert, begrenzt auf den Anteil, der für Mobilität im Regelbedarf vorgesehen ist. In diesem Fall können die Kosten nicht abgesetzt werden, das heißt der Anrechnungsbetrag fällt höher aus. SGB-II-Leistungsberechtigte sollten daher die Einsatzstelle bitten, statt einer Sachleistung ein höheres Taschengeld zu zahlen.
Die aufgeführten Beträge können nebeneinander geltend gemacht, also addiert werden. Bleibt dann noch etwas vom Taschengeld übrig, wird es auf den ALG-II-Anspruch angerechnet. Wer beispielsweise weder ein Auto noch Versicherungen hat und auch keine Fahrtkosten geltend macht, darf 90 Euro vom Taschengeld für sich behalten. Zahlt die Einrichtung mehr, mindert sich das ALG II entsprechend.
Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung
Unter Umständen wird durch den BFD der Umzug in einen anderen Ort notwendig. Dann stellt sich die Frage, ob die alte Wohnung erhalten werden kann und das Jobcenter dafür weiterhin die Kosten übernimmt. Viele Freiwillige bekommen in der Einrichtung ein Essen, manchmal wird auch die Arbeitskleidung gestellt. Hat das Auswirkungen auf den ALG-II-Anspruch? Das Gesetz bestimmt, dass die Einsatzstelle Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung als Sachleistung zur Verfügung stellt oder stattdessen eine Geldersatzleistung zahlen kann. Für die Frage, wie sich diese Leistungen auf den ALG-II-Bezug auswirken, muss man Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung jeweils gesondert betrachten:
- Unterkunft: Wenn der/die Freiwillige bereits ALG II bezieht und während des Freiwilligendienstes in seiner/ihrer Wohnung bleibt, wird die Einsatzstelle die Unterkunft in aller Regel nicht zur Verfügung stellen. Diese Kosten übernimmt bereits das Jobcenter im Zusammenhang mit ALG II. Bisher ungeklärt ist, ob die Kosten auch dann noch übernommen werden, wenn neben der bisherigen Wohnung eine weitere Unterkunft genutzt wird. Zwar geht der Anspruch auf ALG II nicht allein dadurch verloren, dass ein Freiwilligendienst angetreten wird. Allerdings wird die Fortzahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung davon abhängen, ob der bisherige Lebensmittelpunkt erhalten bleibt und die alte Wohnung noch regelmäßig, zum Beispiel am Wochenende, aufgesucht wird.
- Verpflegung: Verpflegung, die die Einsatzstelle bei der Teilnahme an einem Bundesfreiwilligendienst zur Verfügung stellt, ist wie die von einem Arbeitgeber bereitgestellte Verpflegung anzurechnen. Bei einer Vollverpflegung wird pro Arbeitstag ein pauschaler Betrag in Höhe von einem Prozent des maßgebenden monatlichen Regelbedarfs als Einkommen berücksichtigt. Bei einem alleinstehenden Erwachsenen sind das 3,64 Euro pro Tag, bei 20 Arbeitstagen also 72,80 Euro. Wird nur eine Teilverpflegung bereitgestellt, entfällt auf das Frühstück ein Anteil von 20 Prozent dieses Betrags, auf das Mittag- und Abendessen je 40 Prozent. Wer zum Beispiel 364 Euro Regelbedarf bekommt und in der Einrichtung nur frühstückt, dessen ALG II wird um 0,73 Euro pro Frühstück, bei 20 Arbeitstagen also um 14,60 Euro gekürzt. Maßgeblich ist nur, ob die Einsatzstelle die Verpflegung bereitstellt. Es kommt nicht darauf an, ob der/die Freiwillige sie auch wirklich in Anspruch nimmt.
- Arbeitskleidung: Wird die Arbeitskleidung als Sachleistung zur Verfügung gestellt, hat dies keine Auswirkungen auf den ALG-II-Anspruch. Wird statt der Sachleistung eine Geldersatzleistung gezahlt, können die Ausgaben für Arbeitskleidung als Werbungskosten vom Einkommen abgesetzt werden und mindern damit den Anrechnungsbetrag. Es ist also wichtig, die Belege zu sammeln, damit die konkreten Aufwendungen beim Jobcenter nachgewiesen werden können.
Was neben dem BFD zumutbar ist
Gesetzt den Fall, der Fallmanager ist zwar einverstanden, dass man den Freiwilligendienst absolviert. Er verlangt aber, dass nebenher noch drei bis vier Bewerbungen im Monat geschrieben werden. Ist das zulässig? Und was passiert, wenn sich während des Dienstes ein konkretes Jobangebot ergibt? Bei solchen Fragen ist es hilfreich, sich die Systematik der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor Augen zu führen.
ALG-II-Empfänger(innen) müssen eine Arbeit oder Eingliederungsmaßnahme nicht aufnehmen beziehungsweise daran teilnehmen, wenn ihnen dies nicht zugemutet werden kann. Die Frage, was zumutbar ist, spielt vor allem eine Rolle bei den Sanktionen nach § 31 ff. SGB II. Danach kann die Leistung gekürzt werden, wenn man sich weigert, eine Pflicht zu erfüllen, die in der Eingliederungsvereinbarung festgehalten wurde. In der Eingliederungsvereinbarung dürfen wiederum nur Pflichten vereinbart werden, die auch zumutbar sind. Die fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit legen dementsprechend fest, dass mit Bezieher(inne)n, für die eine Arbeit beziehungsweise Eingliederungsmaßnahme unzumutbar ist, grundsätzlich keine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden muss, im Einzelfall aber dennoch bestimmte Aktivitäten vereinbart werden können.1
Was ist neben dem BFD zumutbar? Das SGB II nennt in § 10 Abs. 1 bestimmte Konstellationen, in denen eine Arbeit beziehungsweise Eingliederungsmaßnahme unzumutbar ist, zum Beispiel, wenn ein wichtiger Grund entgegensteht. Der Jugendfreiwilligendienst stellt einen solchen wichtigen Grund dar. Das ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz, aber aus den fachlichen Hinweisen der Bundesagentur für Arbeit zu § 10 SGB II.2 Der BFD ist hier zwar nicht erwähnt, es kann aber davon ausgegangen werden, dass die Bundesagentur ihre fachlichen Hinweise noch entsprechend überarbeitet. Denn nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers soll der BFD den Jugendfreiwilligendiensten weitgehend gleichgestellt sein. Wichtig: Maßgeblich ist der Einzelfall. So können abhängig von den konkreten Umständen auch neben dem BFD zum Beispiel Bewerbungen geschrieben werden.
Keine hohen Hürden bei vorzeitiger Kündigung
Sollte eine Bewerbung erfolgreich sein und der/die Freiwillige findet kurzfristig eine Arbeitsstelle, besteht die Möglichkeit, den BFD vorzeitig zu beenden. Die Vereinbarung, die jede(r) Freiwillige mit dem Bund vor Beginn des Dienstes abschließen muss, muss auch Regelungen zur Kündigung enthalten. Da der BFD freiwillig ist, werden bei der Frage eines Kündigungsgrundes keine hohen Anforderungen gestellt. Wer die Möglichkeit erhält, den SGB-II-Leistungsbezug zu beenden, dürfte regelmäßig einen wichtigen Grund haben, der zur Kündigung des Freiwilligendienstes berechtigt.
Anmerkungen
1. Fachliche Hinweise der BA zu § 15 Rn. 15.07 (Stand 20. Mai 2011).
2. Ebd.