Nachgefragt
Die coronabedingten Lockdowns haben auch in Caritas-Einrichtungen Betriebsschließungen zur Folge gehabt. Die neue caritas hat Claudia Held, Leiterin des Unternehmensbereichs Schaden beim Versicherungsmakler Ecclesia, zu Betriebsschließungsversicherungen befragt.
Schon im Frühjahr 2020 wurden Alten und Pflegeheime, Pflegedienste, Sozialstationen und andere soziale Einrichtungen bis hin zu Kitas per Allgemeinverfügung von den Behörden geschlossen. Seitdem macht das Wort Betriebsschließungsversicherung die Runde. Was ist das überhaupt?
Die Betriebsschließungsversicherung tritt grundsätzlich dann ein, wenn in einem Betrieb oder einer Einrichtung eine Infektionskrankheit ausgebrochen ist und damit verbunden eine angeordnete Betriebsschließung oder Teilschließung einhergeht. Der Versicherungsschutz erstreckt sich dann auf Einnahmeausfälle und Mehrkosten, die durch diese Maßnahmen entstehen -, insbesondere durch eine Schließung, eine Teilschließung, eine Schließung aufgrund von Tätigkeitsverboten und eine Kohortenisolation.
Woher weiß die Unternehmensleitung, dass eine solche Versicherung besteht?
Die eigenen Versicherungsunterlagen geben darüber Auskunft. Zahlreiche kleinere Caritas-Sozialstationen und andere Einrichtungen können aber auch über Sammelverträge versichert sein, die für einen Diözesan-Caritasverband, einen Fach- oder Ortsverband eingekauft wurden. Die für Versicherungen zuständigen Ansprechpartner des jeweiligen Verbandes können zum bestehenden Versicherungsschutz Auskunft geben. Zudem kann dies auch mit der jeweiligen Versicherungsbetreuung geklärt werden. Denn Betriebsschließungs- beziehungsweise Betriebsunterbrechungsversicherungen gibt es nicht nur für den Infektionsschutz, sondern auch bei Betriebsunterbrechungen etwa durch Feuer- oder Leitungswasserschäden. Hier gilt es genau hinzusehen, für welche dieser Risiken Versicherungsschutz eingekauft wurde.
Schließt eine Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit Infektionsschutz die Schließung wegen Corona ein?
Das hängt von den Versicherungsbedingungen ab und ist momentan Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren. Hierbei geht es regelmäßig um die Frage, ob die Versicherungsbedingungen etwa wegen einer Aufzählung der Erreger als abschließend zu verstehen sind oder ob auch noch unbekannte Erreger mitversichert sind. Unsere Kunden verfügen regelmäßig über ein exklusives Spezialprodukt mit sogenannten Öffnungsklauseln, das auch neue, gefährliche Erreger wie das Coronavirus (SARS-CoV-2) in den Versicherungsschutz einschließt -, auch wenn sie nicht namentlich im Infektionsschutzgesetz aufgeführt werden.
Gilt der Versicherungsschutz auch dann, wenn ein Betrieb per Allgemeinverfügung geschlossen wird?
Das ist ein weiterer strittiger Punkt zwischen den Versicherern und unseren Kunden. Wir vertreten gegenüber den Versicherern die Auffassung, dass nicht nur dann Versicherungsschutz besteht, wenn ein konkretes Ausbruchsgeschehen in einer Einrichtung vorliegt, sondern auch dann, wenn die behördliche Anordnung der Schließung vorsorglich zur Vermeidung der Ausbreitung der Infektion erfolgt. Ein Gutachten einer renommierten Kanzlei bestätigt uns darin. Mittlerweile gibt es auch erste Gerichtsurteile, die zum gleichen Schluss kommen. Allerdings ist hier eine klare Linie noch nicht zu erkennen. Erwartungsgemäß haben die Versicherer Berufung gegen die für sie negativen Urteile eingelegt.
Was sagt die aktuelle Rechtsprechung genau aus?
Bislang verklagen zumeist Gastronomen ihre Versicherer auf Zahlungen aus der Betriebsschließungsversicherung, weil ihre Betriebe per Allgemeinverfügung von Behörden geschlossen worden sind. Von Bedeutung sind in dem Zusammenhang insbesondere zwei - derzeit noch nicht rechtskräftige - Entscheidungen des Landgerichts München I (Urteil vom 1. Oktober 2020, Az. 12 O 5895/20; Urteil vom 22. Oktober 2020, Az. 12 O 5868/20). In beiden Fällen war es für das Gericht ohne Belang, dass Covid-19 nicht im jeweiligen Betrieb selbst aufgetreten war. Nach den allgemeinen Versicherungsbedingungen sei allein maßgeblich, dass der Betrieb aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen wurde. Neueste Entscheidungen des Landgerichts Darmstadt stützen diese Auffassung (LG Darmstadt, Urteil vom 14. Januar 2021 - 28 O 130/20 und Urteil vom 10. Februar 2021 - 26 O 296/20). Auch hier war es für das Gericht ausreichend, dass die jeweiligen Betriebe aufgrund einer Allgemeinverfügung beziehungsweise einer Rechtsverordnung geschlossen wurden, um den Versicherungsschutz zu begründen. Des Weiteren befassen sich Gerichte regelmäßig mit der - bereits zuvor erwähnten - Auslegung von Standardversicherungsbedingungen, bei denen strittig ist, ob SARS-CoV-2 davon gedeckt ist.
Kann eine solche Betriebsschließungsversicherung jetzt noch abgeschlossen werden?
Der Erst- und Rückversicherungsmarkt hat auf die Pandemie mit einem Neugeschäftsstopp reagiert. Zahlreiche Versicherer haben mittlerweile Covid-19 in ihren Bedingungen ausgeschlossen, auch Epidemien und Pandemien werden nicht mehr mitversichert. Das Gleiche gilt für Schließung per Allgemeinverfügung. Hier gilt der alte Grundsatz: Wenn das Haus schon brennt, kann auch keine Feuerversicherung mehr abgeschlossen werden.
Die zweite Infektionswelle ist gekommen. Löst eine erneut angeordnete Betriebsschließung einen weiteren Leistungsanspruch aus?
In der Regel sehen die Versicherungsbedingungen vor, dass die zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt wird, wenn eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet wird und die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen beruhen. Aber ob Schadenfälle durch die zweite Covid-19-Infektionswelle noch auf den gleichen Umständen beruhen wie Fälle aus der ersten Welle im Frühjahr, kann kontrovers diskutiert werden. Die Versicherer haben sich hierzu bisher noch nicht abschließend positioniert. Wir empfehlen, sowohl bei Schließungen im konkreten Zusammenhang mit einer Infektion als auch bei Schließungen aufgrund mehrfacher Allgemeinverfügungen, den Schaden zu melden. Das gilt auch für Versicherungsnehmer, die bereits im Zusammenhang mit dem Erhalt einer Kulanzzahlung eine Abfindungserklärung unterzeichnet haben. Zu einem späteren Zeitpunkt kann sich gegebenenfalls vor Gericht herausstellen, dass diese Erklärung unwirksam ist. Derzeit ist aber davon auszugehen, dass mit der Unterzeichnung der Abfindungserklärung wirksam auf alle weiteren Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag verzichtet wird.
Wie geht es weiter, wenn ein bestehender Vertrag einer Betriebsschließungsversicherung ausläuft?
Die Verträge sind in der Folge der Pandemie für die Gesundheits und Sozialwirtschaft durch die Assekuranz gekündigt worden. Das betrifft zunächst die Verträge, die zum Jahreswechsel 2020/2021 ausgelaufen sind. Verträge, die bis weit in dieses Jahr oder gar bis zum 1. Januar 2022 laufen, werden von den Versicherern selbstverständlich unter Berücksichtigung der obigen Diskussionen bis zum Ablaufdatum erfüllt. Bei neuen Betriebsschließungsversicherungen sind der Erreger SARS-CoV-2 im Zusammenhang mit Allgemeinverfügungen sowie eine Pandemie nicht mehr zu versichern. Das ist die Konsequenz aus der Covid-19-Pandemie. Davon abgesehen bieten wir für das Sozial- und Gesundheitswesen Lösungen, die das Absicherungsbedürfnis abbilden.
Gilt dies alles auch für Krankenhäuser?
Für Krankenhäuser ergeben sich - ungeachtet der Frage, ob für die Verschiebung von elektiven Operationen Versicherungsschutz besteht - weitere Diskussionspunkte durch das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz und das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Die Versicherer argumentieren, dass den Krankenhäusern gar kein finanzieller Schaden entstanden sein könne, da im Rahmen des Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetzes Ausfälle wegen verschobener planbarer Operationen und Behandlungen durch auskömmliche Pauschalen kompensiert wurden. Wir widersprechen dieser pauschalen Aussage. Es kommt auf die jeweilige Ausrichtung der Klinik an und damit auf die individuelle Situation im Schadensfall. So gibt es zwar sicherlich Krankenhäuser, deren Umsatzausfälle und Mehrkosten durch diesen Rettungsschirm ausreichend kompensiert werden. Jedoch reichen die öffentlichen Leistungen zum Beispiel in einigen Einrichtungen mit hoher Spezialisierung oder hohem ambulanten Behandlungsanteil nicht aus, um die Erlöseinbußen und Mehrkosten vollständig aufzufangen, so dass hier unserer Rechtsauffassung zufolge eine Eintrittspflicht der Versicherer besteht. Zudem vertreten die Risikoträger den Standpunkt, dass mit dem am 18. September 2020 beschlossenen Krankenhauszukunftsgesetz eine weitere finanzielle Ausgleichsmöglichkeit für Krankenhäuser durch den Staat geschaffen worden sei. Auch hier widersprechen wir und meinen, dass ein Restschaden bei einigen Krankenhäusern verbleiben wird und sich die Versicherer dieser Thematik annehmen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung bezüglich der Anrechenbarkeit von Kompensationsleistungen aus beiden Gesetzen positioniert und ob Urteile aus der Gastronomie etwa ohne weiteres auf Krankenhäuser übertragbar
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