Integrationspaten: eine Brücke von Jugendhilfe zur Gesellschaft
Unbegleitete minderjährige Flücht- linge (umF) sind die verwundbarste Gruppe unter den Flüchtlingen. Ihre besondere Verletzlichkeit beruht darauf, dass sie während ihrer Entwicklungsphase aus ihrem sozialen Umfeld herausgelöst und von der Familie getrennt wurden, und Krieg, Armut oder sexuelle Gewalt in ihrem Herkunftsland und auf der Flucht erlebt haben. Im Aufnahmeland sind die Zukunftsperspektiven der Kinder und Jugendlichen durch große Unsicherheit geprägt. Sie sind häufig wegen ihres Erfahrungshintergrundes sowie ihrer aktuellen Situation gesundheitlichen und psychosozialen Belastungen ausgesetzt. Aus all diesen Gründen benötigen sie besondere Unterstützung.
Die Wohngruppen im Don Bosco Jugendwerk Bamberg bieten unbegleiteten Minderjährigen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren Hilfe bei der Organisation und Bewältigung ihres Alltags in fremder Umgebung an. Diese Wohngruppen haben aufgrund der Traumatisierung der Jugendlichen ein heilpädagogisches Setting. Die jungen Menschen werden dort rund um die Uhr von Fachkräften betreut. Diese sorgen dafür, dass alltägliche Dinge wie Bildung, Kochen, Waschen und Putzen funktionieren. Vor allem aber helfen die Pädagog(inn)en den zum Teil schwer traumatisierten Flüchtlingen, das Erlebte zu verarbeiten und sich Schritt für Schritt eine Zukunftsperspektive aufzubauen.
Darüber hinaus werden sie seit 2014 von ehrenamtlichen Integrationspat(inn)en in einem Eins-zu-eins-Setting begleitet. Die Integrationspatenschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind Bestandteil des Projektes "Schüler. Bilden.Zukunft"1 und basieren auf den jahrelangen Erfahrungen von Schülerpatenschaften für deutschstämmige benachteiligte Kinder und Jugendliche an Brennpunktschulen.
Die Integrationspatenschaften sind das Bindeglied, die Brücke zwischen der professionellen Jugendhilfe und der Gesellschaft. Sie wirken in mehrere Richtungen: Sie bieten den Jugendlichen Heimat und Zugehörigkeit, sie unterstützen die Wohngruppen über das leistbare Maß der Jugendhilfe hinaus, sie wirken friedenstiftend in die ganze Gesellschaft hinein.
Eine Patenschaft einzugehen bedeutet konkret: eine verlässliche Beziehung aufzubauen und die vorherrschenden gesellschaftlichen Werte und Normen zu vermitteln, die Jugendlichen beim Spracherwerb, bei schulischen Fragen oder bei Fragen zu Ausbildung und Berufswahl zu unterstützen. Patenschaft heißt aber auch, alltagsorientierte, ganz praktische Hilfen zu geben, die Freizeit gemeinsam zu gestalten, die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit zu fördern - Hilfe zur Selbsthilfe. Jede Patin und jeder Pate bringt seine oder ihre ganz persönlichen und beruflichen Erfahrungen ein. Sie gestalten die Beziehung individuell, bedarfsorientiert und gemeinsam mit den Jugendlichen, immer in Rücksprache mit dem/der zuständigen Bezugserzieher(in). Pate und Jugendlicher2 treffen sich mindestens einmal die Woche. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der junge Mensch im Alltag der Integrationspat(inn)en "mitschwimmt" und die Treffen wesentlich häufiger stattfinden.
Die Pat(inn)en bekommen vor allem dann nochmals besonderes Gewicht, wenn der Jugendliche die Wohngruppe wegen Volljährigkeit verlassen muss und nur noch eine geringe Anzahl an professionellen Betreuungsstunden durch die öffentliche Hand erhält. Jetzt fallen gewohnte Strukturen weg. Der junge Mensch ist weitgehend auf sich alleine gestellt. Doch der Pate/die Patin steht nach wie vor als Vertrauensperson zur Verfügung.
Vertrauensperson in allen Lebenslagen
Das Besondere an den Integrationspatenschaften sind die Synergieeffekte. Die Pat(inn)en bringen ihre eigenen Netzwerke ein und vernetzen sich mit anderen Tandems. Ideen, immer an den Bedarfen der jungen Flüchtlinge orientiert, werden weitergegeben: ob eine Stadtführung durch eine Kunsthistorikerin, verbunden mit einer abschließenden Zeichenstunde mit dem Thema "Der Bamberger Dom und unsere neue Heimat" oder eine gruppenübergreifende Volleyballgruppe - die Patenschaften ziehen Kreise. Ein gebündeltes soziales und bürgerschaftliches Engagement entsteht.
Auch bei der Integration in Ausbildung ist das Konzept zu 100 Prozent erfolgreich: Alle 15 Flüchtlinge, die bisher am Projekt im Raum Bamberg teilgenommen haben, konnten durch das Zusammenspiel von gutem Bildungsangebot vom ersten Tag an, zuverlässiger professioneller Betreuung in den Wohngruppen und durch das Netzwerk und die Fürsorge der Pat(inn)en in Ausbildung oder an weiterführende Schulen gebracht werden.
Integrationspaten entkräften Vorurteile
Die Arbeit mit den Integrationspaten hat auch große gesellschaftliche Bedeutung, da diese ihre positiven Erfahrungen mit den Flüchtlingen authentisch kommunizieren. Damit helfen sie, Vorurteile zu entkräften und tragen wesentlich zum sozialen Frieden in unserer Gesellschaft bei. Ein anschauliches Beispiel dafür, wie durch Integrationspaten, lediglich durch Kommunikation und Teilhabe, größere Probleme vermieden werden können:
Zeresenai aus Eritrea (17) und Lukas (19) aus der IP-Familie sind in der Stadt unterwegs. Es ist Sommer und heiß. Die deutschen jungen Frauen tragen kurze Röcke und Shorts. Im Herkunftsland von Zeresenai bedeutet diese Tatsache: Diese Mädchen haben einen schlechten Mann und suchen einen anderen, oder: Diese Mädchen haben gar keinen Mann und suchen einen. Sie bieten sich sozusagen an beziehungsweise sind offen für männliche Kontaktaufnahme, und wenn er an ihnen Interesse hat, kann er aktiv werden.
In einem kurzen Gespräch zwischen Zeresenai und Lukas wird dem Eritreer ganz schnell klar, dass die Mädchen in Deutschland kurze Hosen tragen, weil es heiß ist. Durch die Integration in eine Familie können Missverständnisse schnell ausgeräumt und Vorkommnisse wie in Köln vermieden werden.3
Derzeit gibt es rund 40 laufende Integrationspatenschaften im Don Bosco Jugendwerk. Rund 70 Jugendliche leben in den Wohngruppen. Das Ziel ist - und auch der Wunsch der jungen Menschen - jedem einen Integrationspaten beziehungsweise eine Patenfamilie begleitend zur Seite zu stellen. Das Interesse von Einzelnen oder ganzen Familien, solch eine Patenschaft einzugehen, reißt nicht ab. Es sind die positiven Erfahrungen der Pat(inn)en mit diesen jungen motivierten Menschen, die dem Don Bosco Jugendwerk laufend weitere interessierte Paten "zuspielen".
Anmerkungen
1. "Schüler.Bilden.Zukunft" ist ein Kooperationsprojekt des Don Bosco Jugendwerks Bamberg, der Dr. Ursula Schmid-Kayser Stiftung und der Stiftung Chance Jugend. Das Projekt fördert an Grund- und Mittelschulen benachteiligte Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien.
2. In der Regel sind die umFs männlich.
3. Ein überzeugendes Beispiel über gelingende Integration ist auf der Homepage im neunminütigen Film "Integrationspaten in Bamberg!" zu sehen: http://bamberg.donbosco.de/Aktuelles/YouTube-Channel
Stolperstein Volljährigkeit
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