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Erkenntnisse für die Pflege

Corona hat das Leben und Arbeiten in Pflegeeinrichtungen komplett umgekrempelt. Bei den zahlreichen Einrichtungen der Caritas Trägergesellschaft St. Elisabeth (CTE) in Thüringen hält diese Veränderung bis heute an. Eine Geschichte von Überlastung und Zusammenhalt.

Es war Pfingsten 2020, als uns das Gesundheitsamt an einem Freitag informierte, dass eine Bewohnerin unseres Altenpflegezentrums Elisabethenruhe in Eisenach "leicht positiv" getestet wurde. Die heutige Einrichtungsleitung Alice Dittrich (die damals noch als Pflegedienstleitung tätig war) war in Potsdam unterwegs, als diese Nachricht vom ersten Coronafall kam. Sonntags folgte dann die Anordnung: Eine Schleuse müsse gebaut werden. Alle Mit­arbeitenden, die Kontakt mit besagter Bewohnerin hatten, mussten bis auf weiteres in die Einrichtung einziehen. Wie lange ­dieser Ausnahmezustand andauern würde, wusste niemand - klare Informationen vom Ge­­sundheitsamt blieben aus. Dennoch mussten alle Beteiligten diese Maßnahme hinnehmen und ihren Alltag unter völlig neuen, belastenden Bedingungen meistern.

Die Coronapandemie hat das Leben und Arbeiten in den Pflegeeinrichtungen der CTE grundlegend verändert. Besonders in der Altenhilfe standen die Mitarbeiter:innen unserer Häuser, Wohngruppen und Pflegedienste vor Herausforderungen, die wir uns zu Beginn der Krise kaum hätten vorstellen können. Diese Geschichte zeugt davon, was wir gemeinsam geschafft und was wir aus ­dieser Zeit gelernt haben.

Der Beginn der Krise: Angst und Ungewissheit

Einige Zeit nach dem Positiv-Test kam dann das erste "richtige" Ausbruchsgeschehen. In der ersten Woche mussten wir zusehen, wie acht Menschen qualvoll ihr Leben verloren. Wir arbeiteten in ständiger Unterbesetzung und konnten die Sterbenden nicht würdevoll begleiten. Sie starben allein, da sie durch das Besuchsverbot auch ihre Angehörigen nicht an ihrer Seite haben konnten.

Diese moralischen Konflikte sind es, die belasten. Trotz des Besuchsverbots haben wir versucht, Begegnungen zu ermöglichen. Auf dem Hof der Elisabethenruhe haben wir Stuhlreihen aufgebaut - mit Tischen dazwischen, um den notwendigen Abstand zu wahren, aber dennoch ein gemütliches und gemeinschaftliches Gefühl aufkommen zu lassen. Zwischen den Stühlen flatterte das rot-weiße Absperrband - ein weiterer Hinweis auf die auferlegte Distanz, die uns doch nicht davon abhielt, füreinander da zu sein. So haben wir versucht, unserem Leitbild "Wir eröffnen Menschen Räume zum Leben" gerecht zu werden.

Lichtblicke der Solidarität trotz Überlastung und Unsicherheit

Eine schöne Erfahrung in dieser schwierigen Zeit war die Unterstützung durch die Bundeswehr. Einige Soldat:innen testeten vor jedem Dienstbeginn die Mitarbeitenden und zu den Besuchszeiten auch die angemeldeten Angehörigen. "Die Organisation war einfach klasse", erzählt Clemens Roschka, Seelsorger der CTE. Sie kamen mit einem klaren Plan und halfen uns, die Krise ein Stück weit zu bewältigen. Die eingesetzten Soldat:innen übernachteten in der Einrichtung, waren jederzeit ansprechbar und sorgten für erhebliche Entlastung: "Das war ein Moment der Erleichterung inmitten der Verzweiflung - ein Beweis, dass in einer solchen Krise der Zusammenhalt von außen genauso wichtig ist wie der Zusammenhalt im Team", so Roschka.

Die Quarantäneregeln, die Organisation von Testungen der Mitarbeitenden und Besucher:innen und die Begleitung der Besuche waren eine zusätzliche Belastung für alle. Die Unsicherheit war quälend und erschwerte natürlich auch die Personalplanung: "Ich wusste oft nicht, wer überhaupt noch zum Dienst zur Verfügung steht, nachdem wir die Testungen gemacht haben", sagt Alice Dittrich.

Impfpflicht und Besuchsverbote waren große Herausforderungen

Es gab auch Entscheidungen, die die Gemeinschaft in unseren Häusern vor große Herausforderungen stellten – wie die Einführung der Impfpflicht. Wir standen vor der Frage, wie wir unsere Bewohner:innen und ­Mitarbeitenden schützen können, ohne die Versorgung unserer Bewohner:innen zu gefährden, und welchen Beitrag dazu auch ungeimpfte Mitarbeiter:innen leisten können, ohne ein Arbeitsverbot zu riskieren.

Ein weiteres Thema, das uns sehr beschäftigt hat, waren die Besuchsverbote. In einer Zeit, in der menschliche Nähe und Geborgenheit so wichtig sind, war es schmerzhaft, den Bewohner:innen die Besuche von Familienangehörigen zu verwehren. Viele waren allein - ihre Kinder, ihre Enkel durften sie nicht sehen. Die Isolation und das Verbot, das so vieles an Nähe und Trost nahm, haben bei uns allen tiefe Wunden hinterlassen.

"Es war herzzerreißend", sagt Roschka. "Ich habe oft stundenlang mit Bewohnern telefoniert oder per Videotelefonie Kontakt gehalten, doch es war nie dasselbe wie ein persönliches Gespräch, eine Umarmung oder die Hand zu halten." Die Seelsorge, die so wichtig für die spirituelle und emotionale Unterstützung unserer Bewohner:innen ist, musste in dieser Zeit fast vollständig ruhen.

Der Weg nach vorn: Lehren für die nächste Krise

Aber trotz all dieser Ungewissheit und Belastung – wir gaben nicht auf. In dieser extremen Situation wuchs etwas, das uns heute noch trägt. Wir haben gelernt, was es heißt, in den schlimmsten Zeiten zusammenzuhalten und füreinander da zu sein. Die Mitarbeitenden standen füreinander ein, es gab Momente der Nähe und des gegenseitigen Haltens. Das zeigt sich zum Beispiel bei der Trauerkultur: Wir gestalten gemeinsam mit den Bewohnern Erinnerungssteine, die wir dann als Andenken an einen zentralen Ort legen. Aber der neue Zusammenhalt wird auch in konkreten Abläufen, etwa beim Ausfallmanagement sichtbar: Seit Corona arbeiten wir mit unterschiedlichen Ablaufplänen für Minimal- und Maximalbesetzung. So muss nicht jeder einzelne Ausfall kompensiert werden. Außerdem hat die Bereitschaft zugenommen, bereichsübergreifend zu arbeiten. Unsere Trauerkultur wurde überarbeitet.

Diese gemeinsame Verantwortung für unsere Bewohner:innen half uns, die schwere Zeit durchzustehen. Was wir aus dieser Zeit also mitnehmen, ist die Erkenntnis, dass in Krisenzeiten vor allem eines zählt: der Zusammenhalt.

Wir wissen aber auch, dass wir mehr brauchen - mehr Vertrauen in unsere Kompetenzen und mehr Unterstützung durch die Gesellschaft. Pflegekräfte sind mehr als nur Arbeitskräfte; sie sind die Seele der Pflege. Und doch wurde ihr Wert oft nicht ausreichend anerkannt. Es muss eine Veränderung in der Wahrnehmung von Pflegeberufen geben, die nicht nur auf Worten, sondern auf konkreten Taten beruht. Dazu gehören vor allem bessere Arbeitsbedingungen, und die Sicherstellung, dass Pflegekräfte nicht mehr in eine solche Lage kommen, wie wir sie während der Pandemie erlebt haben.

In Zukunft darf es keine willkürlichen Besuchsverbote mehr geben. Die Isolation, die damit verbunden war, hat bei vielen Bewohner:innen und Angehörigen tiefe Spuren hinterlassen. Das muss in zukünftigen Krisen anders gehandhabt werden, mit einem klaren Blick auf das, was für die Menschen in der Pflege wirklich wichtig ist.

Zudem braucht es eine verbesserte Kommunika­tion mit den zuständigen Ämtern und ein stärkeres Vertrauen in die Fachkompetenz der Einrichtungen. Nur wenn die Gesellschaft auf die Expertise der Fachleute vertraut und Behörden klar und transparent kommunizieren, können wir als Gemeinschaft auch in zukünf­tigen Krisen gemeinsam bestehen.

Ein Appell für die Zukunft – Aufarbeitung und Zusammenarbeit

Wir möchten nicht, dass diese Erfahrung einfach nur mit einem "Weiter-so" abgehandelt wird. In unserer Trägergesellschaft haben wir gelernt, dass wir in Netzwerken denken müssen, dass wir uns besser auf Krisen vorbereiten und mehr Flexibilität bei Notfallplänen brauchen. Wir haben erlebt, dass wir klarere Grund­sätze brauchen, die uns den Weg weisen, ohne dass wir uns von der Angst oder der Überforderung erdrücken lassen. Der Blick nach vorne ist entscheidend.

Zudem haben unsere Mitarbeiter:innen unvorstellbar viel durchgestanden und gehen ihren Weg weiterhin mit unerschütterlichem Engagement. Trotz der wachsenden Anforderungen in der Pflege geben sie jeden Tag ihr Bestes, mit einer unglaublichen Hingabe für die Menschen, die sie betreuen. Dafür braucht es aber auch mehr Raum für Ruhe und Erholung, gerade in Zeiten der Überlastung.

Ein Aufruf zum Nachdenken

Die Coronapandemie hat uns als Gesellschaft viel abverlangt, aber sie hat uns auch viel gezeigt. Wir können gemeinsam überleben, wenn wir füreinander einstehen. Wir können aus Krisen gestärkt hervorgehen, wenn wir uns bewusst machen, was wirklich zählt: der Mensch. Pflege muss auch nach der Krise mehr Aufmerksamkeit erhalten, mehr Anerkennung und vor allem mehr Unterstützung.

Autor/in:

  • Gundekar Fürsich
Zuletzt geändert am:
  • 15.05.2025
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