Wie Caritas 270 Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integriert
Wie können Geflüchtete gut und nachhaltig in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden? Das Caritas-Projekt BEGIN hat inzwischen 270 Menschen vermittelt. Drei von ihnen erzählen, wie das gelungen ist und was es dazu braucht.
KHANZAD HUSSEIN: Bloß keine Zeit verschwenden
Khanzad Hussein kennt sich aus mit Neuanfängen. Ende 2015 hat die Kurdin mit ihrem Mann und ihrer damals vierjährigen Tochter den Irak verlassen. Erst leben sie in Finnland, dann ziehen sie nach Berlin. Dort lernt die 34-Jährige in kurzer Zeit so gut Deutsch, dass sie alle Termine ohne Dolmetscher wahrnehmen kann. "Ich fange immer direkt mit der Sprache an", sagt sie energisch. Ihr Lebensmotto: Bloß keine Zeit verschwenden! Als es auf die Schnelle zu kompliziert ist, in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester zu arbeiten, malochte sie 18 Monate als Servicekraft im Krankenhaus. Ihr erster Schock: der Berliner Dialekt ihrer Kolleginnen. "Ich habe am Anfang kein einziges Wort verstanden", sagt sie. Dann zieht die inzwischen fünfköpfige Familie nach Frankfurt. Dort stößt die Kurdin bei der Suche nach qualifizierter Beratung auf das Caritas-Projekt "BEGIN – Begleitung und Empowerment von Geflüchteten in nachhaltige Integration". Der Plan aber, wegen der Kinder eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren, zerschlägt sich. Deswegen malt ihre Beraterin Nana Klietsch verschiedene Kliniken an, um Khanzad Hussein in einen Lehrgang zur Berufsanerkennung zu vermitteln. Das gelingt. Seit Januar arbeitet sie in einem Krankenhaus als Gesundheits- und Krankenpflegerin in Anerkennung. Vieles ist neu hier, zum Beispiel die Begleitung und Pflege von Patienten. "Das machen bei uns im Irak die Familien." Einfach ist es nicht. Ein Hortplatz für die Tochter fehlt, wie so vielen Familien. Und wenn sie Spätdienste hat, "sehe ich meine Kinder manchmal drei Tage lang nicht". Das schmerzt sie. Ihr Mann betreut aktuell die Kinder. Und sucht ebenfalls über BEGIN eine berufliche Perspektive. In Nana Klietsch hat er dieselbe Beraterin - zur Freude seiner Frau. "Sie hat immer so gute Ideen und arbeitet mit dem Herzen", lobt die Kurdin. In die Freude über das Erreichte mischen sich bei Khanzad Hussein aber auch dunklere Töne. Das Leben sei in Deutschland für alle schwer geworden. "für uns aber doppelt schwer". Sie spricht von Heimweh und einem "unsicheren Gefühl". Trotzdem gehe es weiter, sagt sie und bekräftigt das mit einem beherzten: "Läuft!"
Heven Tesfalem macht eine Ausbildung bei einer Frauenärztin.Jochen Reichwein
HEVEN TESFALEM: Traumberuf Hebamme
Die junge Frau aus Eritrea strahlt: Heven Tesfalem weiß, dass sie stolz auf sich sein kann. Als sie 2017 nach Frankfurt kommt, hat sie keinen Schulabschluss und spricht kein Wort Deutsch. Jetzt steht sie vor dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten. Ohne Unterstützung wäre sie nicht an diesem Punkt, weiß Tesfalem. Zwei Menschen ist sie dafür besonders dankbar. Sie ist erst kurz in der Stadt, als ihr jemand die Visitenkarte von Sandy Lehmann von der Caritas Frankfurt in die Hand drückt. Lehmann, heute Projektleiterin von BEGIN, begleitet die Eritreerin damals zum Hauptschulabschluss und bei der Suche nach der richtigen Ausbildung. Ihren Traumberuf Hebamme anzustreben, erweist sich als unrealistisch. Dank Sandy Lehmanns intensiver Vermittlung ergattert sie bei einer Frauenärztin aber eine Ausbildungsstelle. Dort startet sie mit einem Minijob und absolviert parallel den B2-Dentschkurs; inzwischen begleitet von Abena Bernasko. Diese ist Ausbildungscoaching bei Kubi (Gesellschaft für Kultur und Bildung gGmbh), einem Projektpartner von BEGIN. "Sie ist immer erreichbar und immer für mich da", beschreibt Heven Tesfalem den besonderen Beistand. Die erste Zeit in Praxis und Berufsschule ist herausfordernd. "Ich hatte Angst, etwas falsch zu machen", sagt sie rückblickend. Inzwischen schreibt sie an der Berufsschule aber nur noch gute Noten. Und noch besser: Die Frauenärztin wird sie übernehmen, sobald sie die Abschlussprüfung geschafft hat. Entsprechend aufgeregt ist sie.
Für die Zeit danach hat Heven Tesfalem schon Pläne. "Vielleicht qualifiziere ich mich weiter", überlegt sie. Frankfurt, wo auch ihre Mutter und ihr Bruder leben, ist für sie zur "zweiten Heimat" geworden. Fremd fühlt sie sich hier nicht mehr.
Yaroslav Kharkevytch will es anderen Geflüchteten einfacher machen.Jochen Reichwein
YAROSLAV KHARKEVYTCH: Hürdenlauf im Behördenparcours
"Bleiben, gehen, bleiben, gehen – und wenn ja, wohin?" Nach einem halben Jahr quälender Unschlüssigkeit flieht Yaroslav Kharkevytch im November 2022 mit seiner Frau aus dem ukrainischen Saporischschja nach Deutschland. Kharkevytch hat orthodoxe Theologie studiert und in seiner Heimat Unternehmen beraten. Jetzt arbeitet der 33-Jährige halbtags bei der Caritas Frankfurt als Sozialassistent in einer Unterkunft für geflüchtete und obdachlose Menschen. Dazwischen lag eine schwierige Zeit. Direkt im Anschluss an seinen letzten Deutschkurs startet der Diplom-Theologe die Arbeitssuche. "Ich wollte im sozialen Bereich arbeiten", sagt er. Im Internet stößt er auf BEGIN. Der erste Plan, ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren, scheitert am fehlenden Platz. In einem der nächsten Treffen präsentiert ihm seine Beraterin dann eine Stellenausschreibung in eigenen Haus. "Sie hat mit mir die Bewerbungsunterlagen erstellt und das Vorstellungsgespräch vorbereitet", erzählt Kharkevytch.
Dass er sich an dieser Arbeitsstelle genau am richtigen Ort fühlt, liegt an seinen eigenen Erfahrungen: "Ich weiß, wie es Geflüchteten geht, wenn sie nach Deutschland kommen." Es ist ja nicht lange her, dass er selbst vor den vielen Hürden für ausländische Neuankömmlinge stand. Allein um ein eigenes Bankkonto einzurichten, habe er vier mühsame Anläufe gebraucht, erinnert er sich. Es anderen Menschen in derselben Situation einfacher zu machen, das treibt ihn an. Dafür nimmt er auch täglich drei Stunden Hin- und Rückweg quer durch Frankfurt in Kauf.
Etwas mehr als zwei Jahre nach ihrer Ankunft leben er und seine Frau in einer Mietwohnung. "Jetzt sind wir ganz normale Leute, die Steuern zahlen und keine Sozialhilfe beziehen." Beide haben vor allem in ihrer Kirche gute Freunde gefunden, in Wiesbaden engagiert er sich ehrenamtlich als Diakon. Rückblickend ist Kharkevytch dankbar: der Frankfurter Gastfamilie, bei der das Ehepaar die ersten Monate lebte, der Caritas, BEGIN und seinen neuen Kolleginnen, die ihn "jede Minute" unterstützten.
So funktioniert BEGIN
Mit einem starken Netzwerk begleitet die Caritas Frankfurt Geflüchtete in den Arbeitsmarkt: An dem Projekt BEGIN (Begleitung und Empowerment von Geflüchteten in nachhaltige Integration) sind unter der Leitung von Sandy Lehmann sieben Projekt- und 15 Kooperationspartner beteiligt. Sie beraten, begleiten bei Qualifizierungen, helfen bei der Anerkennung von Bildungsabschlüssen und bei der Ausbildungs- und Arbeitssuche. Seit dem Start im Oktober 2022 hat das Projekt über 600 Teilnehmer:innen aus 20 Nationen erreicht. 64 Prozent der Teilnehmenden, die das Projekt bereits wieder verlassen haben, konnte das Team um Sandy Lehmann in Ausbildung und Arbeit vermitteln. BEGIN wird über den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) gefördert und durch das Frankfurter Arbeitsmarktprogramm über die FRAP Agentur kofinanziert.