Zwölf Forderungen zur Bundestagswahl
Die finanziellen Kosten der Corona-Pandemie werden den Handlungsspielraum der öffentlichen Kassen deutlich schmälern. Das erhöht den Reformdruck im Gesundheitswesen, der sich im Krankenhausbereich derzeit in einem ungeregelten Strukturwandel entlädt.
Reformen sind nötig, aber sie müssen sich am Versorgungsbedarf der Patientinnen und Patienten orientieren. Die Menschen haben Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse und den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung unabhängig von ihrem Wohnort. Die Daseinsvorsorge muss gesichert werden. Dies zu gewährleisten ist der gemeinsame Auftrag von Politik und Gesundheitswesen.
Der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) hat Positionen zur Bundestagswahl formuliert. Der Verband vertritt 283 Krankenhäuser in katholischer Trägerschaft. Dies ist die größte Gruppe unter den freigemeinnützigen Kliniken in Deutschland.
Das Wirken der katholischen Krankenhäuser stützt sich auf die Grundprinzipien der katholischen Soziallehre: Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl. Sie fühlen sich in besonderem Maße einer umfassenden, ganzheitlichen Sorge um den Menschen verpflichtet. Das christliche Menschenbild und der Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung für die nachfolgenden Generationen leiten ihr Handeln.
Pflege
1. Arbeitsbedingungen verbessern: Den katholischen Krankenhäusern liegt die Pflege besonders am Herzen. Viele von ihnen wurden durch Pflegeorden gegründet. Um die Pflege zu stärken, müssen die Arbeitsbedingungen spürbar verbessert werden. Ein schneller Ausbau der Aus- und Weiterbildung sowie der Akademisierung ist nötig. Zudem sollten Pflegefachkräfte heilkundliche Tätigkeiten künftig eigenverantwortlich ausüben.
2. Personaluntergrenzen ersetzen: Die Personalsituation in der Pflege bleibt angespannt. Daher ist wichtig, den Einsatz des Pflegepersonals mit einem praxistauglichen, flexiblen Instrument zu bemessen. Die starren, bürokratischen Pflegepersonaluntergrenzen werden dem nicht gerecht. Nötig ist eine wissenschaftliche Pflegepersonalbemessung, die sich am tatsächlichen Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten orientiert. Bis dahin sollte die von Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG), Deutschem Pflegerat und Verdi entwickelte "Pflegepersonal-Regelung 2.0" (PPR 2.0) angewendet werden.
Gemeinwohl
3. Daseinsvorsorge sichern: Praxissterben, Facharztmangel oder ungesteuerte Krankenhausschließungen gefährden die gesundheitliche Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen. Doch gerade für ältere Menschen und junge Familien ist wichtig, dass es hier ein Krankenhaus in erreichbarer Nähe gibt. Die Grund- und Regelversorgung muss daher innerhalb einer Fahrtzeit von maximal 30 Minuten wohnortnah erreichbar sein. Für speziellere Versorgungsangebote ist ein größerer Radius vertretbar.
4. Freigemeinnützige Träger stärken: Die freigemeinnützige Trägerschaft ist innovativ und ein Zukunftskonzept. Hier gehen nachhaltiges Wirtschaften und Patientenorientierung an vielen Orten Deutschlands Hand in Hand. Gleichzeitig werden innovative Versorgungskonzepte entwickelt und vorangetrieben, auch wenn ihre Finanzierung noch nicht über die Regelversorgung gesichert ist. Daher ist es notwendig, die Trägervielfalt und freigemeinnützige Akteure zu stärken.
Strukturreformen
5. Regional planen: Der Versorgungsbedarf ist regional sehr unterschiedlich. Vor Ort sind bereits viele tragfähige Modelle entstanden, in denen niedergelassene Ärztinnen/Ärzte und örtliche Krankenhäuser eng zusammenarbeiten. Bundesweit einheitlich vorgegebene Strukturen und Konzepte, beispielsweise für "Integrierte Notfallzentren", gefährden diese erfolgreichen Kooperationen. Die Planungshoheit muss auch zukünftig allein bei den Ländern liegen. Subsidiarität ist ein bewährtes Prinzip.
6. Intelligent umstrukturieren: Übersteigertes Effizienzstreben und Marktlogik dürfen nicht wichtiger werden als Patientenorientierung und die Daseinsvorsorge vor Ort. Nicht jeder Klinikstandort wird in den kommenden Jahren noch gebraucht, doch einen Kahlschlag in der Krankenhauslandschaft lehnen wir ab. Spezialisierung ist auch in einem Netzwerk mehrerer Kliniken möglich, wenn sich jedes Haus auf seine Stärken konzentriert. So vorzugehen sorgt für eine gute Behandlungsqualität und reduziert gleichzeitig Doppelkapazitäten.
7. Versorgung vernetzen: Die starren Sektorengrenzen zwischen "ambulant" und "stationär" müssen endlich überwunden werden. Sie produzieren Reibung, und es entstehen Lücken in der Versorgung. In unterversorgten Regionen könnten Kliniken den Sicherstellungsauftrag übernehmen. Auch sind sie bereit, mehr ambulante Leistungen zu erbringen. Dafür sind jedoch gesetzliche Veränderungen und eine angepasste Finanzierung nötig, beispielsweise mit einem DRG1 -Tagessatz für "tages- stationäre Leistungen"
Finanzierung
8. Fallpauschalen reformieren: Da die Länder nicht genügend Investitionsmittel bereitstellen, geraten Krankenhäuser mit niedrigen Fallzahlen schnell in Existenznöte. Das System der Krankenhausfinanzierung benötigt eine Reform. Es sollte um fallunabhängige Basis-Pauschalen für die Vorhaltung von Personal und Infrastruktur ergänzt werden. Dies ist notwendig, um langfristig die flächendeckende Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
9. Digitalisierung vorantreiben: Die Kliniken brauchen eine solide Infrastruktur, damit die Digitalisierung in der Fläche ankommt. Dafür ist eine langfristige Finanzierung als Teil der Regelfinanzierung unverzichtbar. Denkbar ist ein Digitalisierungszuschlag von zwei Prozent auf alle Krankenhausrechnungen. Mehr Digitalisierung bietet große Potenziale für die Versorgung, gleichzeitig muss die IT-Sicherheit wirksam geschützt werden. Das Förderprogramm des Krankenhauszukunftsgesetzes reicht nicht aus, um hier nachhaltige Fortschritte zu erzielen.
10. Klimaschutz ausbauen: Die Bewahrung der Schöpfung und generationengerechtes Handeln gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit. Dazu müssen alle beitragen. Krankenhäuser sind rund um die Uhr geöffnet. Mit intelligenten Lösungen können sie Energie sparen und effizienter einsetzen. Auch bei der Beschaffung, Verpflegung und Mobilität ist mehr Klimaschutz möglich. Dafür sind Investitionen erforderlich, die die Kliniken nicht ohne Fördermittel stemmen können. Die Klimaschutz-Förderung für Krankenhäuser sollte ausgebaut werden.
Psychiatrie
11. Moderne Behandlungskonzepte fördern: Die neuen Mindestvorgaben für den Personaleinsatz in der Psychiatrie und Psychosomatik bilden moderne Versorgungskonzepte nicht ab. Zugleich wachsen mit ihnen die Bürokratieanforderungen der Krankenkassen ins Uferlose. Die Patientinnen und Patienten mit ihren individuellen Bedarfen werden so in den Hintergrund gedrängt. Daher ist es notwendig, diese Vorgaben durch eine neue, flexiblere Regelung zu ersetzen. Die Sanktionen sind so auszugestalten, dass sie verhältnismäßig sind und Kliniken nicht in Existenzgefahr bringen.
Rehabilitation
12. Tariflöhne anerkennen: Die multiprofessionellen Teams in den Reha-Einrichtungen haben einen Anspruch auf faire Löhne. Damit Reha-Einrichtungen diese zahlen können, müssen künftig Personalkosten auf Tarifniveau refinanziert werden. Auch ist die Stärkung des Wahlrechts der Versicherten für eine Reha-Einrichtung nötig. Die souveräne Entscheidung von Patientinnen und Patienten für eine qualifizierte Einrichtung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Krankenkasse sie ausschließlich zur Kosteneinsparung einem anderen Reha-Anbieter zuweist.
Anmerkung
1. Diagnosis Related Groups (DRG) - pauschalisierende Abrechnung von Leistungen in Krankenhäusern nach Fallkategorien.
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