Mal Urlaub im Hotel
im advent hörte Niels Bytomski, Chef des Hotels Bellevue im niedersächsischen Bad Sooden-Allendorf, vom Caritas-Spendenaufruf im Radio und sagte sich: Da mach’ ich mit. Bytomski hat selber wenig Geld, sein Hotel schreibt rote Zahlen. Deshalb macht er der Caritas ein ungewöhnliches Angebot: Ich bin zwar nicht das Hilton, sagt er. Aber ich spende eine Woche Urlaub für arme Kinder. In meinem Hotel, in der Saure-Gurken-Zeit.
Marie-Theres Waning-Ernst, Leiterin der Heilpädagogischen Tagesstätte St. Raphael in Duderstadt, greift sofort zu. Kinder und Jugendliche, deren Eltern kein Geld haben, ihnen Ferien zu bezahlen, gibt es viele. Nur: Ihre sind behindert, der vierjährige Leon ein Rollikind.
Egal, es wird gehen. Niels Bytomski steht am Bahnhof seines Kurortes und holt die bunt gemischte Gruppe ab. 13 Kinder und Jugendliche plus sieben Betreuer, das jüngste Kind drei Jahre alt. Leons Kinder-Rollstuhl passt in den Fahrstuhl des Hotels. Die beiden Kleinsten schlafen bei den Erzieherinnen im Bett. "So richtig barrierefrei war das Hotel nicht", sagt Waning-Ernst. "Aber es hat prima funktioniert. Und die Kinder waren begeistert."
Monate später frage ich die Teilnehmer, wie es war. "Eigenes Bad", schwärmt Maike (11). "Der Wald", strahlt Uwe (9). Hotel und Wald? "Na Bewegung", sagt Waning- Ernst. Das ist das Wichtigste. "… Schnitzeljagd", sagt Rico (15). Er sagt das nicht so flüssig, ist ja auch ein schweres Wort. Rico hat Wortfindungsstörungen, er ist aufgeregt, er kennt mich ja nicht. Aber die Sache mit dem Waldschrat muss er jetzt erzählen. Den hat die ganze Gruppe gesucht, und nachts träumte Rico von einem unheimlichen, riesigen Wesen. Mag ja stimmen, dass es keine Waldschrate gibt, aber sein Traum war echt.
"Unsere Kinder sind wunderbar", sagt Waning-Ernst, "aber nicht alle Menschen haben Verständnis dafür, dass sie nicht so gut sprechen können." Wie sehen "die" aus, wie sprechen die, wie benehmen die sich? "Und sonst?", frage ich die Kinder. "Essen gut", sagt Uwe. Waning-Ernst lacht. Die Kinder hätten die Türen zu ihren Zimmern einfach offen gelassen, und im Hotelflur standen zig Paar Gummistiefel. Wie bei den sieben Zwergen.
Das Hotel sponserte Kost und Logis, die Kurverwaltung stiftete die Kurtaxe, Busbenutzung und Gratiskarten fürs Schwimmbad. Nicht zu vergessen: Mali, der Hotelhund. "Mit dem sind wir immer Fahrstuhl gefahren", erinnert sich Adrian (14). Auch ohne, sagt Waning-Ernst. Kein Kind war sauer, weil seine Eltern arm sind. Alle genossen die Zugreise. Sie wären auch mit einer Jugendherberge glücklich gewesen. Sie freuen sich schon auf die nächste Reise. Schade, das Hotel Bellevue hat es wirtschaftlich nicht geschafft. Aber vielleicht meldet sich ja die Geschäftsführerin der Hotel-Hilton-Holding. "Auch Mallorca wäre toll", sagt Marie-Theres Waning- Ernst.