Als Geflüchtete den eigenen Weg gehen
"Etwa drei Viertel der von mir beratenden Asylsuchenden, die um das Jahr 2015 auf der Höhe des ‚Flüchtlingsstroms‘ kamen, hat sich gut integriert", erklärt Ulrike Sterner, Flüchtlings- und Integrationsberaterin der Caritas-Kreisstelle Herrieden. Damit meint sie Geflüchtete, die mittlerweile eine Ausbildung oder Arbeit gefunden haben, eine eigene Wohnung, sich gut auf Deutsch verständigen können und Beziehungen zu Einheimischen pflegen - oder zumindest mehrere solcher Kriterien erfüllen. Diese Asylsuchenden seien in der Regel entweder bereits gut gebildet nach Deutschland gekommen oder sie hätten schnell die Chance bekommen, als junge Menschen in Berufsintegrationsklassen an Berufsschulen teilzunehmen oder an Integrationskursen, weil ihnen eine gute Bleibeperspektive bescheinigt wurde.
Wichtig für eine erfolgreiche Integration ist aus Erfahrung der Caritasberaterin auch, ob es den Betroffenen gelungen ist, sich zumindest zum Teil von der eigenen "Community" - also den eigenen Landsleuten in der neuen Heimat - zu lösen und sich auf die neue Kultur einzulassen. Zu den Menschen, denen dies gelungen ist, gehören die äthiopische Flüchtlingsfamilie von Daratu Nasser Jamal (25) und Ishaq Kheder Fatah (26) mit ihren drei Kindern sowie der 22-jährige Omran Rahma, der in Libyen aufwuchs.
Meister und Studium im Blick
Omran Rahma kam Ende 2014 von Bengasi mit einem Boot nach Italien und von dort in die Gemeinschaftsunterkunft Dietenhofen bei Ansbach. Mit ihm flüchteten seine Mutter, zwei Schwestern, ein Bruder und sieben Neffen. "Damals waren die Schulen in Libyen geschlossen und das Land versank im Bürgerkrieg. Ich wurde auch zweimal mit einem Messer angegriffen", erzählt Omran Rahma. Er ging zunächst auf die Mittelschule, wo er auch Deutschstunden hatte, und machte dann seine Mittlere Reife auf der Wirtschaftsschule. Anschließend absolvierte er eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff und Kautschuktechnik beim Spielwarenhersteller Playmobil. Nächstes Jahr will er in dieser Disziplin seinen Meister machen und arbeitet derzeit dort in seinem erlernten Beruf.
"Omran hatte das Glück, hierherzukommen, als sich noch viele Ehrenamtliche engagierten und auch ihn begleiteten", informiert Ulrike Sterner, ohne damit die Eigenleistung des Geflüchteten schmälern zu wollen. Neben seinem beruflichen Werdegang spielte er in der Freizeit im Dietenhofener Fußballverein und gehörte gleich zwei Musikgruppen an. Inzwischen hat der einstige Asylsuchende eine Niederlassungserlaubnis und will deutscher Staatsbürger werden, "denn ich kann mir nicht mehr vorstellen, woanders zu leben". Nach wie vor hält er Kontakt zu Freunden in Libyen, sieht seine Heimat aber in Deutschland.
Sein Wunsch, so schnell wie möglich auf eigenen Beinen zu stehen, wurde ihm allerdings auch einmal zum Verhängnis, als er in Ansbach ein eigenes Restaurant mit Shisha-Bar eröffnete. Dieses musste er nach einem knappen Jahr wieder schließen. "Da war er zu blauäugig und hatte auch nicht die besten Berater, aber vielleicht war es eine gute Erfahrung für ihn", so Ulrike Sterner. Sie schätzt an Omran Rahma grundsätzlich, "dass er hier seinen eigenen Weg geht". Wenn er nächstes Jahr seinen Meistertitel hat, will er erst einmal ein Jahr "nur" arbeiten und bildungsmäßig pausieren. "Danach möchte ich Betriebswirtschaft studieren."
Auf deutsche Kultur eingelassen
Daratu Nasser Jamal und Ishaq Kheder Fatah gehörten in Äthiopien der Volksgruppe der Oromo an. Diese beklagt eine Unterdrückung durch die äthiopische Zentralregierung. Für ihre Flucht gaben sie in ihrem Heimatland gleich mehrere eigene Geschäfte auf, nachdem sie Gewalt am eigenen Körper erleben mussten. Über Zirndorf kamen sie zunächst nach Ansbach in eine Gemeinschaftsunterkunft. Hier engagierte sich Ishaq Kheder Fatah schnell in einem Ein-Euro-Job, indem er bei einer ortsansässigen Tafel Essen ausgab. Als seine Frau mit dem ersten ihrer drei Söhne schwanger war, wurden sie in die Gemeinschaftsunterkunft Dietenhofen verlegt, wo sie ihre eigene Küche und ihr eigenes Badezimmer hatten. Seit kurzem haben sie ihre erste eigene Wohnung in Windsbach.
"Die Familie hatte es nicht leicht. Ihr wurde keine gute Bleibeperspektive bescheinigt, und sie wurden auch in erster Instanz als Asylbewerber abgelehnt", berichtet Ulrike Sterner. "Erst als es in Äthiopien sowohl zu Corona als auch zur Heuschreckenplage kam, erhielten sie 2020 eine befristete Aufenthaltserlaubnis." Auch an dieser Familie schätzt die Caritas-Mitarbeiterin, dass sie ihren individuellen Weg geht. Nach anfänglicher Unterstützung durch diese haben Daratu Nasser Jamal und Ishaq Kheder Fatah gelernt, selbst Formulare auszufüllen, Kontakte zur Kita ihrer Kinder aufgebaut und gepflegt sowie sich in die Gruppe des Offenen Treffs für Deutsche und Ausländer in Dietenhofen integriert.
Derzeit nehmen die beiden Äthiopier an einem berufsbildenden Deutschkurs teil. Beide streben an, eine Ausbildung in der Krankenpflege zu absolvieren. "Ich will anderen helfen", begründet Ishaq Kheder Fatah, "ich vor allem alten Menschen", so seine Frau. Von der Bevölkerung fühlen sie sich gut aufgenommen. Lediglich, dass sie monatelang auf ihr Kindergeld warten mussten, obwohl sie ihren Antrag fristgerecht eingereicht hatten, hat sie geärgert. Auf die deutsche Kultur hat sich das Paar auch privat eingelassen. "Seitdem es hier ist, pflegt es einen ganz partnerschaftlichen Umgang untereinander mit Gleichberechtigung bei Entscheidungen", freut sich Ulrike Sterner.
Kontakt
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