„Ritas Welt“: ein innovatives Pflegekonzept für Ordensgemeinschaften
Die Ordensgemeinschaften müssen nach neuen Wegen suchen, ihre pflegebedürftigen Mitglieder zu versorgen. Die seit rund 20 Jahren geltenden Vereinbarungen der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK) mit den Pflegekassen in Form der "kleinen Versorgungsverträge" laufen zum Jahresende aus. Wie es künftig gehen kann, zeigt zum Beispiel erfolgreich seit 2017 "Ritas Welt" von Caritas und Ritaschwestern in Würzburg.
Zahlreiche sozial-caritativ tätige Ordensgemeinschaften wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet und wuchsen bis in die 1960er-Jahre enorm. Sie bauten unter anderem große Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege auf. Fehlende Ordenseintritte führen jedoch dazu, dass die Alterspyramide inzwischen auf dem Kopf steht. Von über 10.000 Schwestern in Deutschland sind
mehr als 7000 über 76 Jahre alt. Von den circa 3800 Ordensmännern waren zum Stichtag 31. Dezember 2023 mehr als 1000 über 75 Jahre alt.1 Wo die Kraft der eigenen Ordensmitglieder nicht mehr ausreicht, stellen die Klöster seit vielen Jahren weltliches Personal an – besonders auch in der Pflege. In der Regel ist dies für die Mitarbeitenden ein schöner Arbeitsplatz, denn hier greifen Pflege, Versorgung und Betreuung im Sinne einer ganzheitlichen Versorgung ineinander – das Idealbild mancher Pflegekräfte. Hinzu kommt das klösterliche Setting: klare Tagesstruktur, eingeübtes Miteinander, gemeinsame Wertebasis.
Manche Klöster sind buchstäblich selbst zum Pflegefall geworden
Seit mehr als 20 Jahren nutzen viele Ordensgemeinschaften den "kleinen Versorgungsvertrag" – eine Rahmenvereinbarung zwischen DOK und dem Verband der Ersatzkassen (vdek) auf Bundesebene. Aktuell werden bundesweit circa 2000 pflegebedürftige Ordensmitglieder auf dieser Grundlage gepflegt und betreut. Die internen Pflegebereiche der Ordensgemeinschaften können in diesem Modell als stationäre Einrichtungen zugelassen werden. Doch die Vertragspartner der Orden, vdek und die Pflegekassen Barmer und DAK-Gesundheit, halten die Vereinbarung nicht mehr für rechtmäßig. Nach einigen Gesprächen wurde den Orden trotz ihres entschiedenen Protests mitgeteilt, dass die bewährte Regelung zum 31. Dezember 2025 beendet werde.
Die betroffenen Ordensgemeinschaften sind nun gefordert, die Versorgung ihrer pflegebedürftigen Ordensmitglieder anders zu organisieren, um weiterhin vergleichbare Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten. In zahlreichen Treffen wurden die Ordensverantwortlichen durch die DOK informiert und differenzierte Alternativen aufgezeigt.
Innovative Pflegelösung für Orden: "Ritas Welt" zeigt einen Weg
Einige Ordensgemeinschaften haben schon vor vielen Jahren baulich, strukturell und ideell dafür gesorgt, dass sowohl ihre eigenen pflegebedürftigen Mitglieder als auch Mitglieder anderer Klöster versorgt sind. Neben den ordensinternen Pflegebereichen auf Basis des "kleinen Versorgungsvertrags" betreiben sie eigene stationäre Altenhilfeeinrichtungen nach SGB XI, eigene ambulante Pflegedienste, ambulant betreute Wohngruppen (Pflege-WG) und weitere im SGB XI vorgesehene Angebote der pflegerischen Versorgung. Andere sind derzeit auf der Suche nach vertretbaren Wegen; sie wissen, dass wegen des hohen Altersdurchschnitts flexible Lösungswege erforderlich sind. Die üblichen Konzepte lassen sich nicht eins zu eins auf Ordensleute übertragen.
Wie es gehen kann, zeigt ein gelungenes Beispiel: "Ritas Welt". Der Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg und die Ritaschwestern in Würzburg haben ein innovatives Pflegekonzept entwickelt, das die Bedürfnisse älterer und pflegebedürftiger Ordensmitglieder in den Mittelpunkt stellt. Es wird seit Juli 2017 erfolgreich umgesetzt, ermöglicht eine qualitativ hochwertige Pflege im vertrauten Klosterumfeld und bewahrt gleichzeitig die spirituelle Gemeinschaft. "Ritas Welt" ermöglicht es den Schwestern, trotz gesundheitlicher Einschränkungen in ihrem Kloster zu bleiben und aktiv am spirituellen und gemeinschaftlichen Leben teilzunehmen.
Schwestern wollen im Alter in gewohnter Umgebung bleiben
Die Kongregation der Ritaschwestern stand 2014/2015 vor der Herausforderung, ihr bestehendes Pflegeheim aufgrund veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen umfangreich zu sanieren. Gleichzeitig wuchs der Wunsch der Ordensschwestern, in ihrer gewohnten Umgebung zu bleiben und auch im Alter und bei Pflegebedürftigkeit am Konventleben teilzuhaben.
Bis 2017 betrieben die Ritaschwestern ein vollstationäres Pflegeheim auf ihrem Klostergelände, das sowohl Ordensangehörige als auch weltliche Bewohner:innen versorgte. Aufgrund steigender behördlicher Anforderungen und des hohen Verwaltungsaufwands entschieden sich die Schwestern jedoch für eine Neuausrichtung. Ihr Ziel: eine Pflege, die den individuellen Bedürfnissen der Ordensmitglieder gerecht wird, ohne die spirituelle Atmosphäre des Klosters zu beeinträchtigen.
Nach intensiver Planung in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg wurde das Pflegeheim 2017 geschlossen und durch ein ambulantes Betreuungsmodell ersetzt. Das neue Konzept sieht eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch ein klostereigenes Team unter dem Dach der Caritas-Sozialstation St. Totnan vor. Die Versorgung hat ambulanten Charakter, ähnlich einer Wohngemeinschaft. Es greifen hier die gesetzlichen Vorgaben, Rahmen- und Abrechnungsbedingungen der ambulanten Pflege.
Vertrauen ist der Gelingensfaktor in der Zusammenarbeit
Präsenzkräfte, angestellt bei der Caritas, übernehmen Grundpflege, Betreuung und Hauswirtschaft. Ihr Motto ist: Alle machen alles. Mindestanforderung an die Qualifizierung ist ein Pflegehelferkurs. Eine Koordinationskraft, die gleichzeitig Pflegefachkraft ist, übernimmt neben den fachpflegerischen Leistungen Dienstplanung und Absprachen mit der Konventsleiterin.
Dieses Modell bietet eine vielversprechende Lösung für Klöster, die sich mit der Pflegeversorgung ihrer alternden Mitglieder auseinandersetzen müssen. Bei aller Sorge um die Aufrechterhaltung einer ordensgemäßen Lebensform eröffnet sich hier die Möglichkeit, die gemeinsamen Werte von Caritas und Orden zu nutzen.
Durch Kreativität und Offenheit auf beiden Seiten mit den Werten und Traditionen einer Ordensgemeinschaft kann eine qualitativ hochwertige Pflege gelingen. So vielfältig wie die Ordenslandschaft in Deutschland, so vielfältig werden die Lösungen aussehen.
Vertrauen - das ist der Gelingensfaktor in der Zusammenarbeit zwischen Klöstern und Caritas. Orden und Caritas haben eine große Gemeinsamkeit: Wir sind Kirche. Die Grunddimensionen der Kirche, Verkündigung, Liturgie, Gemeinschaft und Diakonie, der Dienst am und mit den Menschen füllen wir mit Leben.
In den letzten Jahren ist dieser diakonische Auftrag der Kirche wieder stärker ins Blickfeld geraten. Trotz des großen Glaubwürdigkeitsverlusts der Amtskirche trauen viele Menschen den kirchlichen und damit wertebasierten Bildungs- und Sozialeinrichtungen. Aber das ist kein Selbstläufer. Da haben Caritas und Ordensgemeinschaften viel getan – auf Leitbildbasis.
1. DOK-Statistik vom 31.12.2023 - veröffentlicht im DOK-Rundschreiben Nr. 150 vom 5. März 2024.
Konzept von "Ritas Welt" im Überblick
Kernpunkte
» Rund-um-die-Uhr-Betreuung: Das feste Kloster-Team der Caritas-Sozialstation St. Totnan/Würzburg übernimmt die Grundpflege sowie leichtere medizinische Leistungen.
» Ambulanter Charakter: Die Versorgung ähnelt einer Wohngemeinschaft, wodurch behördliche Auflagen eines Pflegeheims umgangen werden können.
» Spirituelle Integration: Die Schwestern können weiterhin an Gebetszeiten und Gottesdiensten teilnehmen.
Vorteile für Klöster
» Individuelle Pflege im Kloster: Die Ordensschwestern können in ihrer vertrauten Umgebung bleiben.
» Teilnahme am Klosterleben: Die regelmäßige Teilnahme an spirituellen Aktivitäten wird erleichtert.
» Qualitativ hochwertige Versorgung: Zeit für individuelle Bedürfnisse steht bis zum Lebensende zur Verfügung.
» Entlastung der Ordensleitung: keine direkte Personalverantwortung und Reduzierung von bürokratischen Hürden.
» Kostenersparnis: Diese Form der Betreuung ist deutlich kostengünstiger für den Orden als das bisherige Pflegeheim.
Vorteile für Caritas
» Fortführung der spirituellen und christlichen Tradition: Durch eine Zusammenarbeit mit Klöstern kann die Caritas ihre Geschichte in der Pflege alter und kranker Menschen, und hier besonders von Ordensangehörigen, weiterführen.
» Angebotserweiterung mit besonderer Arbeitsatmosphäre: Das Arbeiten im Kloster unterscheidet sich vom Arbeiten in "weltlichen" Einrichtungen, da Glaube und Innehalten immer gegenwärtig sind und den Arbeitsalltag positiv beeinflussen.
» Erfahrungsräume für Kirche: Für die Mitarbeitenden können sich neue Räume von Glaube und Kirche öffnen.
» Stärkung des christlichen Profils: Für die Caritas ist es eine Stärkung ihres christlichen Profils, da sie eng mit einer Glaubensgemeinschaft zusammenarbeitet und viel über deren Entsendungsauftrag erfährt
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