Pflegekräfte aus aller Welt: gelebte Integration im Caritas-Klinikum
Die Arbeit ist Stressig, doch Arbeitsklima und Umgang im Team sind gut.@Iris Maria Maurer/Silbersalz
In der großen Eingangshalle des Caritas-Klinikums Saarbrücken wuseln junge und alte Menschen zu Untersuchungen, zu Angehörigen oder zum Arbeitsplatz. Hier geht die Welt ein und aus: Menschen in Jeans, luftigen Sommerkleidern und Anzügen, aber auch in bunten afrikanischen oder indischen Gewändern. Das Klinikpersonal trägt hellblaue Arbeitskleidung. Sind sie Pfleger:innen oder Ärzt:innen? Das ist nicht zu erkennen. Alle tragen das gleiche Outfit.
Hier arbeiten Menschen aus 53 Nationen. Sie stammen von Albanien über Indien, Simbabwe bis Usbekistan. 13 Prozent der 2000 Mitarbeiter:innen haben eine Migrationsgeschichte. Im gesamten Saarland sind es etwa 14 Prozent.
Spiegel der Gesamtbevölkerung
Das Klinikum spiegelt die Gesamtbevölkerung, auch wenn die Statistik nicht jene erfasst, die in zweiter und dritter Generation hier leben und einen deutschen Pass haben.
Doch wie ist es, wenn so viele Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, Sehnsüchten und Vorstellungen von einem gelingenden Leben aufeinandertreffen? Greift der banale Satz: "In der Fremde fremd, in der Heimat daheim" da nicht zu kurz? Die Antwort ist komplizierter.
Hektik auf der neurologischen Station. Telefone schrillen, Patient:innen und Angehörige wollen den Arzt sprechen, Akten stapeln sich auf dem Schreibtisch. Anweisungen erfolgen präzise und knapp. Mitten im Stress reißt einer einen Witz oder zieht den Kollegen mit einer flapsigen Bemerkung auf. Gelächter. Das Arbeitsklima ist locker. 30 Pflegekräfte aus 21 Nationen arbeiten hier. Alicja Domagala leitet die Station. 1989 in Polen geboren, zog sie mit den Eltern nach Deutschland. Sie ist zweisprachig aufgewachsen und sagt: "Heimat ist für mich nicht an eine Nation geknüpft, wir leben in einem freien Europa. Heimat ist da, wo meine Familie ist. Je verschiedener die Kulturen sind, desto mehr bekomme ich dazu. Ich habe nie das Gefühl, dass mir etwas weggenommen wird."
Sie weiß aber auch, dass alle, die hier arbeiten, ihre Geschichte und mit ihr ein ganz eigenes Päckchen zu tragen haben. Daher hat sie den "Positiv-Freitag" eingeführt, eine wöchentliche Reflexionsrunde, in der nur positive Dinge gesagt werden sollen. "Hier geht es darum, sich als Mensch wahrzunehmen. Wir merken dann schon, wenn es jemandem nicht gutgeht." Gebe es Konflikte mit Patient:innen oder untereinander, versuche das Team sie direkt zu klären. Denn Konflikte gebe es immer, wenn Menschen unter herausfordernden Bedingungen zusammenarbeiten.
"Für mich ist es leichter, auf einer Station zu arbeiten, wenn ich weiß, hier sind Menschen, die wie ich zugewandert sind, denn die verstehen mich besser, weil sie Ähnliches erleben", erzählt Steve Mbatchou Sandjong. Er kam vor sieben Jahren aus Kamerun und arbeitet nun als Pfleger in der Neurologie. Ganz einfach war sein Start im Saarland nicht. Er hat in Kamerun den Master in Biochemie gemacht und wollte in Deutschland weiterstudieren. Das hat nicht funktioniert. Zunächst hat er dann eine einjährige Ausbildung als Krankenpflegehelfer und später noch eine dreijährige zum Pflegefachmann draufgesattelt. "Ich hatte ein Leben in Kamerun gelebt und musste mich hier völlig neu orientieren, das war schwer", erzählt er. Große Probleme hatte er mit der Sprache.
Saarländisch verstehen? Das ist für viele nicht einfach
"Ich dachte, ich habe in Kamerun Deutsch gelernt. Im Saarland hatte ich das Gefühl, ich habe es mit einer weiteren Fremdsprache zu tun." Ein Gefühl, das er mit so manchem Deutschen und anderen Mitarbeiter:innen teilt. Die Probleme mit dem sehr speziellen saarländischen Dialekt hat das Klinikum erkannt, bestätigt Maike Schneider, stellvertretende Pflegedirektorin. Geplant ist daher ein Sprachkurs "Saarländisch". "Denn wenn Pflegekräfte und Patien:tinnen sich untereinander nicht verstehen, dann birgt das natürlich Konflikte."
Fußball hilft gegen Heimweh
Gegen das Heimweh trifft sich Steve Mbatchou Sandjong immer freitags mit einer Gruppe von Kamerunern. Dann spielen sie Fußball. Angst, hier zu leben, hat er nicht, augenzwinkernd schaut er zu Younes Iraqui Houssaini, dem Stationsarzt aus Algerien. "Nur unser Rucksack wird im Supermarkt häufiger kontrolliert." Für den Arzt war es ein Traum, nach Deutschland zu kommen, da er die Arbeitsmethoden und die medizinische Qualität kennenlernen wollte. Richtig gut und gerecht findet er, dass sich hier der Lohn nach der Qualifikation richtet und nicht von der Nationalität abhängt. Wie es in Frankreich der Fall sei, wo er zuvor gearbeitet habe. Dort bekämen algerische Ärzte automatisch weniger Geld als französische. Was ihm hier fehlt: der Strand.
"Ich bin Saarländerin und Heimat, das ist für mich Schwenkbroode, unsere regionale Spezialität. Nein, ernsthaft g’redt: Heimat ist für mich Geselligkeit, Freunde, gutes Arbeiten, Zusammenhalt. Ich sehe jeden als Mensch, nicht die Herkunft, nicht die Hautfarbe. Wenn ich das nicht täte, hätte ich meinen Beruf verfehlt", sagt Stationssekretärin und Pflegekraft Martina Gries, saarländisches Urgestein und die gute Seele der Station. Im Saarland lebe man schon immer mit den beiden Nachbarn Frankreich und Luxemburg, da gebe es schon immer ein "Rüber-und-nüber". Und die Arbeit hier müsse eben auch laufen.
30.000 stationäre und 80.000 ambulante Patient:innen versorgt das Caritas-Klinikum pro Jahr, etwa zehn Prozent haben einen ausländischen Pass. "Unser Gesundheitssystem könnte ohne die vielen engagierten Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und im medizinischen Bereich arbeiten, kaum funktionieren", sagt Susanne Faas, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Es sei also durchaus ein Wettbewerbsvorteil, wenn hier Menschen mit Migrationsgeschichte arbeiten. "So haben wir einen gynäkologischen Chefarzt aus der Türkei." Für Patientinnen sei das ein Grund, ins Caritas-Klinikum zu kommen. Sie wissen, der Arzt spricht ihre Sprache und ist mit ihrer Kultur vertraut.
Integration als Leitungsaufgabe
Schon seit zehn Jahren, so die Beobachtung der Mitarbeitenden und der Pflegedirektion – besonders nach Corona – habe sich die Mitarbeiterschaft stark verändert. Der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte ist gestiegen. Darauf reagiert das Klinikum: Es gibt einen Gebetsraum, den muslimische Mitarbeiter:innen während des Ramadans gern nutzen, ein Einarbeitungskonzept mit Pat:innen, Hilfe bei der Anerkennung von Berufsausbildungen. Die Pflegedirektion arbeitet eng mit der Pflegeschule zusammen, die zunehmend Schüler:innen aus Drittstaaten ausbildet. Denn bis zum Jahr 2030 rechnet das Klinikum mit rund 100 Personen, die in Rente gehen könnten.
Mehr Pflegeschüler:innen aus Drittstaaten
Integration? "Das ist nie eine Einbahnstraße, sie muss von beiden Seiten kommen", sagt die stellvertretende Pflegedirektorin. "Wir wissen und schätzen, was auf unseren Stationen von den Menschen geleistet wird, die zu ihrem stressigen Job als Zusatzaufgabe Menschen bei der Integration unterstützen." Und noch etwas ist ihr wichtig: "Wir wissen auch, welche Mühen Menschen auf sich nehmen, die hierherkommen, um bei uns zu arbeiten." Im Klinikum sind sie Teil einer Vielfalt, in der sich die Menschen gegenseitig unterstützen und ihr Leben miteinander teilen.