Mehr als nur ein Freund
Bezahlt hat die Ausbildung der Caritasverband Bocholt aus Spenden. Nala ist eine weiße Schweizer Schäferhündin mit ausgeprägtem Hüteinstinkt. "Sie passt schon auf ihre Schäfchen auf, dass denen nichts passiert und die keinen Quatsch machen", berichtet Besitzerin Nadine Vastering über ihre Hündin. Wenn etwa nachts jemand aufsteht, gibt Nala ihrem Frauchen ein Zeichen. Sie entscheidet dann, ob es harmlos ist. Erst danach können beide weiterschlafen. "Hier schleicht sich keiner nachts heimlich aus dem Haus. Und es kommt auch keiner rein. Wenn es hart auf hart kommt, stellt Nala jeden Eindringling", weiß Nadine Vastering.
Und wie geht es den Jugendlichen mit Nalas strenger Kontrolle? Die finden das fantastisch: "Ich finde gut, dass Nala da ist und wir alle wissen, dass wir an ihr nicht vorbeikommen.", sagt Nate. "Das Gefühl eines sicheren Zuhauses ist für die Jugendlichen eine wichtige Erfahrung", erklärt Nadine Vastering: "Nala kann da einfach ganz toll helfen - so wachsam wie sie ist, das könnten wir als Pädagogen gar nicht leisten." Bei Nala fühlt es sich eben nicht wie Überwachung an sondern wie fürsorgliches Behüten. Deshalb hat der Caritasverband Nalas Ausbildung als Therapiehund bezahlt und freut sich mit Frauchen Nadine Vastering, dass diese abgeschlossen ist - zumindest soweit es pandemiebedingt gerade möglich ist. Denn den offiziellen Abschluss können Tier und Halterin erst machen, wenn sie zur Prüfung in die Hundeschule dürfen.
Kommunikation ohne Worte
In Nalas Ausbildung hat Besitzerin Nadine Vastering den Hund gezielt auf die Fähigkeiten trainiert, die für den Umgang mit traumatisierten Jugendlichen in der Wohngruppe wichtig sind. Aus langen Jahren Berufserfahrung weiß sie, worauf es da ankommt: So erkennt Nala Wunden, die beispielsweise bei selbstverletzendem Verhalten wie beim Ritzen entstehen, und gibt daraufhin ein Zeichen. Auch Cannabis erkennt sie.
Die Jugendlichen finden es gut, dass sie Nala nichts verheimlichen können. Sie suchen sogar gezielt den Kontakt zu der Schäferhündin, weil sie wissen, dass diese all das erspürt, was die Jugendlichen den Pädagoginnen und Pädagogen in der Gruppe nicht so leicht sagen können. Die Kommunikation ohne Worte fällt ihnen oft leichter. Nala funktioniert da wie ein Eisbrecher. Erst wenn sie den Jugendlichen signalisiert habe, "ich habe gemerkt, dass es dir nicht gut geht", können sie sich an die Pädagogen wenden.
Nala ist wie ein Spiegel
Für Vastering ist klar: "Nala ist wie ein Spiegel. Sie zeigt den Jugendlichen, dass sie Irgendwas mit sich rumschleppen." Weil Nala einfach so sei, wie sie ist und man bei ihr gar keine schlechte Laune haben wolle, passiere es von selbst, dass die Jungs und Mädchen sie zu sich rufen, mit ihr kuscheln, sich mit ihr austoben und "danach erst merken, dass plötzlich das Gefühl, mit dem sie gerade reingekommen sind, verschwunden ist."
"Nach einem Tag in der Schule komme ich häufig echt übel gelaunt nach Hause," erzählt Seryna von ihrer Beziehung zu Nala: "Dann geht man mir lieber aus dem Weg. Wenn dann aber Nala da ist, kommt die direkt angelaufen und begrüßt mich. Allein schon, wenn ich merke, wie die auf mich zugerannt kommt und sich vor Freude gar nicht mehr einkriegt, vergesse ich meine schlechte Laune. Und wenn ich dann im Haus bin, ist alles gut."
Nala erobert sogar die Herzen von ängstlichen Bewohnerinnen. So wie das von Lara, die mit großer Angst vor Hunden einzog. "Da war Fingerspitzengefühl gefragt. Und Nala hat da super vorsichtig angefangen, eine Beziehung zu Lara aufzubauen", erinnert sich Nadine Vastering. Nala löst große Gefühle bei den Jugendlichen aus - und zwar gute. Gerade das ist für die Jugendlichen wichtig, denn häufig werden sie von negativen Gefühlen übermannt.
Jeder hat einen anderen Zugang zu Nala und sie für jeden von ihnen eine individuelle Antwort: Bei dem einen fordert sie eher zum Spielen auf, den nächsten lädt sie nur zu einer Kuschelpartie ein, bei dem einen ist das Schwanzwedeln stürmischer, bei dem anderen eher ruhiger. So erkennt Nadine Vasering mittlerweile an Nalas Reaktion, wer gleich die Treppe runterkommen wird.
Traurigkeit verschwindet
Wenn Nate sich traurig fühlt, geht er nach unten in den Wohnbereich und setzt sich auf den Boden. Das ist für Nala das Zeichen, dass ganz viel Nähe gefordert ist, Dann schleckt sie Nate durchs Gesicht. Der genießt das sichtlich: "Wenn ich merke, dass ich gleich weinen muss, gehe ich runter zu Nala. Die merkt sofort, was los ist und ist einfach für mich da. Die sagt nichts oder gibt mir das Gefühl, ich hätte was falsch gemacht - die ist einfach nur da und da kann ich dann gar nicht anders, als mich fallen zu lassen. Und dann ist die große Traurigkeit verschwunden.", erzählt Nate von seinen Erfahrungen.
"Nala ist definitiv die motivierteste Arbeitskraft im Team", sagt Nadine Vastering schmunzelnd. Wenn sie ihr Arbeitsgeschirr angelegt bekommt, verändere sie sofort die Haltung. Für Nala ist dann klar: Jetzt beginnt meine Schicht. Weil sich die Ausbildung darauf konzentriert hat, Nalas natürliche Triebe anzusprechen und sie als Schäferhund gut auf Belohnungssysteme anspringt, fühle sich ihr Arbeitstag immer toll an. "Denn ständig passiert irgendwas, was ihr Spaß macht", sagt Nadine Vastering.
Nach Feierabend freut sich Nadine über einen sehr ausgeglichenen und müden Hund. Das ist auch für das Tier Arbeit und privat darf Nala dann all die Dinge tun, die es auf der Arbeit nicht gibt - wild raufen mit Frauchen Nadine, tief und fest schlafen, beim Spaziergang nach Herzenslust rumstromern: "Da hat der Hirte dann auch mal frei von seinen Schäfchen".
Mehr Geschichten über Tiere im Einsatz in den Wohngruppen gibt es auf "Tiere im Einsatz" (www.caritas-bocholt.de) und in einem Video von Nala und Nate auf Youtube: https://youtu.be/cLZKCnA6BxM