CariLaw – Studentische Ehrenamtliche beraten Klienten der Caritas
Noch zehn Minuten bis zum Beratungstermin. Julia Elster wirkt angespannt. Konzentriert sitzt die 23-Jährige im Caritas-Treffpunkt in Bielefeld und wartet. Die Jurastudentin erwartet einen Klien­ten, der Hilfe beim Projekt „CariLaw“ sucht. Seit September 2018 engagiert sich die Studentin in der ehrenamtlichen Rechtsberatung, die der Diözesan-Caritasverband Paderborn als Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband Bielefeld und der Studentischen Rechtsberatung der Universität Bielefeld gestartet hat.
Für Julia Elster ist es deshalb nicht der erste Beratungstermin. Schon fünf Beratungen hat sie durchgeführt. Besonders positiv ist ihr der erste Fall in Erinnerung geblieben: ein Konflikt mit einem Vermieter, der eine zu hohe Nachzahlung bei den Nebenkosten verlangt hatte. „Wir haben dann nachgerechnet, ein Anschreiben an den Vermieter formuliert und Erfolg gehabt. Der Mieter musste dann nichts mehr zahlen. Er hat sogar noch Geld zurückbekommen. Das war für mich ein Highlight“, erzählt sie und lächelt.
Hoher Aufwand für Qualität
Bei den Beratungen von finanziell oder sozial bedürftigen Klient(inn)en der Caritas sind die Jura-Studierenden immer zu zweit. Sechzig Studierende wurden schon geschult, dreißig sind aktuell aktiv. Zudem ist immer eine ehrenamtlich engagierte Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt dabei, die die Studierenden begleiten. „Die schalten sich aber nur ein, wenn etwas ganz falsch läuft“, berichtet Julia Elster. Heute übernimmt diese Aufgabe Christa Albers, die auch das Projekt für den Diözesan-Caritasverband Paderborn koordiniert. Mit dabei ist Stephan Jung, Sozialarbeiter der Caritas Bielefeld, der die Hintergründe so mancher Klient(inn)en von CariLaw kennt. Ein großer personeller Aufwand – aber: „Schließlich haben wir einen hohen Anspruch an die Qualität unserer ehrenamtlichen Beratung“, erklärt Christa Albers.
Ein Aufwand, den auch Julia Elster zu schätzen weiß. Denn für sie bietet CariLaw die Chance, praktische Erfahrungen zu sammeln. „In der Uni läuft das Studium sehr theoretisch ab“, sagt sie. „Hier habe ich Menschen vor mir sitzen. Das ist sehr spannend. Das macht mir Spaß.“ Viele Klient(inn)en seien auch dankbar für die Hilfe, die sie kostenlos erhalten. „Einer hat uns hinterher sogar eine Bezahlung angeboten. Das haben wir natürlich abgelehnt. Aber es war schön. Ein positives Feedback“, strahlt sie. Ermutigt wurde sie für ihr Engagement bei CariLaw auch durch ein Praktikum bei einem Strafverteidiger in den USA. „Das hat mich sehr motiviert, praktisch aktiv zu werden.“
Hilfe bei Mietproblemen
Schon als kleines Mädchen wollte Julia Elster Anwältin werden, obwohl ihre Familie in ganz anderen Berufen tätig ist: „Meine Mama ist Heilpraktikerin, mein Papa Tischlermeister und Holztechniker, und mein Bruder promoviert momentan in Psychologie“, sagt die Studentin aus Niedersachsen. Als sie nach dem Abitur angesichts vieler Studienmöglichkeiten ins Grübeln kam, was sie tun wollte, und eine Bekannte von ihrem Jura-Staatsexamen erzählte, entschied sie sich dann doch für ihren Traum, für Jura. „Das bereue ich auch nicht. Für mich ist das das Richtige“, sagt sie überzeugt.
Inzwischen ist auch ihre Freundin Isabell Fiorito dazugestoßen. Die beiden umarmen sich herzlich. Die 22-Jährige ist heute die zweite Beraterin. Kennengelernt hat Julia Elster sie, weil sie sich als Studentin im neunten Semester auch als Mentorin für Studierende im Grundstudium engagiert. Auf diese Weise hat sie Isabell Fiorito nicht nur als Freundin, sondern auch für CariLaw gewonnen. Beide verbindet eine ähnliche Erfahrung: ein Auslandssemester in Italien.
Pünktlich taucht der Klient auf. Geschäftig nimmt der Mann mittleren Alters Platz, fängt währenddessen schon an, zu reden und detailliert seinen Fall zu schildern. Probleme mit dem Vermieter hat er, hat wegen Mängeln in der Wohnung, die nicht behoben werden, auch schon einen Rechtsanwalt beauftragt.
„Was möchten Sie denn dann konkret von uns noch wissen?“, stoppt Julia Elster den Redefluss. Die Antwort kommt nach einer kurzen Pause. „Wie kann ich ohne Anwalt veranlassen, dass mir der Vermieter keine Räumungsklage vor die Füße knallt?“, antwortet er und spricht von Provokationen des Vermieters, der ihn loswerden wolle, von Sperrmüll im Hausflur und einer kalten Wohnung. „Darf ich mir zum Beispiel im Winter ein Hotelzimmer nehmen, wenn es zu kalt ist?“ Eine schnelle Antwort bekommt der Ratsuchende heute nicht. Das hat ihm Julia Elster vorher schon erklärt. „In zwei Wochen sehen wir uns wieder.“
In der Nachbesprechung legen die beiden Jurastudentinnen gemeinsam mit Rechtsanwältin Christa Albers fest, was juristisch geklärt werden muss, um die „durchaus spannenden“ Fragen des Klienten zu beantworten. Für die ­Gesprächsführung gibt es von Christa Albers Extra-Lob: „Das habt ihr sehr schön und souverän gemacht.“ Auch die Unterbrechung des Ratsuchenden durch Julia Elster sei genau richtig gewesen.
Die ist jedenfalls entschlossen, bei CariLaw weiterzumachen, auch nach ihrem Examen. Der Kontakt mit den Menschen motiviert sie. Auch der Umgang mit Rechtsbereichen, die im Studium eher selten eine Rolle spielen, gefällt ihr: etwa Sozialrecht, ALG II oder das Mietrecht. Und dennoch: Ihre Zukunft sieht Julia Elster in einem anderen Bereich. „Das Strafrecht interessiert mich besonders“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln. „Ich tendiere dazu, Staatsanwältin zu werden – oder Strafverteidigerin.“
Info:
www.caritas-paderborn.de/carilaw