Marokko entwickelt sich vom Transit- zum Zielland
Die marokkanische Regierung hat im Jahr 2013 eine Neuorientierung ihrer Migrationspolitik eingeleitet. Der neu eingeschlagene Weg führte zur Einrichtung eines eigenen Migrationsministeriums und zu einer gewissen Öffnung: Vom 1. Januar bis 31. Dezember 2014 konnten alle Migrant(inn)en, die schon länger als fünf Jahre in Marokko lebten, das Aufenthaltsrecht beantragen. Mehr als 30.000 Migrant(inn)en machten davon Gebrauch. Zwei Drittel von ihnen waren erfolgreich. Die Abschottung der Grenzen nach Europa sowie die neue marokkanische Einwanderungspolitik führen dazu, dass sich das Land vom Transit- zum Zielland von Migrant(inn)en aus Subsahara-Afrika (Schwarzafrika) entwickelte.
Von 2013 bis einschließlich 2015 hat die Caritas in ihren drei Migrations-Zentren in Rabat, Casablanca und Tanger rund 12.000 Migrant(inn)en begleitet. Edouard Danjoy, Direktor der Caritas Rabat, schätzt, dass etwa zehn bis 15 Prozent der Neuankommenden aus Subsahara-Afrika Hilfe in den Caritas-Zentren suchen. Über die Zahl der illegal in Marokko lebenden Migrant(inn)en gibt es keine verlässlichen Angaben. Sicher scheint, dass es mehrere Zehntausend sind. Viele von ihnen sind Christen, die sich mit ihren Sorgen und Nöten ganz selbstverständlich an die Kirche und die Caritas wenden.
Das Caritas-Migrationszentrum in Rabat wurde im Jahr 2005 gegründet. Dort beraten dreißig haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter(innen) allein in diesem Jahr schätzungsweise 3.000 bis 4.000 Migrant(inn)en. Die Gründe für die wachsenden Zahlen sind einerseits in der Zuwanderung zu suchen, andererseits in der steigenden Bekanntheit der Caritas in Marokko. Ihre Hilfsangebote richten die Caritas-Mitarbeitenden nach den Bedürfnissen ihrer Klient(inn)en aus, deren Durchschnittsalter bei 35 Jahren liegt: Sie helfen ihnen, eine Asyl- oder Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen, sich weiterzuqualifizieren, damit sie besser Fuß fassen können, oder auch in ihre Heimat zurückzukehren. Ihre Arbeit ist nur möglich durch die enge Kooperation mit den lokalen Behörden, Gesundheitsdiensten, privaten Initiativen und Vereinen sowie mit internationalen Organisationen wie dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) oder der Internationalen Organisation für Migration (IOM).
Besonders schutzbedürftig: Mütter und Minderjährige
Unter den Flüchtlingen und Migrant(inn)en nehmen Schwangere, alleinerziehende Mütter und unbegleitete Minderjährige als besonders gefährdete Gruppen einen Sonderstatus ein. Brisanterweise
hat der besondere gesetzliche Schutz, den diese beiden Gruppen genießen, offenbar die Folge, dass ihr Anteil unter den Migrant(inn)en überproportional steigt. Die Caritas-Mitarbeitenden stellen sich dieser Herausforderung. Sie organisieren das Lebensnotwendige: Notunterkünfte, Decken, Matratzen, Lebensmittel, Kleidung und medizinische Versorgung. Sie fördern Kleinstprojekte, damit ihre Klient(inn)en etwas Geld verdienen können. Schwangere erhalten in der Zeit vor und nach der Geburt ihres Kindes einen Mietkostenzuschuss. Unbegleiteten Minderjährigen helfen die Caritas-Mitarbeitenden vor allem bei Behördengängen und der Beantragung ihrer Aufenthaltsgenehmigung: Nur so können die Jugendlichen im staatlichen Bildungswesen einen Schulabschluss und eine qualifizierte Berufsausbildung machen. Die Aufenthaltsgenehmigung ist der Dreh- und Angelpunkt für ihre weitere Perspektive.
Die Caritas und andere in Marokko tätige Nichtregierungsorganisationen gehen davon aus, dass inzwischen jeder zehnte Neuankömmling minderjährig und ohne Begleitung der Eltern oder eines Erziehungsberechtigten unterwegs ist. Im Jahr 2015 betreute die Caritas in Marokko rund 300 unbegleitete Minderjährige aus Guinea-Conakry, Guinea-Bissau, Kamerun, Mali, Elfenbeinküste, Kongo und vielen anderen Ländern West- und Zentralafrikas. Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung gab die Caritas Rabat eine Studie in Auftrag.
Jeder zehnte Neuankömmling ist minderjährig
Ziel dieser Umfrage unter den unbegleiteten Minderjährigen war es, herauszufinden, was die Jugendlichen antreibt, was ihre Bedürfnisse sind und wie man ihnen am besten helfen kann.
Von November 2015 bis März 2016 befragte die Caritas Rabat somit 102 unbegleitete Minderjährige, darunter 78 Jungen und 24 Mädchen. Auf die Frage, warum sie sich auf den Weg Richtung Europa machten, antwortete die Hälfte von ihnen (48 Jungen und drei Mädchen), dass sie ein materiell besseres Leben wollten. 28 Jugendliche, darunter zwölf Mädchen und 16 Jungen, nannten die Flucht vor Krieg und politischen Krisen. Weitere Beweggründe waren Armut, häusliche Gewalt, Zwangsehe und ein Leben als Straßenkind. 16 Jugendliche, insbesondere aus der Elfenbeinküste, strebten nach einer Karriere als Profi-Fußballer(innen).
Ein Wunschtraum: ein Leben in Europa
"Arbeiten und lernen" lautete die Antwort von 67 Jungen und 15 Mädchen auf die Frage, was sie denn tun wollen, wenn sie ihr Ziel (Europa) erst einmal erreicht haben. Die übrigen zwanzig hatten keine klaren Vorstellungen.
Die unbegleiteten minderjährigen Migrant(inn)en sind bei ihrer Ankunft in Marokko zwischen 13 und 17 Jahre alt. Sie sprechen mindestens zwei Sprachen, meist Französisch und die Sprache ihrer Ethnie. Sie sind im Internet und auf Facebook unterwegs und haben einen gemeinsamen Traum: studieren, arbeiten und Geld verdienen in Europa. Irgendwann wollen sie auch in ihre Heimat zurück, aber niemals mit leeren Händen.
Caritas international, das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, unterstützt die Hilfsprojekte der Caritas in Marokko für Migrant(inn)en in diesem Jahr mit 460.000 Euro.
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