Ein Klettergerüst, an dem Rosen oder Efeu wachsen können
Das Qualitätsmanagement-Rahmenhandbuch der Caritas ist erschienen. Die einen werden denken: Endlich! Andere vielleicht: Das hat gerade noch gefehlt! Doch ganz gleich, wie die Reaktionen ausfallen: Hier ein paar grundsätzliche Gedanken zum Qualitätsmanagement (QM), um daran anknüpfend die Idee, den Aufbau und die Funktionsweise von "Caritas Qualität" - inzwischen eine eigene Marke - zu betrachten.
Was hat es mit dem Qualitätsmanagement auf sich? Um dies zu ergründen, lohnt ein Blick auf die Wurzeln: "Qualität" geht auf die lateinischen Begriffe "qualis" und "qualitas" zurück. "Qualis" fragt nach den Eigenschaften, der Art und Weise, wie eine Sache oder ein Prozess beschaffen ist, "qualitas" bezieht sich auf das Verhältnis zu den Dingen oder Abläufen. So gesehen nimmt "Qualität" sowohl eine substanzielle als auch eine prozessuale Dimension in den Blick.
"Management" wiederum stammt aus dem Lateinischen "manum agere", was gleichbedeutend ist mit "an der Hand führen". Folgerichtig stellt "(Qualitäts-)Management" auf koordinierte Tätigkeiten zur Festlegung von Politik, Strategien und Aktionen ab, um gesteckte Ziele zu erreichen. Zieht man noch das "System" hinzu, lassen sich diese Kriterien - vereinfacht dargestellt - auf die ganze Organisation übertragen. Ein QM-System stellt kurz, knapp und präzise dar, welche Eigenschaften und Abläufe eine Organisation auszeichnen, wie sie "tickt" und wie sie gesteuert wird. Damit ist es ein Instrument (Managementsystem), um die Organisation systematisch zu leiten und zu lenken.
Qualitätsmanagement hat also nichts mit Erbsenzählerei zu tun, im Gegenteil: QM bietet Orientierung, Sicherheit und Verlässlichkeit für die Mitarbeiter(innen) und will die Organisation und ihre Leitung darin unterstützen, Transparenz, Klarheit und ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln, zum Beispiel über:
- die Kund(inn)en, die interessierten Parteien und deren Erwartungen,
- Strategie und Ziele,
- den Umgang mit Risiken,
- Arbeitsprozesse.
Die Mitarbeitenden sind beim Aufbau und bei der Pflege des QM-Systems einzubeziehen. Somit wird dieses zu einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm, das
- fordert und fördert - durch Teamarbeit und fachbereichsübergreifende und ergebnisorientierte Zusammenarbeit,
- individuelle Ideologien und Vorstellungen durch ein gemeinsames Verständnis ersetzt,
- zu einer positiven Fehlerkultur beiträgt, Ängste abbaut und
- Vertrauen in die Organisation stärkt.
QM betrifft die ganze Organisation
All dies gelingt nicht von heute auf morgen. Es handelt sich um einen langfristigen Prozess, der die gesamte Organisation umfasst. Ein von allen getragenes (Qualitäts-)Managementsystem kann wesentlich dazu beitragen, dass ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Strategie entstehen. Gelingt dies, kann das Managementsystem zum zentralen Steuerungsinstrument der Organisation werden.
Der modulare Caritas-QM-Rahmen möchte die Leitungen und Beschäftigten der Organisationen bei ihrer Arbeit unterstützen und ihnen ein Werkzeug an die Hand geben, um die Flut an Informationen, Anforderungen und Erwartungen besser bewältigen zu können. Bei der Erarbeitung war die leitende Frage: Was brauchen Leitung wie auch Mitarbeitende, damit sie ihre Aufgaben gut erfüllen können? Ein (Qualitäts-)Managementsystem ist nichts Zusätzliches, sondern eine Art Grundstruktur. Um es bildlich darzustellen: Ein (Qualitäts-)Managementsystem ist nichts anderes als ein Klettergerüst, an dem Kletterrosen, Efeu, wilder Wein oder auch eine Clematis wachsen können, jeweils für sich oder auch in Kombination.
Es brauchte mehrere Etappen bis zum Ziel
Der Weg bis zur Herausgabe des QM-Handbuchs zur Caritas Qualität verlief über längere Zeit in mehreren Etappen. In den Jahren 2003 bis 2006 wurden für zwölf Fachbereiche Qualitätsleitlinien erarbeitet. Kurz nach der Veröffentlichung in den Jahren 2007/2008 wurde insbesondere aus den Orts-Caritasverbänden Kritik laut, dass dieses Format für sie nicht anwendbar sei, da durch die Bearbeitung der Qualitätsleitlinien jeder Fachbereich separate QM-Systeme entwickle, die nicht in Verbindung zueinander stünden und nicht zusammenhängend gesteuert werden könnten.
Diese Kritik wurde aufgegriffen und im Jahr 2009 die Fachübergreifende Arbeitshilfe entwickelt. Diese fasst die Inhalte der verschiedenen Qualitätsleitlinien in den Bereichen Leitbild, Politik, Personal und Finanzen zusammen und weist daneben noch die fachbereichsspezifischen Elemente auf. Das Problem dieser Arbeitshilfe war: Es war keine Zertifizierung nach dem Regelwerk DIN EN ISO 9001:2008 möglich, was mittlerweile etliche Organisationen als erforderlich ansahen.
Der nächste Entwicklungsschritt war daher, die Anforderungen der DIN EN ISO 9001 in die Fachübergreifende Arbeitshilfe einzuarbeiten. Ergebnis war eine Projektcheckliste, die im Projekt "QM in Orts-Caritasverbänden" auf ihre Praxistauglichkeit überprüft wurde. Diese Checkliste war - wie auch schon die Arbeitshilfe - modular aufgebaut, das heißt, die Organisation kann die fachbereichsspezifischen Elemente auswählen, zu denen sie Leistungen anbietet.
Der Ansatz des modularen Aufbaus wurde konsequent weiterentwickelt, denn er bietet die Möglichkeit der Anpassung an die Bedürfnisse vor Ort. Somit kann Caritas Qualität von Orts-Caritasverbänden mit einem breiten Angebotsspektrum, aber auch von reinen Facheinrichtungen genutzt werden. Zudem können die fachbereichsspezifischen Module bei Bedarf leichter und schneller auf Veränderungen abgestimmt werden. In die Entwicklung eingeflossen sind auch Themen wie Sozialraumorientierung, Rahmenbedingungen einer christlichen Unternehmenskultur, Familienfreundlichkeit, interkulturelle Öffnung oder Prävention von (sexualisierter) Gewalt. Die Möglichkeit der Zertifizierung nach Caritas Qualität ist für Organisationen, die das wünschen, gegeben. Für die Zertifizierung gelten die Vorgaben und das Prozedere wie bei einer DIN-EN-ISO-9001-Zertifizierung, denn sie ist immer inkludiert.
Gleiche Basis - individuelle Umsetzung
Wie es schon der Titel zum Ausdruck bringt, handelt es sich um einen Rahmen. Das heißt, im Handbuch sind all die Anforderungen aufgeführt, mit denen sich die Organisation auseinandersetzen soll. Das "Wie" - die praktische Umsetzung - liegt im Ermessen der einzelnen Organisation: Einheit in Vielfalt - gleiche Grundlagen für alle - individuelle Umsetzung.
Sämtliche Prozesse - bis auf die fachbereichsspezifischen Module - sind Pflichtprogramm. Sie sind umzusetzen, egal, ob singuläre (Fach-)Einrichtung oder Komplexträger mit zahlreichen Arbeitsfeldern. Sie bilden die Klammer oder das Fundament, auf dem die Organisation aufbaut.
Die Module der Leistungsprozesse sind Wahlmodule. Das heißt, die Organisation wählt die für sie relevanten Module aus. Für eine Zertifizierung nach
Caritas Qualität ist mindestens ein Modul der Leistungsprozesse Pflicht.
Die bisherigen Qualitätsleitlinien beziehungsweise QM-Rahmenhandbücher werden sukzessive in fachbereichsspezifische Module überführt. Sie werden nach ihrer Fertigstellung veröffentlicht. Dies sind zum Beispiel: Fort- und Weiterbildung, Beratung Müttergenesung, Kooperation Suchthilfe und Suchtselbsthilfe, Allgemeine Sozialberatung, Sozialberatung für Schuldner(innen).
Die fachbereichsspezifischen Module wurden jeweils in Arbeitsgruppen erarbeitet, in denen Referent(inn)en der Bundesebene, aus Diözesanverbänden, gegebenenfalls aus Fachverbänden und Mitarbeitende des Fachbereichs vor Ort mitwirkten. Die Arbeitsstelle Qualitätsmanagement freut sich über Rückmeldungen, Anmerkungen und Kritik. Sie sind wesentlicher Beitrag, dass Caritas Qualität ein lebendiges, gelebtes und angewandtes Managementsystem wird.
Anmerkung
Der modulare Caritas-QM-Rahmen kann im CariNet und unter www.caritas.de/diecaritas/deutschercaritasverband/verbandszentrale/arbeitsbereiche/qualitaetsmanagement heruntergeladen werden. Eine Checkliste, die für interne Audits genutzt werden kann, aber auch Grundlage für die Zertifizierung nach Caritas Qualität ist, steht ab dem 3. Quartal 2017 zur Verfügung. Zum Caritas-QM wird es Info-Webinare geben: https://caritas.edudip.com/webinars
Für weitergehende Informationen oder Anfragen steht die Arbeitsstelle Qualitätsmanagement gern zur Verfügung.
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