Die starke Marke wird am Markt zum Wettbewerbsvorteil
Eine starke Marke gibt einem Krankenhaus eine unverwechselbare Identität. Für konfessionelle Krankenhäuser bietet der Aufbau einer Marke die besondere Chance, als Markenkern die christlichen Werte herauszustellen und damit auch wirtschaftliche Vorteile zu erzielen.
Immer mehr Krankenhäuser tun sich schwer, gute Ärzte zu bekommen. Sie spüren deutlich, dass das Angebot knapper und der Wettstreit um die besten Bewerber härter wird. Und doch gibt es auch einige Häuser, bei denen sich mehrere Kandidat(inn)en um eine frei werdende Stelle bewerben. Wie lässt sich dieses Phänomen erklären?
Der entscheidende Unterschied liegt in der Regel nicht in der Qualität eines Krankenhauses, sondern in dessen Kommunikation. Attraktiv sind Krankenhäuser, die nicht nur gute Leistung erbringen, sondern es auch verstehen, das Besondere ihrer Leistungen herauszustellen. Genau diese Aufgabe kann eine Marke übernehmen.
Positives Image lockt Spender an
Krankenhäuser, denen diese Markenbildung gelingt, sind nicht nur für Bewerber und Mitarbeitende attraktiv, sondern ebenso für Patienten, Einweiser und alle anderen Akteure auf dem Krankenhausmarkt. Auch mögliche Spender oder ehrenamtliche Mitarbeiter(innen) lassen sich bei ihrem Engagement vom positiven Image einer Einrichtung leiten. Damit wird deutlich: Markenbildung ist ein umfassendes Konzept, das auf alle Bereiche des Unternehmens wirkt – sei es im Personalbereich, im Marketing, beim Aufbau neuer Geschäftsfelder oder beim Fundraising.
Diese Überlegungen gelten gerade auch für ein konfessionelles Krankenhaus, das mit Hilfe einer Marke seine besonderen Werte zum Ausdruck bringen kann. Etwas überspitzt formuliert: Viele Menschen haben Angst davor, dass sie in einem Krankenhaus einem kühlen medizinischen Betrieb ausgeliefert sind. Hier nun den Unterschied zu kommunizieren, also die im christlichen Menschenbild begründeten Werte zu verdeutlichen – genau darin kann im regionalen Wettbewerb mit anderen Krankenhäusern ein entscheidender Vorteil liegen. Doch wie gelingt es, erfolgreich eine Marke aufzubauen?
Markenbildung in sechs Phasen
Wer eine Marke aufbauen möchte, begibt sich auf eine lange Reise, die erst nach etwa zwei Jahren das Ziel erreicht. Sie besteht aus sechs Teilabschnitten. Während der ersten drei Phasen wird die Marke definiert, in den folgenden drei Phasen umgesetzt. Der Prozess der Markenbildung ist ein klar umrissener, zeitlich begrenzter Top-down-Prozess, bei dem es von Anfang an darauf ankommt, eine breite Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeiter(inne)n zu finden.
Phase 1: Analyse
In der Analyse-Phase recherchiert und bewertet das Projektteam interne und externe Informationen über das Krankenhaus. Es geht vor allem darum, die Zusammenhänge zwischen Krankenhaus, Zielgruppen und Markt zu erkennen:
Wie beurteilen zum Beispiel die Patient(inn)en das Krankenhaus? Wie positionieren sich relevante Wettbewerber(innen)? Die Analyse bildet die Grundlage, um eine Markenstrategie zu entwickeln. Zugleich bieten interne Befragungen Gelegenheit, Führungskräfte und Mitarbeiter(innen) zu informieren und von Anfang an in den Markenbildungsprozess einzubeziehen.
Phase 2: Zukunft der Marke
Das Projektteam entwirft ein Bild der Marke, das den zukünftigen Idealzustand zeigt: Was sollen Patient(inn)en, Einweiser(innen) und Mitarbeiter(innen) über das Krankenhaus sagen, wenn sie in drei bis fünf Jahren nach ihrem Urteil gefragt werden? Im Mittelpunkt dieser Phase stehen Workshops und Gruppenarbeiten mit Vertretern aller Bereiche. Das Ergebnis ist eine Identitätslandkarte. Hierbei handelt es sich um ein präzises Bild der zukünftigen Marke, übersichtlich dargestellt auf einer einzigen Seite.
Phase 3: Markenportfolio
Ein Markenportfolio besteht aus einer Dach- und mehreren Submarken. Dies kann erforderlich sein, wenn unterschiedliche Einrichtungen unter dem Dach einer Marke zusammengefasst werden sollen. Auch für einzelne Teile eines Krankenhauses lassen sich Submarken bilden. Marken und Submarken können sich gegenseitig positiv wie negativ beeinflussen. Um mögliche Identitätsschäden zu vermeiden, kommt es darauf an, dass alle Submarken denselben Markenkern enthalten.
Phase 4: Kreative Plattform
In dieser Phase schlägt die Stunde der Kreativen. Ihre Aufgabe ist es, das sachlich beschriebene Zukunftsbild des Krankenhauses als Marke sichtbar zum Ausdruck zu bringen, das heißt die nüchterne Markenstrategie in Wort und Bild zum Leben zu erwecken. Die Ergebnisse werden in einem Gestaltungshandbuch dokumentiert, das die Geschäftsleitung freigibt. Die in diesem Handbuch festgelegten Regeln haben das Ziel, über alle Kommunikationsmaßnahmen hinweg Einheitlichkeit, Unverwechselbarkeit und Wiedererkennung zu gewährleisten.
Phase 5: Markenimplementierung
Sobald die kreative Plattform in Wort und Bild steht, beginnt die Implementierung der Marke. Zum einen wird nach innen vermittelt, wofür die Marke steht und wie sich der/die einzelne Mitarbeiter(in) markenkonform verhält. Zum anderen wird die Marke nach außen kommuniziert – zum Beispiel mit Flyern, Broschüren, im Internet und durch eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit.
Phase 6: Marken-Evaluation
Mit der Marken-Evaluation kommt das Controlling zum Zuge. Ziel ist es, den Erfolg der Marke regelmäßig zu messen, um den Beitrag der Marke zum Gesamterfolg des Krankenhauses zu erkennen.
Der Markenaufbau kann nur gelingen, wenn in der Organisation auch die notwendige Infrastruktur geschaffen wird. Parallel zur Markenentwicklung sollte das Krankenhaus deshalb bereits Projekte einleiten, um Strukturen und Abläufe an die Markenanforderungen anzupassen, und personelle Ressourcen bereitstellen. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Soll die Marke dazu beitragen, Personal zu gewinnen und zu halten, genügt es nicht, in den Stellenanzeigen von attraktiven Berufsperspektiven, Familienfreundlichkeit, Kinderbetreuung oder flexiblen Arbeitszeitmodellen zu sprechen. Notwendig ist eine Personalentwicklung, die diesen Anforderungen gerecht wird.
Ein solcher Markenaufbau bedeutet für ein Krankenhaus eine beachtliche Investition. Die Höhe hängt vom Umfang des Projektes ab. Realistisch ist ein Betrag zwischen 200.000 und 300.000 Euro. Bei einem professionell gemanagten Markenbildungsprozess kann jedoch von einem mehrfachen „Return on Investment“ ausgegangen werden. Erfahrungsgemäß greift die Markenbildung nach etwa 18 bis 24 Monaten, so dass ab dann mit einem finanziellen Rückfluss gerechnet werden kann.
Die dominikanischen Werte als ökonomische Chance
Wie ein Markenbildungsprozess konkret eingeleitet und umgesetzt werden kann, zeigt das Beispiel der St. Dominikus Stiftung Speyer. Unter dem Dach der Stiftung sind neun Einrichtungen mit rund 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vereint: ein Krankenhaus, ein Hospiz, zwei Jugendhilfeeinrichtungen und fünf Schulen. Die Stiftung wurde 2003 gegründet, um das dominikanische Profil dieser Einrichtungen zu bewahren und gleichzeitig deren finanzielle Existenz zu sichern.
Vor diesem Hintergrund leitete die Stiftung einen Strategieprozess ein und rief die Leiter der Einrichtungen zu einem Workshop zusammen. „Bei der Diskussion um Ziele und Zukunft wurde allen Beteiligten schnell klar: Um im härter werdenden Wettbewerb zu bestehen, kommt es auch auf ein einheitliches Gesamtbild an“, berichtet Markus Trescher, geschäftsführender Stiftungsvorstand. So rückte das Thema „Gemeinsame Identität und Markenbildung“ in den Mittelpunkt des Strategieprozesses. Man entschied sich, zur Unterstützung des Markenaufbaus eine erfahrene Agentur sowie eine Organisations-Beratung zu engagieren.
Der Aufbau einer Dachmarke sollte die besondere, von den Ordensschwestern geprägte Identität bewahren und zugleich dazu beitragen, die wirtschaftliche Zukunft der Einrichtungen zu sichern. So sehr sich Aufgaben und Arbeitsweise zwischen Kinderheim, Kinderdorf, Hospiz, Krankenhaus und Schulen unterscheiden, gelten doch für alle Einrichtungen der Stiftung gemeinsame, auf eine über 150-jährige Geschichte zurückgehende Werte. Die Ordensschwestern des 1852 gegründeten Dominikanerordens wirkten seither in zahlreichen Gemeinden der Diözese Speyer in Grundschulen, Kindergärten und in der Krankenpflege.
Mit dem Prozess der Markenbildung möchte die St. Dominikus Stiftung diese Werte und die damit verbundene Identität auch als ökonomische Chance nutzen: Die Werte sollen ein unverwechselbares Fundament bilden, auf dem sich die Einrichtungen der Stiftung erfolgreich am Markt positionieren können. Hinzu kommt ein weiteres wirtschaftliches Ziel: Das neue Markenbild soll es der Stiftung ermöglichen, vermehrt Spender und ehrenamtliche Mitarbeitende zu gewinnen.
Identitätshandbuch und Identitätslandkarte
Die Spezialisten der Kommunikationsagentur leiteten Anfang 2008 den Markenbildungsprozess mit einer umfassenden Analysephase ein. Die Bestandsaufnahme umfasste alle neun Einrichtungen der Stiftung. Auf der Grundlage dieser Ist-Analyse erarbeitete das Projektteam die Identität der Stiftung. Dies geschah anhand einer Identitätslandkarte. Das Ergebnis gibt einen Überblick über alle Elemente, die die Identität der St. Dominikus Stiftung ausmachen. Ergänzend erstellte das Projektteam ein Handbuch, das zusammen mit der Identitätslandkarte die Leitlinien vorgibt, an denen sich alle Mitarbeiter(innen) orientieren sollen.
Sobald die Marke in Wort und Bild stand, also auch das Corporate Design entwickelt war, startete eine breit angelegte Information von Führungskräften und Mitarbeiter(inne)n in allen Einrichtungen der Stiftung. Die Stationen waren hier: Implementierungsworkshop, Info-Markt, Open Space, großes Stiftungsfest 2008, auf dem die Marke offiziell in Kraft trat.
Gleich nach dem Stiftungsfest veranstaltete der Vorstand eine Roadshow, um die neue Marke in der Region bekannt zu machen. Eine Ausstellung wurde in örtlichen Bankfilialen gezeigt und im Beisein von Bürgermeistern, Stadträten, Unternehmern, Vertretern sozialer Einrichtungen und der Presse eröffnet.
Ein Kernziel des Markenbildungsprozesses liegt darin, das Spendenaufkommen zu erhöhen. Die Stiftung stellte einen gelernten Fundraiser ein, installierte eine spezielle Software und richtete ein repräsentatives Büro ein, das einen adäquaten Rahmen bietet, um Besucher und mögliche Spender zu empfangen. Die Stiftung koordiniert nicht nur den Fundraising-Prozess, sondern ist auch oberste Hüterin des gesamten Markenbildungsprozesses.
Von der Dachmarke zur Submarke
Ein anderes Beispiel ist der Markenbildungsprozess im St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus. Das Haus war bislang in Ludwigshafen auch ohne expliziten Markenprozess bekannt und im Bewusstsein vieler Menschen präsent – wie das ja auch auf konfessionelle Häuser in vielen anderen Städten zutrifft.
Durch den neuen Markenbildungsprozess erwartet Marcus Wiechmann, Geschäftsführer der St. Dominikus Krankenhaus und Jugendhilfe gGmbH in Ludwigshafen, vor allem auf zwei Feldern positive Effekte: Zum einen gewinnt das Krankenhaus als Ganzes an Profil und Attraktivität, so dass es sich insbesondere auch als starke Arbeitgebermarke präsentieren kann. Die stiftungsweite Dachmarke spannt einen Bogen über alle Einrichtungen, die damit einheitlich und mit einem gemeinsamen Markenversprechen auftreten. Als Arbeitgeber ist das St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus somit in der Lage, mit der Schlagkraft eines kleineren Konzerns aufzutreten. Im Wettbewerb um die besten Bewerber liegt darin ein klarer Vorteil gegenüber einem einzelnen Krankenhaus.
Und der zweite Aspekt: Der Markenbildungsprozess bietet dem Krankenhaus die Möglichkeit, innerhalb des Hauses Submarken aufzubauen. Die Idee liegt darin, einen besonders leistungsfähigen Bereich als eigene Marke herauszustellen. Im Unterschied zur Dachmarke können Submarken auf die besonderen Spezifika des jeweiligen Bereichs eingehen. Entscheidend ist jedoch, dass eine Submarke stets in das Gesamtkonzept eingebunden bleibt und der Markenkern der Dachmarke sich auch in der Submarke wiederfindet.
Das St. Marien- und St. Annastiftskrankenhaus hat begonnen, sein Perinatalzentrum zu einer solchen Submarke auszubauen. Das Projekt hat Pilotfunktion: Nach dem Vorbild des Perinatalzentrums möchte das Krankenhaus weitere Bereiche als Submarke positionieren.