Auf der Suche nach der Wertschätzung
Jeder kann sich noch daran erinnern, als zu Beginn von Corona für Pflegekräfte vom Balkon geklatscht wurde. Dies sollte eine besondere Wertschätzung für Menschen sein, die in der Pandemie Außerordentliches geleistet haben und es noch immer tun. Für ein paar Tage sicher eine gut gemeinte Geste, auf Dauer wirkt sie jedoch wie Hohn.
Dauerhafte Anerkennung
Bei Wikipedia wird Wertschätzung als die positive Bewertung eines anderen Menschen bezeichnet. Bei Google heiß es: "Wertschätzung ist verbunden mit Respekt, Wohlwollen und drückt sich aus in Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit." Wir alle wünschen uns dies im Umgang miteinander, nicht nur für ein paar Tage vom Balkon, sondern dauerhaft.
Viele Menschen fühlen sich für das, was sie tun, nicht wertgeschätzt. Es gibt Angehörige, die mit Hingabe pflegen, ihren Tagesablauf auf den Kopf stellen, um Arzt- und Therapiebesuche möglich zu machen, die nachts aufstehen und mehrmals Toilettengänge begleiten oder geduldig am Tisch sitzen und Essen eingeben. Für all dies erhalten sie wenig Dank und Anerkennung.
Auch professionell Pflegende in Einrichtungen arbeiten, ohne richtige Anerkennung zu bekommen. Oft hört man Sätze wie: "Toll, dass du das machst, aber ich könnte das nicht." Wenn es dann bei Vater oder Mutter so weit ist, wächst man als Angehöriger über kurz oder lang aber doch in das Metier Pflege hinein: nicht weil man es will, sondern weil man muss!
Gesellschaft und Politik sind gefordert, echte Reformen in der Pflege umzusetzen und das Bild der Pflege positiv zu gestalten. Auch wenn die Politik schon Schritte in die richtige Richtung gegangen ist - etwa mit der Verpflichtung, Pflegekräfte nach Tarif zu bezahlen - muss es weitere Verbesserungen geben. Als Stichpunkte seien genannt eine vergleichbare und gerechte Bezahlung, ein fairer Stellenschlüssel, Abbau unnötiger Bürokratie, Begehungen und Prüfungen auf Augenhöhe, Ausbau der Digitalisierung sowie mehr Eigenverantwortlichkeit für Pflegende.
Nicht die Lust auf "Mehr" nehmen
Die Pflege macht oft den Fehler, jungen Menschen, die sich für eine Ausbildung interessieren, bereits bei Probearbeiten die Lust auf "Mehr" zu nehmen. Statt Bewohnerinnen und Bewohner oder Patientinnen und Patienten erst einmal kennenzulernen, darf es gleich frühmorgens Körperpflege oder ein Toilettengang sein. Schließlich "muss man denen mal zeigen, wie arbeiten geht". Dabei hat die Pflege viel mehr zu bieten und besteht zu einem Großteil aus Beratung, Organisation des Tagesablaufes, Medikamentenmanagement … Wenn wir die Pflege nicht in ihrem umfassenden Sinn verstehen und leisten, werden wir uns auch künftig ängstlich fragen müssen: "Wer pflegt uns einmal? Und mit welcher Wertschätzung?