Gesund essen und das Klima schützen
Erhebt man den CO2-Fußabdruck einer stationären Pflegeeinrichtung, fällt der Bereich Verpflegung sofort ins Auge. Die CO2-Datenbank der AWO mit über 200 Datensätzen von stationären Pflegeeinrichtungen zeigt, dass die Verpflegung etwa die Hälfte der Emissionen eines stationären Pflegeplatzes ausmacht.1 Das liegt zum einen daran, dass Bereiche wie zum Beispiel die Mobilität deutlich weniger Gewicht haben als in der durchschnittlichen Bevölkerung. Zum anderen ist die Herstellung der Lebensmittel, sprich die Landwirtschaft, aktuell in Deutschland sehr klimaschädlich. Ausschlaggebend sind vor allem Methan-Emissionen aus der Tierhaltung und Lachgas-Emissionen als Folge der Stickstoffdüngung von Ackerflächen.2, 3 Daraus ergeben sich zwei große Stellschrauben für die CO2-Einsparung in der Verpflegung, nicht nur in der stationären Pflege:
◆ Reduktion von tierischen Erzeugnissen, vor allem Fleisch;
◆ Reduktion von Speiseabfällen, vor allem Tellerrückläufe.
Eine Studie der Uni Osnabrück hat gezeigt, dass in diesen beiden Bereichen in der Gemeinschaftsverpflegung durch wenige Änderungen jeweils um zehn Prozent an CO2 eingespart werden können.4
Der AWO ist es wichtig, die Wahlfreiheit der Bewohner:innen zu gewährleisten, daher wird auch weiterhin Fleisch in den Menüs angeboten. Wahlfreiheit bedeutet allerdings auch, dass Bewohner:innen die Möglichkeit haben, sich durch gesunde, schmackhafte Alternativen vegetarisch oder vegan zu ernähren. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt für Senior:innen 300 bis maximal 600 Gramm Fleisch pro Woche. Die Erhebungen des AWO-CO2-Fußabdrucks zeigen, dass manche Einrichtungen mit ihrem Speiseplan auf über zwei Kilogramm Fleisch pro Woche und Bewohner:in kommen. Den Fleischkonsum zu reduzieren ist daher nicht nur unter ökologischen und ethischen Gesichtspunkten interessant, sondern kann auch einen wichtigen Beitrag zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung leisten.
Im AWO-Projekt "klimafreundlich pflegen - überall!" wurden und werden Menüs in Kombination mit Schulungen und unter Beachtung der empfohlenen Nährwertzusammensetzung in ausgewählten AWO-Einrichtungen umgestellt. Die Erkenntnisse daraus zeigen drei Wege auf, die zur Reduktion von tierischen Erzeugnissen führen5:
Kleinere Portionen, dafür hochwertigeres Fleisch servieren
Senior:innen können teilweise große Fleischportionen gar nicht mehr essen. Daraus folgt, dass entweder Fleisch im Müll landet oder die Bewohner:innen mehr essen, als sie wünschen. Die Größe der Fleischportionen sollte deshalb überprüft und angepasst werden. Die Senior:innen, die einen Nachschlag wünschen, bekommen diesen natürlich trotzdem. Eine weitere Möglichkeit bietet die Kombination aus Fleisch und Ersatzprodukten. So kann zum Beispiel Spaghetti Bolognese durch einen Linsenanteil ergänzt werden (S. auch Checkliste auf S. 12 in diesem Heft).
Attraktive vegetarische und vegane Alternativen schaffen
Das vegetarische Angebot in vielen stationären Einrichtungen beschränkt sich meist auf Süßspeisen - wie zum Beispiel den beliebten Milchreis. Dies stellt jedoch keine ausgewogene, attraktive fleischlose Alternative für jeden Tag dar. In den teilnehmenden AWO-Einrichtungen gibt es seit der Umstellung neben einer fleischhaltigen auch eine rein vegetarische Menülinie. Schulungen und Fortbildungen sorgen dafür, dass die Köch:innen der AWO schmackhafte vegetarische und vegane Gerichte kennenlernen und selbst ausprobieren. Damit das vegetarische Angebot häufiger von den Senior:innen gewählt wird, kann neben einer ansprechenden Präsentation auch die Positionierung ausschlaggebend sein. Bei einigen Einrichtungen ist mittlerweile die Menülinie 1 die vegetarische und die Menülinie 2 die fleischhaltige.
Klimafreundlichere tierische Erzeugnisse wählen
Die Klimasünder auf dem Teller sind Butter und Rindfleisch. Daher reduzieren einige AWO-Einrichtungen diese beiden Lebensmittel. Statt klimaschädlichen Rindfleischs werden häufiger klimafreundlichere Alternativen wie Geflügel oder Fisch angeboten. Tierische Produkte wie Butter oder Sahne können durch pflanzliche ersetzt werden.
Zu gut zum Wegwerfen
Neben dem Verbrauch von weniger Fleisch ist die Reduktion von Speiseabfällen in mehrerlei Hinsicht eine effektive Stellschraube in der Verpflegung. Es kann davon ausgegangen werden, dass je nach Menüzusammensetzung für ein Kilo Speiseabfall zwischen 1,5 Kilogramm (vegetarisch) und acht Kilogramm CO2 (mit Fleisch) anfallen. Neben den ökologischen und ethischen Aspekten, weniger Lebensmittel wegzuwerfen, ermöglicht dieser Ansatz auch, Kosten einzusparen. Dabei zeigen die Studien von United Against Waste e. V., dass in Gemeinschaftsverpflegungen mit ähnlichen Beköstigungstagessätzen wie in der Pflege ein Kilogramm Speiseabfall circa vier Euro Kosten verursacht.6
Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine Einrichtung mit 188 Betten, die zusätzlich Essen für Kindertagesstätten und "Essen auf Rädern" kocht, 41 Tonnen Speiseabfall im Jahr produziert. Nach Angaben von United Against Waste können durchschnittlich mindestens 20 Prozent des Abfalls eingespart werden. Das bedeutet eine Reduktion des Abfalls um acht Tonnen im Jahr. Dabei entsprechen die 20 Prozent einer konservativen Rechnung je nach Ausgangslage in den Häusern. In einigen AWO-Häusern konnten bis zu 30 Prozent und mehr eingespart werden.
Wenn von Speiseabfall gesprochen wird, dann liegt der Fokus vor allem auf dem Tellerrücklauf und der Überproduktion. Der allererste Schritt besteht darin, den Speiseabfall zu erheben, um einen Ausgangswert zu erhalten. Die AWO-CO2-Datenbank zeigt, dass stationäre Pflegeeinrichtungen mit einem optimierten Speiseabfall auf circa 50 Kilogramm pro Jahr und Bewohner:innenplatz kommen. Um Maßnahmen zur Reduktion einzuleiten, ist es allerdings wichtig, nicht nur die Gesamtmenge zu ermitteln. Falls in Wohnbereichen gegessen wird, sollte der Rücklauf näher betrachtet werden, um so die Menge, die in einen Bereich geliefert wird, entsprechend anpassen zu können. Eine weitere wichtige Art der Messung ist, den Speiseabfall in Komponenten zu trennen: Gemüse, Fleisch und Kohlenhydrate. So konnte eine teilnehmende Einrichtung feststellen, dass die Portionsgröße für Kartoffeln zu groß war, und diese dann anpassen. Mit den eingesparten Mitteln wurden hochwertige Produkte eingekauft.
Abfall liefert wichtige Erkenntnisse
Die Abfallmessung sollte über mehrere Wochen erfolgen. Sie liefert nicht nur erste Zahlen, sondern kann auch einen Impuls für eine bessere Kommunikation zwischen Küche und Pflege geben. Der Austausch zwischen Küchenkräften und Pflegepersonal ist essenziell, da Pflegekräfte wichtige Informationen über Menü- und Portionspräferenzen der Bewohner:innen liefern können und gleichzeitig die Speisenauswahl der Bewohner:innen bei der Ausgabe beeinflussen.
Neben der Reduktion von tierischen Erzeugnissen und Speiseabfällen ist es im Sinne einer klimafreundlicheren Verpflegung in der stationären Pflege sinnvoll, den Anteil regionaler und saisonaler (Bio-)Produkte zu erhöhen sowie den von Tiefkühl- und Convenience-Produkten zu verringern.
Anmerkungen
1. Nähere Informationen zu den Klimaschutzzielen der AWO unter: https://wirarbeitendran.awo.org/projekt/awo-massnahmenplan-klimaschutz
2. Methan und Lachgas sind Treibhausgase und können zur Vereinheitlichung in CO2-Äquivalente umgerechnet werden. Methan hat ein CO2-Äquivalent von 28, Lachgas von 300.
3. Nähere Informationen dazu unter: https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas#treibhausgas-emissionen-aus-der-landwirtschaft
4. Nähere Informationen dazu unter: www.keeks-projekte.de
5. Nähere Informationen zum Projekt: https://klimafreundlich-pflegen.de
6. Nähere Informationen: www.united-against-waste.de/news-presse/142-zwischenbilanz-2020-erkenntnisse-und-kennzahlen
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