„Ein Beruf, der meinen Neigungen entsprochen hätte, blieb mir verwehrt“
Herr Hatscher, Sie sind in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt. Wie viele Stunden sind Sie dort tätig und was genau ist Ihre Aufgabe?
Zurzeit bin ich mit 25 Stunden in der Woche in einer Steinabteilung der WfbM tätig, wo Tierfiguren, Kerzenständer und andere Gegenstände gegossen werden. Ich stelle Stützformen für die Formenherstellung her und arbeite überwiegend mit Holz. Wegen Umstrukturierungen ist meine Zeit aber gerade überwiegend mit der Arbeit für den Werkstattrat ausgefüllt.
Können Sie uns sagen, was Sie vorher beruflich gemacht haben und wie Ihr Weg in die WfbM aussah?
Wegen eines Sprachfehlers in der Schulzeit litt ich von vornherein unter sozialer Benachteiligung - und eine Schulbildung, die für einen Beruf erforderlich gewesen wäre, der meinen Neigungen entsprochen hätte, blieb mir verwehrt. 1984 machte ich die Gesellenprüfung als Tischler. Nach einem Wehrdienstunfall konnte ich ab 1987 diesen Beruf nicht mehr ausüben. Von 1990 bis 1993 schulte ich zum Verwaltungsfachangestellten um. 1994 arbeitete ich in einem Seniorenheim, das sich gerade im Aufbau befand und leider an die Wand gefahren wurde.
Hierdurch verlor ich ohne eigenes Verschulden die Verwaltungsstelle während der Probezeit und bekam damals in der Verwaltung keine zweite Chance. Nach zehn Jahren mit mehreren missglückten Versuchen, eine dauerhafte, existenzsichernde Arbeit zu finden, schränkte sich mein Handlungsspielraum durch die Verschlechterung meines Gesundheitszustandes weiter ein. Ich litt und leide manchmal auch heute noch unter extremen Schlafstörungen
Was unterscheidet Ihre Arbeit in der WfbM von einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt?
In der Werkstatt stehe ich nicht unter Zeitdruck. Wenn Probleme auftreten, werde ich unterstützt.
Sie möchten nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zurück. Warum nicht?
Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren so negativ, dass ich kein Vertrauen mehr in unsere Arbeitswelt habe. Außerdem bestehen nach jahrzehntelanger Ausgrenzung mittlerweile erhebliche Defizite vor allem im Bereich Digitalisierung.
Weil sich das soziale Klima weiter verschlechtert und ich inzwischen auch weitere gesundheitliche Problem habe, habe ich die Befürchtung, dass ich, selbst wenn ich eine reelle Chance bekommen würde, dieser nicht mehr gewachsen wäre. Meine Situation ist bis heute nicht verstanden worden. Auf meine gesundheitlichen Beschwerden wird in der Werkstatt für behinderte Menschen Rücksicht genommen, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hingegen nicht
Was müsste sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ändern, damit er für Sie zugänglich ist, oder anders gefragt: Wie sieht Ihr Wunscharbeitsplatz aus?
In Deutschland arbeiten die Menschen nicht miteinander, sondern gegeneinander, weil nur noch die Gewinnmaximierung eine Rolle spielt. Alle Lebensbereiche werden immer mehr ökonomisiert. Das müsste aufhören.
Statt Arbeitslose zu diskriminieren und sie mit ihren Problemen alleinezulassen, müsste es bessere Hilfestellungen geben, damit diese auch wieder in Arbeit kommen. Vor allem muss man vom Arbeitsertrag leben können und nicht noch durch die Grundsicherungsbürokratie drangsaliert werden, wenn das Geld nicht ausreicht, weil man zum Beispiel nicht in Vollzeit arbeiten kann. Den Wunscharbeitsplatz hatte ich schon einmal während einer zweijährigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) bei einem türkischen Verein, wo ich die Korrespondenz der Vereinsmitglieder mit den deutschen Behörden und vieles andere mehr zu erledigen hatte. Nach Ablauf dieser Maßnahme konnte ich eine solche Arbeit wegen des fehlenden Studiums nicht bekommen. Auch meine jetzige Arbeit kommt meinen Wünschen sehr nahe.
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