Delegierte wollen AK-Ordnung nachjustieren
Zwar tagte die siebte Delegiertenversammlung des Deutschen Caritasverbandes im ehemaligen Stadttheater in Eichstätt. Doch trotz der Gerüchteküche im Vorfeld, dass von einigen Delegierten ein Vorstoß kommen solle, dass einschneidende Änderungen im Arbeitsrecht nötig seien, gab man im alljährlich tagenden Gremium kein Spektakel oder Drama auf der Bühne.
Dennoch erwarteten die Teilnehmer(innen) mit großer Spannung den Tagesordnungspunkt zum Arbeitsrecht der Caritas. Denn seit dem 1. Januar 2008 ist eine neue Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK-O) in Kraft, und nicht überall im Verband herrscht Zufriedenheit damit beziehungsweise gestaltet sich deren Umsetzung problemlos (siehe auch neue caritas Heft 17/2009, S. 9ff).
Für die Seite der Dienstgeber in der AK stellte deren Sprecher Rolf Lodde jedoch die Frage, ob die AK-Ordnung grundständig nachgebessert werden müsse. Denn nicht die Ordnung sei schuld, dass in einigen Regionalkommissionen keine Beschlüsse gefasst würden. Und dass es nach dem Wegfall der Anlage 18 der AVR bislang zu keiner Regelung für geringfügig Beschäftigte gekommen sei, zeige auf, dass speziell im Vermittlungsverfahren der AK-Ordnung nachgebessert werden müsse. Statt Verantwortung zu übernehmen, würden seiner Ansicht nach von den AK-Mitgliedern schwierige Entscheidungen in die Verfahrenswege geschoben. Die Zusammenarbeit von Verhandlungskommission und Beschlusskommission müsse neu geordnet werden. Die Kompetenzaufteilung zwischen der Beschlusskommission und den Regionalkommissionen hielt Lodde für sinnvoll bis auf die Frage, ob in den Regionalkommissionen – und ebenso in den Vermittlungsverfahren – nicht ein neutraler Vorsitz hilfreicher sei.
Überaus deutlich war die Anregung, die Lodde an die Trägerorganisationen und die Diözesan-Caritasverbände gab: Man möge reflektieren, ob denn die richtigen Personen in den Kommissionen seien. Für die Dienstgeberseite unterstützte Lodde den Vorschlag des DCV-Vorstandes, dass eine kleine Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die darüber berät, ob und wie die AK-Ordnung geändert werden müsse, und dies in einem Jahr den Delegierten zum Beschluss vorlegt.
AK-Ordnung reicht aus
Gar nicht unähnlich war das Resümee, das Thomas Schwendele für die Dienstnehmerseite in der AK zog. Die Grundarchitektur der AK-Ordnung stimme, sie erlaube die gewünschte Flexibilisierung. Dass sich viele Träger und Einrichtungen nicht an die AVR halten, lasse das Arbeitsrecht der Caritas zur Beliebigkeit verkommen. Wenn die Caritas mit hörbarer Stimme in der Tariflandschaft mitreden wolle, brauche es die AVR als einheitsstiftendes Band. Für konkrete Änderungsvorschläge an der AK-Ordnung sieht Schwendele den Zeitpunkt noch als verfrüht an. Man habe ja gerade erst angefangen, Erfahrungen zu sammeln. Dass die Kosten für alle Gremien und Möglichkeiten des Arbeitsrechtes auszuufern drohen, ist für die Mitarbeiterseite gut in den Griff zu bekommen: Man möge die Budgetverantwortung (zwölf Millionen Euro für die gesamte vierjährige Wahlperiode der AK) in die Kommissionen delegieren. Das werde wirksam zum besseren Haushalten führen.
Auch Finanzvorstand Niko Roth stieß in dasselbe Horn. Die AK-Ordnung sei in der jetzigen Struktur gut, die Verantwortung für Teilbereiche des Arbeitsrechts liege bereits in den Regionen. Was nottue, sei eine Verhaltensänderung der AK-Mitglieder und mehr Budgetdisziplin. Roth sprach konkret von einem „Ruck“, der durch den Verband gehen müsse. Der DCV-Vorstand wolle sich aus den Angelegenheiten der AK raushalten, mahne aber an, dass durch die gegenseitige Blockadehaltung in der Beschlusskommission und die Nicht-Entscheidungen in den Regionalkommissionen konkret Einrichtungen wirtschaftlich in Not gerieten. Eine Reaktion darauf sei beispielsweise die Gründung von Leiharbeitsfirmen.
Für eine Gruppe von Delegierten, die einen eigenen Beschlussantrag eingereicht hatten, ergriff der Osnabrücker Diözesan-Caritasdirektor Franz Loth das Wort. Es könne in der AK kein „Weiter so“ mehr geben. In den Kommissionen herrsche Misstrauen, Unmut und ein hohes Maß an Ungleichzeitigkeit der Beschlüsse. Die wirtschaftlich unter Druck geratenen Einrichtungen warteten jedoch auf Entscheidungen und Signale dazu, was „Not wendend“ sei. In ihrem Antrag schlugen 13 namentlich unterzeichnende Delegierte vor, dass Artikel 11 der AK-Ordnung geändert werde, der den Umgang mit einrichtungsspezifischen Regelungen festlegt.
Entscheidung in die Einrichtungen verlagern
Nach diesem Vorschlag sollen künftig nicht mehr die Regionalkommissionen darüber entscheiden, ob eine Einrichtung in der Vergütungshöhe, der Arbeitszeit und dem Umfang des Erholungsurlaubs von den Festlegungen in der Region abweichen kann. Dies soll per Dienstvereinbarung in den Einrichtungen selbst zwischen Dienstgeber und MAV ausgehandelt werden. Die Regionalkommission soll lediglich ein Vetorecht haben. Munitioniert hatte sich die Antragsgruppe mit einem Gutachten von Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing, das besagt, dass dieser Lösungsweg gangbar sei.
Doch gerade hier meldete Niko Roth Zweifel an. Denn derselbe Sachverständige habe in einem früheren Gutachten betont, dass die Verlagerung in die Einrichtung rechtlich nicht machbar sei. Roth gab zu verstehen, dass der Gruppenantrag deswegen keinesfalls sofort zur Abstimmung kommen könne. Zuerst müsse mit dem Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) beraten werden, ob der Antrag mit Artikel 7 der kirchlichen Grundordnung konform sei. Dieser regelt die Beteiligung der Mitarbeiter(innen) an der Gestaltung des Arbeitsrechtes in paritätisch besetzten Kommissionen. Ebenso müsse geprüft werden, ob Paragraf 38 der Mitarbeitervertretungsordnung MAVO es zulasse, dass MAVen Dienstvereinbarungen über Arbeitszeit, Vergütungshöhe und Urlaub in Einrichtungen abschließen können.
Mit den beiden Beschlussszenarien – „weiter so mit der AK-Ordnung wie bislang und eine kleine Arbeitsgruppe für Nachbesserungen in einem Jahr“ contra „rasche Kompetenzverlagerung in die Einrichtungen“ – wurden die 136 anwesenden Delegierten im ehemaligen Eichstätter Stadttheater von der großen Bühne geschickt, um in vier kleineren Foren weiterzudiskutieren.
In allen vier Foren wurde das Verhältnis Bundesebene/Regionalebene, das Verlagern der Kompetenz für die Arbeitsbedingungen auf die Einrichtungsebene und das Thema Budget/Freistellung/Arbeitsweise intensiv beraten. Noch am selben Abend wurde aus den Beratungsergebnissen eine neue Abstimmungsvorlage erarbeitet, die wesentliche Elemente beider Anträge in sich vereint:
- Bereits im März oder April 2010 soll einer außerordentlichen Delegiertenversammlung eine Vorlage zu möglichen Änderungen der AK-Ordnung präsentiert werden.
- Dazu richtet der Vorstand eine Arbeitsgruppe ein, die sich aus sechs Mitgliedern der Delegiertenversammlung sowie je drei Vertretern der Dienstgeber- und der Dienstnehmerseite der AK zusammensetzt. Die Organisation liegt beim AK-Geschäftsführer.
- Der Vorstand des DCV erhält den Auftrag, die rechtlichen Bedingungen für eine Entscheidungsdelegation auf die Einrichtungsebene zu prüfen – vorausgesetzt, es herrscht eine wirtschaftlich schwierige Situation.
Nach nochmaliger Diskussion wurde dieser Vorschlag am nächsten Morgen mehrheitlich verabschiedet, so dass auf den DCV im nächsten Frühjahr bereits zum zweiten Mal die Organisation einer außerordentlichen Delegiertenversammlung aufgrund von Pressalien im Arbeitsrecht zukommt.
Noch kein endgültiges Papier zum Ehrenamt
Das von der Kommission „Mitarbeit in der Caritas“ vorgelegte Positionspapier zum Ehrenamt wurde nach zum Teil sehr kontroverser Diskussion von den Delegierten einstimmig als Grundlage gutgeheißen. Allerdings erhält der Vorstand den Auftrag, die Diskussion aus der Delegiertenversammlung aufzugreifen, ins Papier einzuarbeiten und dann dem Caritasrat zum Beschluss vorzulegen. Darüber hinaus sollen Vorstand und Caritasrat überlegen, wie eine weitere oder weitergehende Position zum bürgerschaftlichen Engagement erarbeitet werden kann. Präsident Peter Neher drückte in seiner Schlussrede sein Befremden über die Diskussion aus und mag damit die Befindlichkeit so mancher Zuhörer getroffen haben, dass hier Dinge diskutiert wurden, die lediglich zwischen den Zeilen zu lesen sind. Die neue caritas wird zum gegebenen Zeitpunkt mehr dazu berichten.