Neue Integrationschancen für Langzeitarbeitslose
Lange haben wir in der Caritas darauf gewartet, dass im Sozialgesetzbuch II ein Regelinstrument eingeführt wird, welches eine mehrjährige Förderung von arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen ermöglicht. Mit dem Teilhabechancengesetz hat die Bundesregierung die bisher vorherrschende Programmpolitik endlich beendet und ein neues Instrument "Teilhabe am Arbeitsmarkt" (§ 16 i SGB II) im Gesetz verankert. Im Bundeshaushalt ist für dieses Instrument die Möglichkeit eröffnet worden, den Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) durchzuführen und damit Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Die Grundidee des PAT ist es, alle Geldmittel, die ein Hartz-IV-Empfänger erhält, zusammenzufassen und für die Finanzierung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses zu nutzen. Im Bundeshaushalt stehen zudem für vier Jahre insgesamt vier Milliarden Euro mehr für die Förderung von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung.
In den Verhandlungen ist es gelungen, die Zielgruppe des neuen § 16 i SGB II gegenüber den Überlegungen des Referentenentwurfs etwas zu erweitern. Förderfähig sind nun erwerbsfähige leistungsberechtigte Personen über 25 Jahre, die mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten sieben Jahre SGB-II-Leistungen erhalten haben. Leistungsberechtigte, die mit mindestens einem minderjährigen Kind in der Bedarfsgemeinschaft leben, sowie Schwerbehinderte können bereits gefördert werden, wenn sie in den letzten fünf Jahren SGB-II-Leistungen erhalten haben.
Keine Verdrängung regulärer Arbeitsplätze
In den ersten beiden Jahren wird ein Lohnkostenzuschuss von 100 Prozent gezahlt, der in den kommenden drei Jahren dann jeweils um zehn Prozent sinkt. Erfreulich ist, dass entgegen den Planungen im Koalitionsvertrag nun doch der Tariflohn anstelle des Mindestlohns refinanziert werden kann, wenn "der Arbeitgeber durch oder auf Grund eines Tarifvertrags oder nach kirchlichen Arbeitsrechtregelungen zur Zahlung eines höheren Arbeitsentgelts verpflichtet" ist (§ 16 i Abs. 2 Satz 1 SGB II). Das Instrument ist sozialversicherungspflichtig mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung. Explizit verzichtet wurde darauf, als Fördervoraussetzungen die Kriterien Zusätzlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und öffentliches Interesse zu normieren. Das Instrument steht für alle Arbeitgeber offen. Damit ist es möglich, reguläre, sinnstiftende und wirtschaftliche Tätigkeiten anzubieten. Bei der Festlegung der Tätigkeitsfelder und Branchen kommt den Sozialpartnern in den örtlichen Beiräten (§ 18 d SGB II) die Aufgabe zu, Stellungnahmen zu möglichen Wettbewerbsverzerrungen und Verdrängungseffekten abzugeben. Bei von diesen Stellungnahmen abweichender Festlegung der Einsatzfelder muss die Agentur für Arbeit eine Begründung abgeben. So soll gewährleistet sein, dass es zu keiner Verdrängung am Markt kommt.
Zugang zur Förderung sollen auch Personen erhalten, die zuvor im Rahmen der "Förderung von Arbeitsverhältnissen" (§ 16 e SGB alt) oder im Bundesprogramm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt" gearbeitet haben. Bei der Entscheidung über die Zuweisung soll darauf geachtet werden - so die Begründung des Gesetzesentwurfs -, "ob die jeweilige Person auch zum Zeitpunkt der Zuweisung noch sehr arbeitsmarktfern" ist.1
Ausgeweitet wurde auch die Möglichkeit der Weiterbildungsförderung. Im Unterschied zum Referentenentwurf, der noch eine 50-Prozent-Förderung bis maximal 1000 Euro vorsah, ist nun die volle Förderung bis zu einer Höchstgrenze von 3000 Euro pro gefördertes Arbeitsverhältnis möglich.
Leider ist das neue Instrument § 16 i SGB II zunächst bis zum 1. Januar 2025 befristet. Förderungen können bis zu diesem Zeitpunkt beginnen. Das bedeutet, dass längstens bis Ende Dezember 2029 gefördert werden kann.
Ein Coaching ist für die Teilnehmer verpflichtend
Verändert wurde mit dem Gesetz auch das bestehende Instrument "Förderung von Arbeitsverhältnissen" (§ 16 e SGB II alt). Zukünftig müssen die geförderten Personen des Instruments "Eingliederung von Langzeitarbeitslosen" - so der Name des neuen § 16 e SGB II - keine weiteren Vermittlungshemmnisse mehr aufweisen. Die Zielgruppe des § 16 e (neu) sind Leistungsberechtigte, die trotz vorheriger Unterstützung im SGB II seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind. Der Lohnkostenzuschuss wird nur im ersten Jahr in Höhe von 75 Prozent gezahlt. Im zweiten Jahr sinkt die Förderung auf 50 Prozent des zu berücksichtigten Arbeitsentgelts. Im Laufe des Gesetzesverfahrens ist es gelungen, die Nachbeschäftigungspflicht zu streichen, die im Referentenentwurf noch vorgesehen war. Damit genügend Mittel für die Förderung bereitstehen, wurde der Förderdeckel von 20 Prozent der Eingliederungsmittel aufgehoben, der bisher für die Instrumente 16 e, f und h SGB II bestanden hat (§ 46 Abs. 2 Satz 3 SGB II).
Für beide Instrumente §§ 16 e und 16 i im SGB II gilt ein verpflichtendes Coaching. Dabei wird ein ganzheitlicher Beratungsansatz zugrunde gelegt, der auch die Unterstützung von Kindern in der Bedarfsgemeinschaft mit umfassen kann. Das Coaching kann durch die Agentur für Arbeit oder durch einen durch diese beauftragten Dritten erfolgen. Leider ist es im Verfahren nicht gelungen, dass auch betriebsinternes Coaching durch die Träger erfolgen kann. Obwohl erfolgreiche Ansätze wie das Projekt "Nachhaltige Integration langzeitarbeitsloser Menschen" (NIL 3.0) der Caritas in Baden-Württemberg oder das Landesprogramm "Öffentlich geförderte Beschäftigung" in NRW nachweislich gezeigt haben, dass diese Form des Coachings sehr erfolgreich war, war die Bundesregierung nicht davon zu überzeugen, diesen wichtigen Schritt zu gehen.
Das Gesetz tritt zum 1. Januar 2019 in Kraft. Mit Blick auf die Befristung des neuen Instruments "Teilhabe am Arbeitsleben" und die damit verbundene Förderung durch den Passiv-Aktiv-Transfer wird es jetzt in der Umsetzung entscheidend darauf ankommen, die Förderung zum Erfolg zu führen. Gelingen muss auch, dass der PAT dauerhaft institutionalisiert wird, denn im Moment ist die Förderung nur durch den Bundeshalt 2019 gesichert. Das neue Förderinstrument § 16 i SGB II gibt erstmals Langzeitarbeitslosen viel Zeit, den Sprung in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Es bleibt zu hoffen, dass der Ausstieg aus dem Langzeitbezug möglichst vielen Langzeitarbeitslosen gelingt!
Anmerkung
1. Bundestags-Drucksache 19/4725, S. 20.
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