Zwischen Kimono und iPhone
"Die Reise war für mich äußerst interessant. Die Tage in Japan waren - wie für dieses Land üblich - straff durchorganisiert. Wir lernten verschiedene Projekte kennen, die mit benachteiligten Jugendlichen arbeiten. Ich entdeckte Ähnlichkeiten, die ich nicht erwartet hätte. So sah ich bei dem Besuch in einer Kinderberatungsstelle gleiches Spielzeug, gleiche Arbeitsmaterialien und Tests, wie sie auch in unserer Erziehungsberatung genutzt werden. Mitgenommen habe ich u.a. auch den anderen wohlwollenden Blick auf problematisches Verhalten junger Menschen.
Es war ungewohnt und spannend für mich, Menschen mit Mundschutz im Straßenbild zu sehen oder Desinfektionsmittel, die an vielen Ecken zu finden waren. Oder mich beim Warten auf die U-Bahn im gekennzeichneten Bereich anzustellen. Überhaupt scheint es in Japan für wohl alles Vorschriften zu geben, an die sich die Menschen in der Regel auch halten. Konformität spielt eine große Rolle. Ich war sehr froh, dass während der meisten Zeit unsere Delegationsleiterin oder die Dolmetscherin anwesend waren, denn viele Dinge sind in Japan einfach ganz anders und zum Teil schwierig, wie z.B. die Benutzung öffentlicher Verkehrsmitte, Wasserhähne öffnen sich in entgegen gesetzter Richtung, es gibt Toiletten mit Fernbedienung, Getränke sollte man nie austrinken, da es den Gastgeber zum Nachschenken verpflichtet… Schwierig waren für mich die Tage, in denen ich stark erkältet war: in Japan schnaubt man nicht öffentlich, und schon gar nicht während eines 90-minütigen Vortrages! Mich faszinierten das extrem gute Essen und die Gegensätze. Überall war Traditionelles und Hochmodernes nebeneinander zu finden, angefangen von der Kleidung der Menschen bis hin zur Architektur.
Die Japaner erlebte ich als zurückhaltend, stets höflich, zuvorkommend und sehr gastfreundlich. Das war ziemlich ansteckend, und zurück in Deutschland verspürte ich anfangs bei der Begegnung mit Menschen immer noch den Impuls, mich freundlich zu verbeugen. Höhepunkt meiner Reise war der Aufenthalt in meiner Gastfamilie, wo ich normalen japanischen Alltag erleben konnte.
Wieder in Deutschland gelandet, schätze ich die Vielfalt und die Freiheiten, die wir hier genießen, noch einmal besonders, ebenso wie die schöne und vielfältige Natur. Die besuchten Orte in Japan (Osaka, Noto, Kanazawa und Kyoto) wirkten auf mich neben allem Interessanten und Einladenden zum Teil auch grau, stark bebaut und industrialisiert, also wenig grün."