Mehr Frauen in Führung: „Die Treppe von oben putzen“
Der Bundestag hat im März eine gesetzliche Frauenquote beschlossen. Wie sieht das Thema Gleichstellung beim DCV und bei der Diakonie Württemberg aus?
Barbara Hipp: In der Diakonie Württemberg liegt der Frauenanteil bei rund 75 Prozent insgesamt, in Einrichtungen der Pflege teilweise bei 95 Prozent. Bei Vorstands- und Geschäftsführerpositionen liegt der Anteil von Frauen jedoch nur bei knapp einem Drittel. Die Diakonie Württemberg hat sich deshalb im Herbst 2011 dazu entschlossen, 40 Prozent Frauen in Führungspositionen und Gremien in ihren Einrichtungen zu erreichen. Allerdings ist das keine fixe Quote, sondern eine freiwillige Selbstverpflichtung.
Anne-Kerrin Gomer: Auch bei der Caritas liegt in der Pflege der Frauenanteil bei circa 90 Prozent. Auf der oberen Führungsebene, bei Geschäftsführer- und Vorstandspositionen, sind es nur rund ein Viertel. Die Delegiertenversammlung des DCV hat sich daher schon 2008 für einen ausgewogenen Frauenanteil von 50 Prozent in Führungspositionen ausgesprochen, auch hier ist das letztlich eine Richtlinie und kein Gesetz.
Gleichstellung bedeutet einen Kulturwandel in den Unternehmen. Wie sehen Maßnahmen aus, um diesen zu erreichen?
Gomer: Ein Kulturwandel ist mit konkreten Fragen und Problemen verknüpft. Wir sollten uns zum?Beispiel fragen, ob wir wirklich zu allen Lebensphasen 40 Stunden arbeiten wollen. Es gibt zwar schon eine große Zahl von Frauen in der Caritas, die erst in Führungspositionen kommen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Dieses Modell muss aber noch selbstverständlicher werden. Denn in Familienphasen wollen viele nicht voll arbeiten - nicht nur Frauen, sondern zunehmend auch Männer. So müsste man sich auch verabschieden von dem Führungsstereotyp des Mannes um die vierzig, der gleichzeitig auch noch der Familienernährer ist, der am Wochenende Mails verschickt und das Büro immer als Letzter verlässt.
Hipp: Wenn ein Wandel entstehen soll, braucht es immer eine kritische Masse von Personen, die etwas anders machen als zuvor üblich gewesen. Um das zu erreichen, sind Spitzengremien wie etwa Aufsichtsräte entscheidend, die andere Arbeitszeit- und Führungsmodelle unterstützen. Hier müssen wir die Treppe von oben putzen. Personalstrategen sollten die Berufsbiografien und Lebensentwürfe von Frauen entdecken und in die eigene Personalarbeit integrieren. Modelle, die den Präsenzdruck auf Führungskräfte verringern, sind hier wichtig: Tandems aus zwei Geschäftsführern, Telearbeit oder Führung in Teilzeit können Frauen den Spagat zwischen Beruf und Familie erleichtern. Gleichzeitig müssen aber auch die Frauen ihre Gestaltungsideen stärker als bisher mit dem Willen zum beruflichen Aufstieg verknüpfen.
Wo sehen Sie die Vorteile, wenn es mehr Frauen mit unterschiedlichen Lebensläufen in Führungspositionen gibt?
Hipp: Die Erwartungen von Kundinnen, Klientinnen, Angehörigen, aber auch von sozialwirtschaftlichen Akteuren werden immer vielfältiger, die Komplexität steigt. Nehmen Sie hier zum?Beispiel die Diskussion um die Inklusion, die zu vielen Anpassungen führt. Diesen Aufgaben kann man nur begegnen, indem man unterschiedliche Perspektiven von Entscheidern einbindet.
Gomer: In Zeiten des Wandels kommen plurale und heterogene Teams zu innovativeren und tragfähigeren Lösungsansätzen, das haben Studien gezeigt. Hier ist das Thema Vielfalt letztlich nicht nur auf das Geschlecht beschränkt, sondern umfasst zum?Beispiel auch Männer mit Erziehungsverantwortung oder die unterschiedliche Herkunft von Menschen. Um diese Vision einer paritätischen Unternehmenskultur zu erreichen, braucht es einen langen Atem. Eine Gefahr sehe ich darin, dass man diese Tatsache unterschätzt.
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