Kommunalisierung der sozialen Beratung birgt Konflikte
In den Jahren vor 2014 waren Unterbringungsplätze für Flüchtlinge in Bayern deutlich abgebaut worden, weil die Nachfrage zu gering war. Die erhöhten Zuzüge ab 2014 bedeuteten, dass wieder deutlich mehr Kapazitäten sowohl in Gemeinschafts- als auch Erstaufnahmeeinrichtungen benötigt wurden. Verantwortung für die Unterbringung hat seit jeher der Freistaat Bayern, der er auch mit großer Anstrengung nachzukommen versucht. Die Suche nach Orten der Unterbringung gestaltete sich zu dieser Zeit aber schon sehr schwierig, weil die Akquise und Eröffnung von Unterkünften oft an massiven lokalen Widerständen scheiterten.
Sowohl die Asylsozialberatung in den Gemeinschaftsunterkünften als auch die Asylsozial- und -verfahrensberatung in den Erstaufnahmeeinrichtungen haben traditionell schon immer die freien Wohlfahrtsverbände im Sinne des Subsidiaritätsgedankens übernommen. Diese Beratung wurde durch Mittel des Freistaats Bayern gefördert. Viele Kommunen hatten in der Vergangenheit an dieser Arbeit insofern wenig Interesse gezeigt, als nicht in allen Landkreisen und Städten Gemeinschaftsunterkünfte existierten. Zudem war für deren Betrieb ohnehin der Freistaat zuständig, und fast überall wurde Asylsozialberatung angeboten.
Durch den hohen Anstieg der Zahl der Asylsuchenden in den Jahren 2015/16 wurden die Unterbringungsbehörden dann vor schier unüberwindbare Herausforderungen gestellt. Deshalb nahmen sie nun dezentral die Kommunen in die gesetzliche Pflicht, Flüchtlinge aufzunehmen. Damit waren bald alle Gebietskörperschaften von der Unterbringung von Schutzsuchenden betroffen. Verbunden mit der Übertragung dieser Aufgabe war aber auch ein Versprechen des Landes, die nötige Asylsozialberatung durch die Wohlfahrtsverbände sicherzustellen, damit sowohl die unabhängige Beratung und Betreuung als auch der soziale Friede gesichert sind.
Die Arbeit der Verbände erfordert mehr Mittel
Der Freistaat hat die Mittel insgesamt deutlich erhöht, um dem steigenden Bedarf nachkommen zu können. Allerdings hat er die Höhe der Refinanzierung für die Verbände nicht so auskömmlich gestaltet, dass diese die Beratung zufriedenstellend für alle Beteiligten ausbauen konnten. Die tatsächlichen Personalkosten können so zu etwa zwei Dritteln refinanziert werden, Sachkosten gar nicht. Daher sind zunehmend Verbände an die Kommunen herangetreten, um eine Kofinanzierung einzuwerben, was häufig auch gelungen ist. In der Umsetzung haben sich die kommunalen Verwaltungen ebenfalls eingebracht, und es mussten viele, oft auch widerstreitende Interessen bezüglich Beratungsstand­orten, aber auch -inhalten abgewogen und berücksichtigt werden.
Ebenso hatte sich in der Haltung des Freistaats eine Veränderung gezeigt: Vermehrt wurde davon gesprochen, dass die Beratung eine Leistung der Verbände sei, die der Freistaat finanziell unterstütze, weil ihm dies wichtig sei - jedoch keine Leistung des Staates, die die Verbände im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips übernommen hätten.
Durch die Subsidiarität kommt es zu selbstregulierenden und staatsentlastenden Effekten, und durch die Übertragung quasiöffentlicher Funktionen wird auch die ordnungspolitische Strategie einer Verschlankung des Staates verfolgt. Dieser Effekt war auch den Kommunen wichtig, solange sie von den Auswirkungen nicht unmittelbar betroffen waren oder andere Interessen ihr Handeln bestimmten. Negative Folgen waren beim Ausbau der Asylsozialberatung beispielsweise, dass die Verbände in den von der Unterbringung betroffenen Kommunen ihrer Arbeit nicht in dem Maß und der Geschwindigkeit nachkommen konnten, wie es nötig gewesen wäre; dadurch kam es zu Versorgungslücken. Zudem waren die Haushaltsmittel des Freistaats Bayern als freiwillige Leistung ja auch begrenzt und ein weiterer Ausbau irgendwann nicht mehr möglich. Dies führte wiederum zu einer hohen Unzufriedenheit von immer mehr Landratsämtern, aber auch Stadtverwaltungen, die sich damit um ein Unterstützungsangebot gebracht sahen, das ihnen zugesagt worden war.
Ein weiterer Aspekt kommunaler Kritik war inhaltlicher Natur: Die Erwartungen an die Arbeit der Asylsozialberatung stimmten nicht mit der tatsächlich erbrachten Leistung überein. Das Prinzip einer (behörden-)unabhängigen Beratung, bei der auch rechtliche Beratung im Rahmen des Rechtsdienstleistungsgesetzes stattfindet, bedeutete vor allem für die Ausländerbehörden mehr Arbeit und war somit unbeliebt und unerwünscht.
Kommunen äußerten nun zunehmend das Interesse, darüber Bescheid zu wissen, was in ihrem Zuständigkeitsbereich im Rahmen der Asyl- und Integrationsarbeit an Unterstützung für die Menschen geschieht. Dieses Interesse war und ist durchaus berechtigt. Mancherorts ging es aber zunehmend um Mitgestaltung und Steuerung der Angebote, wo, in welcher personellen Ausstattung und mit welcher inhaltlichen Ausrichtung diese stattfinden sollten. Diese Einflussnahme wurde von den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege kritisch aufgenommen.
Kommunen beraten jetzt selbst
Die finanzielle Unterstützung der Asylarbeit durch manche Landkreise und kreisfreien Städte ließ es zu, zusätzliche Angebote aufzubauen und vorhalten zu können; andere Kommunen begannen, selbst Asyl­sozialberatung anzubieten, um dem hohen Bedarf schneller gerecht werden zu können, weil Wohlfahrtsverbände nicht zügig genug und in ausreichendem Maße reagieren konnten. Wieder andere hatten das Interesse, die Fördergelder des Freistaats selbst vor Ort zu verteilen und so stärker steuernd eingreifen zu können, und eine kleine Gruppe hatte die Chance, im Rahmen eines Modellversuchs Asylsozialberatung - gefördert durch den Freistaat - anzubieten, um so Erkenntnisse zu sammeln, wie und ob eine kommunale Beratung auch unabhängig funktionieren könne. Dieser Modellversuch wurde mittlerweile in die Regelförderung übernommen. Dadurch wurde es Kommunen ermöglicht, diese Beratung, gefördert aus Mitteln des Freistaats, gleichberechtigt neben den Wohlfahrtsverbänden anbieten und beantragen zu können. All diese Umstände machen eine stärkere Abstimmung und Zusammenarbeit vor Ort nötig.
Aktuelle Schwierigkeiten durch Mitarbeit der Gemeinden
An sehr vielen Standorten erfährt die Caritas durch die Kommunen eine hohe Wertschätzung für ihre Arbeit, die sie mit geflüchteten Menschen leistet: indem sie sie durch Verfahren begleitet, sie bei ihrem Integrationsprozess unterstützt, Ehrenamtliche fördert und auch in die ansässige Wohnbevölkerung hineinwirkt und so einen Beitrag zum sozialen Frieden vor Ort leistet. Viele Kommunen haben also kein Interesse, eigene Angebote vorzuhalten.
Es gibt aber auch Kritik an den Inhalten der Caritas-Arbeit: zum Beispiel, dass der Aspekt der Rückkehr der Betroffenen in ihr Herkunftsland zu wenig vorkomme. Vielmehr arbeite die Caritas zu stark an einer Bleibeperspektive. Hier gibt es das Bedürfnis, dieses Thema durch eigenes kommunales Personal umzusetzen.
An manchen Standorten funktioniert ein gleichberechtigtes Miteinander zwischen Kommunen und Verbänden besser, andernorts erleben die Verbände hingegen eher eine hierarchische Zusammenarbeit, bei der die Kommunen bestimmen wollen, was, wo, wie und durch wen geschieht.
Von den Ratsuchenden ist immer wieder zu erfahren, dass sie zu kommunalen Beratungskräften nicht das nötige Vertrauen aufbauen können, weil sie aus ihren Herkunftsländern schlechte Erfahrungen mit staatlichen Stellen mitbringen und sie Angst davor haben, sich zu öffnen und ihre Geschichte und ihr Schicksal zu erzählen. Ein weiterer Aspekt, der immer anklingt, ist ein gewisses Informationsdefizit, etwa bezüglicher der Möglichkeit von Widersprüchen gegen Bescheide. Somit bleibt ihnen ein wichtiges Rechtsmittel verwehrt, weil es behördenintern Interessenskonflikte gibt.
Durch eine gute Zusammenarbeit mit den Kommunen können sich aber durchaus auch Chancen eröffnen, wie etwa die Erhöhung der Akzeptanz der Asylsuchenden vor Ort, das Entstehen einer breiteren Allianz, die Jobs, Wohnungen, aber auch Ehrenamtliche akquiriert.
„Auch du bist ein Bürger und kein Untertan“
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Ressortaufteilung schützt nicht vor Haftung
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