Wofür will die EU Fördermittel ausgeben?
Die Jahre 2018 und 2019 werden für die Zukunft der Europäischen Union prägend sein: Nicht nur stehen die Wahlen des Europäischen Parlaments im Mai 2019 vor der Tür, auch die langfristigen politischen Schwerpunkte der EU werden aktuell neu austariert. Entscheidend hierfür sind die Verhandlungen über die mittelfristige Haushaltsplanung der EU. Über diesen sogenannten Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) wird über sieben Jahre festgelegt, wie viel Geld EU-weit für bestimmte politische Schwerpunkte und Förderprogramme ausgegeben wird. Die Caritas setzt sich für einen sozialen und inklusiven EU-Haushalt 2021-2017 und entsprechende Förderprogramme ein.1
Dabei stehen die Haushaltsverhandlungen unter schwierigen Vorzeichen: Durch den EU-Austritt des Vereinigten Königreiches, das einer der größten Beitragszahler ist, werden in Zukunft etwa zwölf bis 15 Milliarden Euro im EU-Haushalt fehlen. Gleichzeitig wird von der EU erwartet, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen, beispielsweise im Bereich der gemeinsamen Verteidigung und der Steuerung der Migration nach Europa.
Im Mai 2018 hat die EU-Kommission ihre Vorschläge für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen veröffentlicht. Da für den Haushalt eine einstimmige Entscheidung im Rat notwendig ist, müssen alle 27 Mitgliedstaaten (ohne Großbritannien) zustimmen. Die im Koalitionsvertrag geäußerte grundsätzliche Bereitschaft Deutschlands, auch höhere Beiträge zum EU-Haushalt zu leisten, ist daher ein wichtiges Signal und wird von der Caritas sehr begrüßt.
In den vorliegenden Vorschlägen sind klare Tendenzen zu sehen, wie sich die EU-Kommission die Politik der nächsten Jahre vorstellt. Die traditionell wichtigen und finanzstarken Politikbereiche der gemeinsamen Agrarpolitik und der Kohäsionspolitik, zu der auch die für die Caritas wichtigen Strukturfonds wie der Europäische Sozialfonds (ESF) gehören, sollen um fünf bis sieben Prozent gekürzt werden. Gleichzeitig soll unter anderem in Migrations- und Grenzmanagement (das 2,6-Fache) und in Jugend (das 2,2-Fache) deutlich mehr investiert werden. Aus Caritas-Sicht hat die EU-Kommission hier - trotz des hohen Drucks - eine gute Basis für die weiteren Verhandlungen geschaffen. Nun kommt es auf die genaue Ausgestaltung dieser Schwerpunktsetzung an, wobei an einigen Punkten nachgearbeitet werden sollte:
- Die Priorisierung des Migrationsmanagements und Grenzschutzes ist kritisch zu sehen. Statt Europa abzuschotten, sollten legale Migrationswege geschaffen und Maßnahmen zur Integration von Migrant(inn)en finanziert werden.
- In Zeiten eines spürbaren EU-Skeptizismus und erstarkender populistischer Strömungen dürfen keine Programme gekürzt werden, die direkt in die Menschen investieren. Der ESF und der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Menschen (EHAP) dürfen daher nicht gekürzt werden.
Doch was bedeuten die Vorschläge der EU-Kommission für die konkrete Projektarbeit der Träger und Einrichtungen der Caritas in Deutschland?
ESF und EHAP: zwei Fonds mit sozialer Ausrichtung
Zahlreiche Projekte der Caritas werden über die ESF-Programme des Bundes und der Länder gefördert. Seit 2014 werden Caritas-Projekte im Bereich der Wohnungslosenhilfe und für bedürftige EU-Zugewanderte auch über den EHAP finanziert. Für die Förderperiode 2021-2027 schlägt die EU-Kommission nun vor, die beiden Fonds zu einem "ESF+" zusammenzulegen. Dafür sollen europaweit 100 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Deutschland soll für die Strukturfonds insgesamt ein Budget von 15,7 Milliarden Euro erhalten, was eine Kürzung um 21 Prozent gegenüber der aktuellen Förderperiode darstellt. Wie viel davon dem neu gestalteten "ESF+" zugeteilt werden soll, ist noch nicht abzusehen.
Die Ziele des neu gestalteten "ESF+" sollen in etwa den aktuellen Zielen (Beschäftigungsförderung, Verbesserung der Bildung, (sozioökonomische) Inklusion, Zugang zu Dienstleistungen, soziale Inklusion und materielle Hilfe für die am stärksten Benachteiligten) entsprechen. Deutschland könnte also für die nächste Förderperiode ähnliche Programme auflegen. Das für die Umsetzung des "ESF+" auf Bundesebene zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat bereits verlauten lassen, dass die Themen "Integration von Migrant(inn)en" und "Digitalisierung" in der nächsten Förderperiode priorisiert sowie Partnerschaftsprogramme wie "rückenwind" für Personal- und Organisationsentwicklung in der Sozialwirtschaft fortgeführt werden sollen.
Aus Sicht der Caritas müssen diese grundsätzlich guten Vorschläge an zwei Punkten geändert werden:
- Die aktuellen Co-Finanzierungssätze der EU dürfen nicht abgesenkt werden.
- Die derzeitigen EHAP-Projekte sind nicht in der Lage, die Indikatoren und Co-Finanzierungssätze des ESF zu erfüllen. Hier müssen Sonderregelungen geschaffen werden.
"Erasmus +": für Bildung, Jugend und Sport
Die Caritas nutzt das derzeitige Programm "Erasmus +" für Kooperationsprojekte mit anderen Mitgliedstaaten oder für Austauschprojekte, etwa für Altenpflegeschüler(innen). Für die nächste Förderperiode soll das Programm auf 30 Milliarden Euro verdoppelt werden, was die Caritas begrüßt. Auch ist es sinnvoll, dass das Programm in seiner jetzigen Form ohne große Änderungen weitergeführt wird, gleichzeitig aber einen noch größeren Fokus auf benachteiligte Zielgruppen legt. Das Europäische Solidaritätskorps, in das der Europäische Freiwilligendienst aufgegangen ist, wird als eigenständiges Programm mit 1,26 Milliarden Euro weitergeführt.
Fonds für Asyl-, Migrations- und Integrationsaufgaben
Der Europäische Asyl- und Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) soll auf 10,4 Milliarden Euro aufgestockt werden, aber nur noch die Bereiche Asyl und Migration umfassen (AMF). Integrationsmaßnahmen nach der Ankunft im Aufnahmeland sollen als Querschnittsaufgabe unter anderem über den neuen "ESF+" gefördert werden. Hier ist aus Caritas-Sicht darauf zu achten, dass Migrant(inn)en nicht als Sondergruppe wahrgenommen werden, sondern Teil der regulären Sozial- und Arbeitsmarktpolitik sind.
Entscheidend für die Ausgestaltung der nächsten Förderperiode wird sein, wie die Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten und EU-Parlament geführt und welche Kompromisse gefunden werden können. Diese müssen dann auf nationaler Ebene umgesetzt und weiter ausgestaltet werden. Wichtig ist, dass alle Verhandlungen rechtzeitig abgeschlossen werden, damit es nicht zu Beginn der neuen Förderperiode zu einer Förderlücke für die Projektträger kommt. Die Caritas begleitet diesen Prozess über ihre Hauptvertretung in Brüssel und das Berliner Büro.
Anmerkung
1. Die Stellungnahmen der BAGFW zum EU-Haushalt von 2016 und 2018 sind online abzurufen: www.bagfw.de/europa/veroeffentlichungen/stellungnahmen
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