Bei der Pflege kommt es auf die Ergebnisse an
Als Mitte 2009 die ersten stationären Pflegeeinrichtungen im Bistum Münster Erfahrungen mit dem sogenannten Pflege-TÜV machten, wurden sehr rasch Inhalt und Form dieser Qualitätsprüfung kritisiert. Der Diözesan-Caritasverband (DiCV) Münster hat sich dieser Kritik angenommen und mit dem Projekt "Ergebnisorientiertes Qualitätsmodell Münster" (EQMS) nach einer Alternative gesucht. Seit September 2011 setzt der Verband mit inzwischen 160 stationären Altenhilfeeinrichtungen die Indikatoren zur Ergebniserfassung im Projekt "Ergebnisorientiertes Qualitätsmodell Münster"1 um. Mit der Implementierung eines wirklich an der Ergebnisqualität orientierten indikatorengestützten Messsystems konnten Einrichtungen der Altenhilfe einen Systemwechsel mitinitiieren. Es ging dabei nicht darum, generell eine externe Qualitätsüberprüfung abzulehnen, sondern darum, dass mit einem neuen und verbesserten Modell Wirkungsergebnisse pflegerischen Handelns erfasst, bewertet und evaluiert werden können - völlig anders als das alte System, das Noten für Dokumentationsqualität vergibt.
Durch die enge Verbindung der Praxis der Einrichtungen mit dem spitzenverbandlichen Engagement des Diözesan-Caritasverbandes in der Begleitung und der sozialpolitischen Interessenvertretung ist es gelungen, die gesetzlichen Veränderungen (Pflegestärkungsgesetz II, 2015) zu unterstützen.
Das indikatorengestützte Qualitätsverfahren beurteilt Pflegeergebnisse, die sich damit auseinandersetzen, was Pflege beim Bewohnenden einer stationären Altenhilfeeinrichtung in Bezug auf seine Gesundheit und Pflegebedürftigkeit bewirkt. Ergebnisqualität ist das zentrale Resultat pflegerischen Handelns für den zu versorgenden Menschen und gleichzeitig der Dreh- und Angelpunkt einer von Pflegenden lang gewünschten Wertschätzung der eigenen Arbeit.
Die projektbeteiligten Einrichtungen erfassten im März 2019 teilweise zum 15. Mal in Folge zusätzlich und freiwillig zu ihrem üblichen Pflegealltag ihre Ergebnisse. Dabei bildeten die Integration in das interne Qualitätsmanagement und der Umgang sowie Austausch über die Ergebnisse das Kernstück der Umsetzung und einen Gewinn für die Bewohnenden.
24 Einrichtungen aus dem EQMS-Projekt waren Anfang 2018 zusätzlich an Testprüfungen des Projekts "Entwicklung der Qualität in der stationären Pflege gemäß § 113 b Absatz 4 Satz 2 Nr. 1 SGB XI" beteiligt und haben die ersten neuen Qualitätsprüfungen in der Testphase erlebt.
Was kommt künftig auf die Einrichtungen zu?
Einrichtungen der stationären Altenhilfe werden ab Herbst 2019 zunächst in einer Probephase und ab Juli 2020 in halbjährigem Abstand interne Daten zur Darstellung der Ergebnisqualität erfassen. Dabei erheben (geschulte) Pflegefachkräfte für jede(n) Bewohner(in) Daten zu zehn Indikatorenthemen aus drei Qualitätsbereichen. Vier der sechs Module des Begutachtungsinstruments sind eine Grundlage hierfür. Ergänzt werden diese durch weitere pflegefachlich relevante Aspekte des individuellen Gesundheitszustandes sowie zur Versorgung in besonderen Bedarfslagen.
Folgende Indikatorenbereiche werden künftig erfasst und bezogen auf die Ergebnisqualität ausgewertet:
Qualitätsbereich 1: Erhalt und Förderung von Selbstständigkeit
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Erhaltene Mobilität
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Erhaltene Selbständigkeit bei alltäglichen Verrichtungen (zum Beispiel Körperpflege)
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Erhaltene Selbstständigkeit bei der Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte
Qualitätsbereich 2: Schutz vor gesundheitlichen Schädigungen und Belastungen
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Dekubitusentstehung
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Schwerwiegende Sturzfolgen
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Unbeabsichtigter Gewichtsverlust
Qualitätsbereich 3: Unterstützung bei spezifischen Bedarfslagen
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Durchführung eines Integrationsgesprächs
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Anwendung von Gurten
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Anwendung von Bettseitenteilen
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Aktualität der Schmerzeinschätzung
Ein komplexes Regelwerk in der Datenauswertung sorgt dafür, dass eine vergleichende Qualitätsdarstellung zwischen allen Einrichtungen möglich wird. Gleichzeitig entstehen bereits bei der Ergebniserfassung selbst durch die Reflexion und Evaluation der Bewohnerversorgung Erkenntnisse zum Beispiel für die Pflegeprozesssteuerung. Dafür werden die Fachkompetenz der Pflegefachkräfte und ihre fundierte Kenntnis der Bewohner(innen) und deren Gesundheitszustand benötigt. Mit Hilfe eines sogenannten Indikatorenbogens werden die nötigen Einschätzungen und Angaben zu den Bewohner(inne)n gemacht und von der Datenauswertungsstelle ausgewertet.
Die Idee der Ergebnisindikatoren ist, interne qualitätssichernde Maßnahmen mit den externen Qualitätsprüfungen zu verknüpfen. Durch die Erfassung von Daten, die auf das Ergebnis der (pflegerischen) Handlungen ausgerichtet sind, wird die Qualitätsarbeit in der Einrichtung gestärkt. Die erfassten Daten können für interne Prozesse beziehungsweise konkrete bewohnerbezogene Maßnahmen genutzt werden. Gleichzeitig werden auf Basis dieser Daten Auswertungen durchgeführt, Bewertungen formuliert und Informationen generiert, die den Grundstein für eine veränderte externe Qualitätsprüfung durch den MDK beziehungsweise PKV-Prüfdienst bilden. Indem Ergebnisse betrachtet werden, die am Durchschnitt aller Einrichtungen gemessen und verglichen wurden, kann die Qualität einer Pflegeeinrichtung fair und praxisnah beurteilt werden. Pflegefachkräfte arbeiten schon immer nach dem Prinzip der Kontrolle erreichter Ergebnisse - meist als Ziel in der Maßnahmenplanung beschrieben.
Ist ein(e) Bewohner(in) etwa dekubitusgefährdet, so ist das gewünschte Ergebnis, dass er/sie keinen Dekubitus entwickelt. Also plant die Pflegekraft Maßnahmen zur Lagerung und setzt diese um. Sie überprüft kontinuierlich, ob die Maßnahmen wirksam waren, also ob das Ergebnis passt. Wenn nicht, werden andere Maßnahmen geplant und umgesetzt. So lange, bis das gewünschte Ergebnis erreicht wird.
Statt dokumentierter Prozesse zählt pflegerisches Handeln
Die Indikatoren machen sich dieses Prinzip zu eigen, um das Ergebnis pflegerischen Handelns zu erfassen, zu bewerten und darzustellen. Für die einrichtungsbezogene Qualitätsbeurteilung ist diese Bewertung und Darstellung am Ergebnis das neue Element. Bisher erfolgte die Qualitätsprüfung ausschließlich extern und man griff auf dokumentierte Prozesse zurück: Wurde ein Risiko erkannt? Wurden Maßnahmen geplant? Oder man betrachtete Strukturen, die häufig jedoch in keinem kausalen Zusammenhang zur Versorgungsqualität standen, wie etwa ein gut lesbarer Speiseplan.
Zukünftig steht ein neues, internes Verfahren zur Verfügung, das auf das bewohnerbezogene erreichte Ergebnis ausgerichtet ist. Durch dieses neue Element wird einerseits die Qualitätsarbeit in den Einrichtungen gestärkt, und andererseits sind die Ergebnisindikatoren dadurch eine realistische Grundlage für die externe Prüfung.
Am Projekt teilnehmende Einrichtungen haben inzwischen jahrelang Erfahrungen mit den Indikatoren sammeln können. Die meisten haben schnell den Nutzen für das interne Qualitätsmanagement erkannt und zum Beispiel die Ergebniserfassungen als Grundlage für die Pflegevisite genutzt. Dadurch relativiert sich auch der Zeitaufwand für die Ergebniserfassung, weil an anderer Stelle Aufwand für Visiten, Evaluationen etc. eingespart werden kann. Als besonders effektiv und erkenntnisreich hat sich das Erfassen zu zweit erwiesen, also begleitet durch die Pflegedienstleitung oder eine(n) Qualitätsmanagementbeauftragte(n). Hier kann je nachdem nicht nur der Bewohner visitiert werden, sondern es entstehen weitere Erkenntnisse, etwa im Bereich der Personalentwicklung.
Bei den ebenfalls überarbeiteten und wesentlich mehr auf die Versorgungsqualität am Bewohner fokussierten MDK-Prüfungen wird neben nicht indikatorenbezogenen Prüfthemen auch die Plausibilität überprüft, also die "Stimmigkeit" der erhobenen Daten. Künftig kommt es nicht mehr darauf an, wie gut die Dokumentation ist oder ob der Speiseplan gut lesbar ist. Der Schwerpunkt liegt nun auf dem Ergebnis, also wie es den Bewohner(inne)n geht und wie sich Gesundheit und Selbstständigkeit verändert haben.
Rein begrifflich kann derzeit keine Einrichtung "gut" sein
Ein neues System hat auch Ecken und Kanten. So ist bei einer Evaluation eine praktikable Anpassung basierend auf Erfahrungen der Einrichtungen und Prüfenden zu erwarten. Dabei ist es ratsam, auch die Formulierung der Bewertungen zu überprüfen. Die Bezeichnungen im internen Verfahren anhand des Begriffs des "Durchschnitts" sind für den Verbraucher möglicherweise nicht vertrauenserweckend - wer will schon durchschnittlich sein? Bei den externen Formulierungen ist die Chance verpasst worden, aus der defizitorientierten Sichtweise auszubrechen. Einrichtungen können derzeit rein begrifflich nicht einfach "gut" sein. Schade!
In Zeiten des Personal- und Fachkräftemangels ist es nicht leicht, Änderungen umzusetzen. Die Indikatoren sind schließlich nicht die einzige Umstellung, die in der stationären Altenhilfe derzeit stattfindet. Dennoch bietet die Ergebniserfassung zusammen mit den Feedbackberichten einige Anreize, die es lohnenswert machen, in die Implementierung zu investieren. Einige Vorteile für das interne QM, insbesondere die Pflegeprozesssteuerung, sind schon benannt worden. Darüber hinaus ermöglicht die Umsetzung der Indikatoren auch, Personal zu stärken und zu entwickeln.
Anmerkungen
1. Basierend auf Wingenfeld, K.; Engels, D.: Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe. 2011; www.bagfw.de/fileadmin/user_upload/Abschlussbericht_Ergebnisqualitaet_.pdf
2. Weiterführende Infos: Albert, N.; Eckert, A.: Ergebnisqualität verbessern. Die neuen Indikatoren sinnvoll nutzen und damit die Qualitätsprüfungen beherrschen. Münster, 2019.
Albert, N.; Eckert, A.; Matzke, E.; Muhle, A.: EQ-Indikatoren für ErgebnisQualität. Ausfüllhilfe zur Erfassung von Versorgungsergebnissen in der stationären Langzeitpflege. Münster, 2019. Beide Publikationen sind erhältlich über E-Mail: leusing@caritas-muenster.de oder E-Mail: info@altenpflege-akademie.de
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