49-Euro-Ticket nachbessern
Mit der Einführung des Deutschlandtickets soll die Geschichte des öffentlichen Personennahverkehrs neu geschrieben werden. Das einfach handhabbare Ticket soll laut Bundesverkehrsminister Wissing an den Erfolg des Neun-Euro-Tickets anknüpfen. Allerdings sind bei der Konzeption des Deutschlandtickets viele Menschen und Bevölkerungsgruppen nicht konsequent im Blick. Mit 49 Euro monatlich ist es fünfmal so teuer wie sein Vorgänger und längst nicht "für alle" erschwinglich. Geringverdienende, Rentner:innen, Studierende, Alleinerziehende, Familien und Bezieher:innen von Bürgergeld können sich diese "Mobilitäts-Flatrate" schlichtweg nicht leisten.
Statt von Anfang an Ermäßigungen für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen vorzusehen, wurden sozialpolitische Implikationen beim Deutschlandticket erneut ausgeblendet. Soziale Komponenten können nun nur noch nachträglich "reingeflickt" werden. Einige der angekündigten Ermäßigungen waren wenige Tage vor dem Start noch nicht einmal klar definiert. Da der Nahverkehr Ländersache ist und jedes Land hier sein eigenes Süppchen kocht, wird das Ticket zwar vielleicht die Grenzen der Verkehrszonen überwinden. Dafür sind wir aber gerade dabei, einen neuen, unübersichtlichen und ungerechten Flickenteppich der Ermäßigungstarife zu schaffen. "Einfach" ist anders.
Das gilt nicht nur für den Preis. Bei der Recherche über die Regelungen landet man in einem Informationsdschungel. Wie kann man bezahlen? Was hat es mit der Bonitätsprüfung auf sich? Was, wenn ich das Ticket nur vorübergehend nutzen will und vergesse, das Abonnement zu kündigen? Entsteht da nicht gerade eine neue Schuldenfalle? Und was mache ich, wenn ich kein Smartphone habe? Fragen über Fragen, die viele Bürger:innen verunsichern, hohe Hürden darstellen und oftmals sogar ein Ausschlusskriterium sind.
Bleibt es bei dem Tarifwirrwarr, wird die Chance vertan, die Verkehrswende mit sozialpolitischen Zielen wie der verbesserten Teilhabe von Benachteiligten zu verknüpfen. Viele Arbeitnehmer:innen werden künftig wie beim Jobticket Zuschüsse vom Arbeitgeber erhalten und können damit deutschlandweit kostengünstig unterwegs sein. Für Menschen, die angesichts steigender Preise jeden Cent umdrehen müssen, ist es dagegen weder kostengünstig noch "einfach".
Die Überwindung der Tarifgrenzen im öffentlichen Nahverkehr mag ein verkehrspolitischer Meilenstein sein. Ein Durchbruch in der Sozialpolitik, der die angestrebte "Einfachheit" und Chancengerechtigkeit des Deutschlandtickets auch für sozial benachteiligte Menschen realisiert, ist (noch) nicht in Sicht.