Notbremse vor der Gefängnistür
Seit 2010 helfen 14 Anlaufstellen Straffälligen bei ihrer Geldverwaltung: 8110 gesparte Hafttage und mehr als eine Million Euro an die Staatskasse gezahlte Geldstrafen sind die positive Bilanz der ersten neun Monate. Das Land Niedersachsen fördert finanziell, Caritas und Diakonie stellen Mitarbeiter. 15 Monate saß Daniel S. (Name geändert) im Gefängnis. Dabei war er ursprünglich gar nicht dazu verurteilt. Der ehemals selbstständige Maler war seiner Unterhaltspflicht nicht nachgekommen. Das Urteil: sechs Monate auf Bewährung und eine Geldstrafe. Mit der Staatsanwaltschaft handelte er zunächst eine Ratenzahlung von rund 400 Euro im Monat aus.
Doch wie es so ist als Selbstständiger: Für einige Zeit blieben die Aufträge aus, das Geld wurde knapp. Auf eine niedrigere Rate ließen sich die Richter nicht ein, am Ende stand: Gefängnis. "Es kann doch nicht sein, dass ein Mensch, der eigentlich gar nicht zu einer Haftstrafe verurteilt ist, am Ende längere Zeit im Gefängnis sitzt", sagt Burkhard Teschner vom Diakonischen Werk. Er leitet in Osnabrück das Projekt "Geldverwaltung statt Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen". Allein hier schicke die Staatsanwaltschaft jährlich rund 3000 Ladungen an säumige Zahler. Die Menschen, die zu ihm und seinen Mitarbeitern kommen, sind bunt gemischt: Selbstständige, Arbeitslose, Paare oder Getrenntlebende. "Auffallend ist, dass die Menschen nicht einer bestimmten Schicht angehören, sondern das breite Bild der Gesellschaft abbilden", so Teschner.
Ergebnis: Vorwiegend positiv
Allein in Osnabrück begleitete er in den ersten neun Monaten 153 Männer und Frauen. In dieser Zeit wurden 1268 Hafttage und die damit verbundenen Kosten eingespart und zugleich mehr als 19 000 Euro von den Verurteilten an die Staatskasse gezahlt.
Die Idee des 2007 von Axel Zuber (Anlaufstelle für Straffällige in Delmenhorst) im Modell entwickelten Projekts ist simpel: Ein Verurteilter tritt sein Einkommen ab, Mitarbeiter der Anlaufstellen sorgen dafür, dass die Raten der Geldstrafe pünktlich gezahlt werden und dem Verurteilten anschließend der Rest des Geldes ausgehändigt wird. Damit sollen sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen verhindert werden, die denen drohen, die nicht zahlen. Die Anlaufstellen machen überwiegend positive Erfahrungen. In Lingen ist die Geldverwaltung beim SKM angesiedelt. "Viele Männer und Frauen, die zu uns kommen, fühlen sich allein von den Schriftwechseln mit den Gerichten überfordert", sagt die Sozialarbeiterin Julia Gebbeken. Die Geldverwaltung für Verurteilte ist ein neues Angebot der Anlaufstellen. Die Dienste der Finanzverwaltung nehmen jedoch weit mehr Menschen in Anspruch als nur Verurteilte. "Einige Sozialhilfeempfänger oder Wohnungslose haben generell Probleme, sich ihr Geld einzuteilen, und holen sich daher bei uns täglich oder wöchentlich Raten ab", sagt Gebbeken. So werden Schulden, Kontosperrungen - oder gar Geldstrafen - von vornherein verhindert.
Dabei sind auch Ehrenamtliche wichtig. Sie helfen den Betroffenen, den Überblick über ihr Geld zu behalten, und haben dazu immer ein offenes Ohr für die Nöte der Menschen.
Weitere Informationen zum Projekt gibt es unter www.die-anlaufstellen.de