Ziel: die starke Arbeitgebermarke
Woher nehmen, wenn nicht stehlen… Unternehmen der Caritas stehen vor vielfältigen Herausforderungen: Zum einen nimmt insbesondere aufgrund sozialer und demografischer Entwicklungen die Nachfrage nach personenbezogenen sozialen Dienstleistungen stetig zu. Zum anderen braucht es, um diese wachsende Nachfrage qualitativ ansprechend bedienen zu können, qualifizierte Mitarbeitende, die sich mit dem Wertefundament der Caritas identifizieren. Schon heute findet sich vielerorts die Situation, dass neue Häuser, Gruppen oder Bereiche aufgrund der Nachfrage eröffnet werden könnten - was allerdings fehlt, ist entsprechendes (Fach-) Personal. Denn Unternehmen der Caritas stehen mit anderen in der sozialen Arbeit vertretenen Akteuren (freigemeinnützig - konfessionell - öffentlich-rechtlich - privat), aber auch mit anderen Branchen (Handwerk, Industrie, Handel etc.) zunehmend im Wettbewerb um qualifizierte Kräfte. Um im Markt der Sozialwirtschaft langfristig Dienstleistungen mit der Werteprägung der Caritas anbieten zu können, werden mithin Strategien benötigt, um diese rar gewordenen qualifizierten und motivierten Mitarbeitenden zu finden, zu fördern und zu binden.
Letztlich geht es also darum, sich im Rahmen eines innovativen Personalentwicklungs- und Personalmarketingsystems positiv im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter abzuheben. Denn durch ein Personalmarketingsystem richten Unternehmen ihre Personalpolitik an den Bedürfnissen und Wünschen qualifizierter Fach- und Führungskräfte aus, um die aktuell bei ihnen beschäftigten zu binden und potenzielle neue zu gewinnen.1
Als Beispiel eines solchen ganzheitlichen und attraktiven Personalmarketingkonzepts werden nachfolgend essenzielle Aspekte des Personalmarketingsystems der Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn anhand des Aufgabenfeldes Altenhilfe beschrieben.2
Die Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn ist eine 1991 gegründete kirchliche Stiftung öffentlichen Rechts. Sie erfüllt einen caritativen Auftrag auf katholisch-kirchlicher Grundlage und ist an mehreren Standorten in Baden-Württemberg vertreten. Die Stiftung betreut und begleitet rund 4000 Menschen ambulant, teil- und vollstationär und beschäftigt rund 1500 Mitarbeitende. Die Tätigkeitsbereiche der Stiftung umfassen Angebote der Behinderten-, Alten- sowie der Kinder- und Jugendhilfe.
Die Stiftung St. Franziskus sieht Personalmarketing als Teil eines umfassenden Markenbildungsprozesses in der Altenhilfe. Dieser Prozess will die Elemente der Qualitätssicherung, der Wirtschaftlichkeit, der Personal- und Organisationsentwicklung und des Marketings stringent und zukunftsträchtig miteinander verbinden.
Personalmarketing ist Teil der Markenbildung
Die Maßnahmen zur Markenbildung werden in einem sogenannten "Markenhaus" zusammengefasst. Das Dach dieses Markenhauses bilden die Paradigmen der Individualität und Selbstbestimmung. Gestützt und operationalisiert werden diese durch verschiedene Maßnahmen, Instrumente und Konzeptionen, die im professionellen Alltag der Stiftung handlungsleitend sind.
Ein Personalkonzept, dessen Schwerpunkt aus Instrumenten der Personalentwicklung sowie Maßnahmen zur Gewinnung, zur qualifizierten und passgenauen Auswahl sowie zur langfristigen Bindung qualifizierter Fach- und Führungskräfte besteht, bildet das Fundament dieses Markenhauses (siehe Abbildung unten).
Das Personalkonzept besteht insbesondere aus den folgenden Bereichen:
- Kommunikation
Neben regelmäßigen Strategietagen und einem regelmäßigen und teamorientierten Besprechungswesen gibt es verschiedene Publikationsorgane wie stiftungsweite und einrichtungsbezogene Mitarbeiterzeitschriften, Schwarze Bretter und einen Stiftungskalender.
Die Homepage der Stiftung St. Franziskus zeichnet sich durch eine klare Struktur und sofort erkennbare Stellenangebote aus. Potenzielle Bewerber(innen) werden so direkt über die Arbeitgebermarke St. Franziskus informiert, so dass die "Employer Value Proposition" (= wodurch unterscheidet sich die Organisation von anderen Arbeitgebern; was macht sie einzigartig und attraktiv für Mitarbeitende?) auf dem Arbeitsmarkt deutlich erkennbar wird. - Kooperation
Diese Informationen sind Teil einer umfassenden Kommunikations-, Vernetzungs- und Kooperationsstrategie, die als Eckpfeiler verschiedene Kooperationen zu externen Zuweisern und Partnern vorsieht. Beispielsweise kooperiert die Stiftung St. Franziskus mit der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen, der Universität Witten-Herdecke, dem Edith-Stein-Institut für Soziale Berufe Rottweil und der Katholischen Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe Spaichingen. Die systematische Zusammenarbeit bei Praktikumsstellen, Abschlussarbeiten, Traineeprogrammen sowie Dozenturen ist sowohl für die Stiftung St. Franziskus als auch für die Hochschulen und Kooperationspartner ein Gewinn. - Karriere- und Nachfolgeplanung
Seit 2008 wird darüber hinaus systematisch das Instrument der Karriere- und Nachfolgeplanung eingesetzt, um interne Führungskräfte zu erkennen und heranzubilden. Die Karriere- und Nachfolgeplanung ist dabei eng mit den jährlichen Zielvereinbarungs- und Meilensteingesprächen verknüpft. - Stellenanzeigen und Stellenausschreibungen
Zur qualifizierten Besetzung vakanter Stellen werden neben internen Maßnahmen der Karriere- und Nachfolgeplanung Stellenanzeigen und Stellenausschreibungen eingesetzt. Die Stellenanzeigen zeichnen sich durch ein einheitliches Design mit klaren Gliederungen (zum Beispiel Stellenaufgaben, Qualifikation, Ansprechpartner, Verweise auf das Zertifikat zum "Audit Beruf und Familie") aus und sind aussagekräftig, übersichtlich und ansprechend gestaltet. Schwerpunktmäßig zielen die Stellenanzeigen darauf ab, was potenziellen Mitarbeitenden geboten wird ("Wir bieten…"). - Prozessbeschreibung
Um das Corporate Design als Teil der Arbeitgebermarke zu prägen, wurde eine Mustervorlage im Rahmen einer Prozessbeschreibung für die Erstellung einer Stellenausschreibung mit Ansprechpartner(inne)n sowie den benötigten Daten für die Veröffentlichung (zum Beispiel Zeitschrift, Ausgabe etc.) konzipiert. - "Audit Beruf und Familie"
Um bei engagierten Fach- und Führungskräften attraktiver zu werden, nimmt die Stiftung am "Audit Beruf und Familie" teil. Dem Aufgabenfeld Altenhilfe wurde im April 2008 das Zertifikat zum "Audit Beruf und Familie" erteilt. Ziel der Teilnahme am Audit war und ist es, durch eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Auseinandersetzung mit dem Thema die Zusammenarbeit in der Dienstgemeinschaft zu fördern. Als konstitutives Element des Personalmarketingkonzepts soll die Auditierung darüber hinaus zur Stärkung des familienbewussten Images nach innen und außen genutzt werden. So wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen der Gesundheitsförderung sowie zur Entlastung von Mitarbeitern (Angebot der Mitnahme von Essen zum Selbstkostenpreis), der Kinderfreundlichkeit (beispielsweise Kinderspielecken) und zur Sensibilisierung hinsichtlich der Dienstplangestaltung unter Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie umgesetzt.
Für April 2011 ist bereits die Re-Auditierung in Vorbereitung, bei welcher eine Vertiefung in einzelne Themenschwerpunkte des Audits Beruf und Familie vorgesehen ist.
Summa summarum zeigt das Personalmarketingsystem der Stiftung Erfolge (zum Beispiel hinsichtlich der Anzahl und Qualität der Bewerbungen) auf dem (internen und externen) Arbeitsmarkt. Weiterentwickeln könnte man beispielsweise den Bereich der Initiativbewerberverwaltung und die Pflege eines Pools qualifizierter Bewerber(innen).
Netzwerke ausbauen
Um als Unternehmen der Caritas im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende erfolgreich zu sein, gilt es, in ein systematisches Personalmarketingsystem zu investieren und dieses als Teil der Unternehmensstrategie im strategischen Managementprozess zu verankern.
Caritas-Unternehmen sollten folglich ihre jeweiligen Alleinstellungsmerkmale definieren, ihr Profil schärfen und dort präsent sein, wo sich die gewünschten potenziellen Mitarbeitenden aufhalten. Legt man in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse der Sinus-Milieu-Studie zugrunde, ergeben sich auch neue Orte der Ansprache für Caritas-Unternehmen, wie Social Media beziehungsweise das Web 2.0 (Weblogs, soziale Netzwerke, Podcasts).3
Letztlich geht es also darum, die vorhandenen Netzwerkkontakte aller im Unternehmen Tätigen (Ehrenamtliche, geringfügig Beschäftigte, Fach- und Führungskräfte) im Rahmen der Bewerberansprache zu nutzen. Denn persönliche Empfehlungen über Netzwerkkontakte im sozialen Umfeld und im Sozialraum kommuniziert, machen in Kombination mit interessanten Stellenanzeigen auf Arbeitgeber aufmerksam und wecken das Interesse bei Fach- und Führungskräften.
Um gewonnene Mitarbeitende fördern und binden zu können, ist die Schaffung einer Unternehmenskultur, in der Respekt, Fairness sowie die Gesundheit am Arbeitsplatz und altersgemischte Teams eine tragende Rolle spielen, essenziell. Diese - gerade in werteorientierten Unternehmen der Caritas - tragenden Aspekte werden letztlich aber nicht nur durch übergeordnete Personalmarketingsysteme, sondern durch das tägliche Handeln, insbesondere der direkten Vorgesetzten, erlebbar gemacht.
Führungskompetenz stärken
Diese direkten Vorgesetzten (wie Gruppenleitungen, Wohnbereichs- und Pflegedienstleitungen) beeinflussen maßgeblich das Betriebsklima und letztlich die Motivation, Bindung und Entwicklung der Mitarbeitenden. Mithin gilt es, diese wichtige Führungsebene in diesen Aspekten passgenau und entwicklungsorientiert zu fördern. Praxiserprobt ist in diesem Zusammenhang das Instrument der Simulation typischer erfolgsentscheidender Situationen des (Führungs-)Alltags dieser Leitungskräfte - etwa in Form von "Führungswerkstätten" beziehungsweise durch kompetenz- oder entwicklungsorientierte Assessment-Center. Durch dieses "Führen im Reagenzglas", das heißt das Ausprobieren von Herangehensweisen und Lösungsstrategien im "geschützten Rahmen" und durch differenzierte Rückmeldungen durch geschulte Beobachter zu Verhaltensweisen gleichen Führungskräfte ihre Selbstwahrnehmung mit der Wahrnehmung durch andere in Bezug auf ihre Stärken und Entwicklungsbereiche ab.4
Führungskräfte können so Prozesse zur Gestaltung einer wertschätzenden Unternehmenskultur initiieren und steuern und tragen dadurch zu einer Bindung der Mitarbeitenden bei. Ferner multiplizieren sich diese positiven Aspekte durch Netzwerkkommunikation auch auf dem externen Arbeitsmarkt, was die Attraktivität des Caritas-Unternehmens erhöht. Und dies ist schließlich Ziel aller Aktivitäten im Personalmarketing.
Anmerkungen
1. Vgl. Müller, Thomas; Rosner, Lars (Hrsg.): Gute Mitarbeiter finden, fördern, binden : Personalmarketing in der Altenhilfe. Hannover : Vincentz, 2010, S. 25.
2. Müller, Thomas; Volz-Neidlinger, Martin: Stiftung St. Franziskus Heiligenbronn. Gute Mitarbeiter finden, fördern, binden! In: Altenheim 1/2009, S. 14 ff.
3. Paus, Jana; Müller, Thomas: Welche Chancen bietet Social Media? Web 2.0 zur Personalgewinnung nutzen. In: ConZepte 2/2010, S. 34.
4. Vgl. Müller, Thomas; Schmidt, Stefanie; Schröder, Philipp: Wer transparent führt, hält die Mitarbeiter. In: Altenheim 12/2010, S. 22 ff.