Auswirkungen des Brexit auf das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht
Am 29. März 2017 hatte das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dem Europäischen Rat förmlich seine Absicht mitgeteilt, aus der EU auszutreten. Nach langen Verhandlungen auch über die Rechte der Unionsbürger(innen) in Großbritannien und der britischen Staatsangehörigen in der EU nach dem Austritt wurde im Oktober 2019 ein Abkommen geschlossen. Nach einer letzten Verlängerung der Austrittsfrist bis Ende Januar 2020 endete die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs am 31. Januar 2020 um Mitternacht.
Nachdem im Januar das Vereinigte Königreich, das Europäische Parlament und der Rat das Austrittsabkommen förmlich angenommen haben, trat es am 1. Februar 2020 in Kraft.1 Damit hat eine Übergangsphase begonnen, die am 31. Dezember 2020 enden wird. Diese Phase kann einmalig um maximal weitere zwei Jahre verlängert werden; die Entscheidung hierüber muss bis zum 1. Juli 2020 getroffen werden. Ob Großbritannien diese Möglichkeit tatsächlich wie angekündigt nicht nutzen will, wird sich zeigen.
Das Vereinigte Königreich als fiktiver Mitgliedstaat in der EU
Mit dem Austritt sind die Staatsangehörigen Großbritanniens nicht mehr EU-Bürger(innen) und rechtlich als Drittstaatler(innen) anzusehen. Das Abkommen enthält aber Regelungen, von denen Personen profitieren, die bereits von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht haben.2 Das Abkommen regelt Rechte derjenigen EU-Bürger(innen) und britischen Staatsangehörigen, die sich zum Ende der Übergangszeit jeweils im Einklang mit EU-Recht in der EU beziehungsweise in Großbritannien und Nordirland aufhalten.3 Sie behalten ihre Rechte in der Übergangsphase und danach weitestgehend:
- EU-Bürger(innen) und britische Staatsangehörige behalten jeweils Aufenthaltsrechte, die sich weitgehend mit den Freizügigkeits- und Verbleiberechten nach Art. 21 AEUV und Art. 6, 7, 12, 13, 14, 16, 17 und 18 der Unionsbürgerrichtlinie decken (Art. 13 Austrittsabkommen).
- Es darf nach Ablauf der Übergangszeit ein digitales Aufenthaltsdokument zum Nachweis des Aufenthaltsrechts gefordert werden (Art. 18 Austrittsabkommen). Ob es schon vorher in Deutschland eine Regelung geben wird, wonach ein Nachweis des Status auf freiwilliger Basis erworben werden kann, ist derzeit noch offen.
- Das Gleichbehandlungsgebot mit Blick auf soziale Leistungen bleibt entsprechend der Unionsbürgerrichtlinie erhalten (Art. 23 Austrittsabkommen).
- Für die Personen, die unter die Übergangsvorschriften fallen, gilt für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit weiter die VO 883/2004 (Art. 31 Austrittsabkommen).
- Gibt es im nationalen Recht günstigere Bestimmungen, so sind diese anzuwenden (Art. 38 Austrittsabkommen).
- Die Personen, die unter die Übergangsvorschriften fallen, behalten die dort vorgesehenen Rechte lebenslang,es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen nicht mehr (Art. 39 Austrittsabkommen).
- Die Familienangehörigen behalten ihre Rechte auf Aufenthalt und Gleichbehandlung, wenn sie bereits beim Ende der Übergangszeit mit dem/der EU-Bürger(in) beziehungsweise der/dem britischen Staatsangehörigen zusammenleben oder die Voraussetzungen für das Nachzugsrecht nach der Unionsbürgerrichtlinie erfüllen würden (Art. 10 Abs. 1 Bst. e) Austrittsabkommen). Als Familienangehörige gelten wie im Freizügigkeitsrecht (Art. 9 Bst. a) Austrittsabkommen):
-
Ehegatt(inn)en und Lebenspartner(innen),
- Abkömmlinge in absteigender Linie bis zum 21. Lebensjahr,
- Abkömmlinge in absteigender Linie ab dem 21. Lebensjahr, wenn ihnen Unterhalt gewährt wird und
- Familienangehörige in aufsteigender Linie, das heißt Eltern und (Ur-)Großeltern, wenn ihnen Unterhalt gewährt wird.
Während der Übergangsphase fiktive EU-Bürger
Für Deutschland wurde mit dem "Gesetz für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union" (BrexitÜG) vom 27. März 2019 festgelegt, dass das Vereinigte Königreich während des Übergangszeitraums fiktiv als Mitgliedstaat der EU anzusehen ist. Da britische Staatsangehörige also während der Übergangsphase als Unionsbürger(innen) gelten, sind das Freizügigkeitsgesetz und alle weiteren auf EU-Bürger(innen) bezogenen Regelungen zunächst bis 31. Dezember 2020 uneingeschränkt auf sie anzuwenden. Behauptungen von einigen Behörden, die Betroffenen hätten mit dem Brexit ihr Aufenthaltsrecht verloren und müssten ausreisen, haben keine Rechtsgrundlage.
Britische Staatsangehörige, die sich bis zum 31. Januar 2020 mit Freizügigkeitsrecht in Deutschland aufgehalten haben, bleiben nach dem Brexit aufenthaltsberechtigt. Da die "fiktive Mitgliedschaft" in der EU erst mit dem Ablauf der Übergangszeit endet, haben bis dahin britische Staatsangehörige das Recht auf Einreise und Aufenthalt zu den Bedingungen, die das EU-Recht für die Freizügigkeit vorgibt.
Bei der Einbürgerung von britischen Staatsangehörigen wird gemäß § 3 Abs. 1 BrexitÜG auf die Aufgabe der britischen Staatsangehörigkeit verzichtet, wenn der Antrag vor Ablauf der Übergangsfrist gestellt wurde und bis dahin alle sonstigen Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllt sind. Deutsche, die vor Ablauf der Übergangsphase einen Antrag auf Einbürgerung im Vereinigten Königreich gestellt haben, verlieren die deutsche Staatsangehörigkeit nicht gemäß § 25 Abs. 1 StAG, auch wenn die Einbürgerung erst danach stattfindet.
Anmerkungen
1. Wortlaut des Abkommens: Amtsblatt der Europäischen Union vom 31. Januar 2020 29/7, https://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12020W/ TXT&from=DE
2. Teil 2, Titel I bis III, Art. 9 ff. Austrittsabkommen.
3. Art. 10 Austrittsabkommen: Persönlicher Anwendungsbereich.
Weitere Informationen:
- www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/ DE/2020/01/brexit.html
- www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/europa/ brexit/brexit-artikel.html
- www.bmi.bund.de/SharedDocs/faqs/DE/themen/ verfassung/brexit/faqs-brexit.html
- www.migrationsrecht.net/nachrichten-auslaenderrecht-europa-und-eu/das-vereinigte-koenigreich-ist-kein-eu-mitgliedstaat-mehr.html
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