Prunkvoller Reichtum - Soziale Armut
Mit starken Eindrücken kamen die acht Teilnehmer von der Studien- und Begegnungsreise im Juni zurück.
Die Caritas hatte dieses Angebot gemacht, um die Möglichkeit zu öffnen, neben der herrlichen geschichtsträchtigen Stadt mit ihren weißen Nächten auch die Arbeit der Caritas Sankt Petersburg auf der grauen Kehrseite der Stadt vor Ort kennen zu lernen. Schließlich ist es eine patenschaftliche Beziehung, die uns mit Sankt Petersburg verbindet.
Ohne euch könnten wir nichts tun
Es war das zehnjährige Engagement von Pfarrer Hartmut Kania aus dem Bistum Görlitz, mit dem er die besondere Beziehung der Caritas nach Sankt Petersburg initiierte. Auch nach seinem Ableben 2001 ist diese Beziehung geblieben. "Ihr im Bistum Görlitz seid wie unsere Eltern", beschreibt Natalia Pewzowa, die Direktorin der Caritas Sankt Petersburg das Verhältnis. "Ohne euch könnten wir die Arbeit an den Ärmsten der Armen nicht tun."
Stadt mit Größe, Gold und prunkvollem Reichtum
Das allerdings kann man wahrlich nur schwer begreifen, wo einem doch die Stadt mit Größe, Gold und prunkvollem Reichtum in Superlativen begegnet. Begeistert genoss die Gruppe den Anblick der orthodoxen Kirchen, der Eremitage oder den herrlichen Brunnenpark im Peterhof, dem Sommersitz des Zaren. Große Jachten auf der Newa, die Straßen voller großer Schlitten, wie man es nicht ahnen würde.
Ja, Russland einstiger "großer Bruder" und Vorbild der sozialistischen Welt ist heute stolzes Mitglied der G8, der führenden Industriestaaten und größter Gaslieferant der Welt. Das stimmt. Doch liegt dieser Reichtum in der Hand nur weniger Oligarchen.
Nicht der geringste soziale Schutz
Das Volk ist vergessen und verarmt zunehmend. Der russische Staat bietet seinen Bürgern nicht den geringsten sozialen Schutz. Im UN-Bericht 2007 über die menschliche Entwicklung rangiert Russland von 175 Ländern hinter Polen (37) und auch noch weit hinter den baltischen Republiken oder Kuba auf Platz 67. So liest man hier, dass die russischen Männer beispielsweise mit durchschnittlich 58,9 Jahren ganze 17 Jahre früher sterben als die Männer in Deutschland. Beinah jeder zweite russische Mann zwischen 25 und 54 Jahren stirbt an Alkohol.
Trotz Krankenversicherung gibt es keine Behandlung ohne Schmiergeld. Vier bis sieben Abtreibungen sind für eine Frau die Normalität. Zirka 30 Angebote zwischen 500 und 1.500 Rubel findet man dafür in der täglichen Presse. Gesundheitstipps finden kein Interesse und sind ein Luxus der reichen Oberschicht.
Man lebt mit mehreren Generationen auf engstem Raum. Wer in der Stadt eine Wohnung aus alten Zeiten besitzt, hat Glück. Eine neue Wohnung kann sich kein normaler Mensch leisten. Die Dörfer ziehen leer und verweisen samt den zurückgebliebenen alten Menschen.
Angst vor dem Altwerden
"Ehrlich gesagt, ich habe schon heute Angst vor der Zeit, wenn ich einmal alt oder hilfebedürftig bin", sagte Vadim beim Besuch der Pflegestation im Hartmut-Kania-Haus. Hier betreut die Caritas mit liebevoller Hingabe 14 pflegebedürftige Personen, die ohne Angehörige sind. Auch alte Menschen sind vergessen. Die Renten liegen bei 100 Euro, obwohl die Preise in vielen Bereichen auf westeuropäischem Niveau liegen. So betteln viele auf der Straße.
Alexandra, eine Gaststättenbetreiberin, konnte diesen Anblick nicht tatenlos ertragen. "Ich bin im Kinderheim aufgewachsen und habe die andere Seite kennen gelernt. Das werde ich nie vergessen." Nachdem sie zunächst täglich zwölf ältere Menschen von der Straße holte, um ihnen ein Mittagessen zu geben, sind es heute mit Unterstützung der Caritas 120 Personen, für die zwei Stunden die Gaststätte geschlossen wird.
Spasibo(g) - Errette uns Gott
Beim Blick in die katholische Kirche entdecken wir Kostja. Allein und still sitzt er vorn in der Kirchenbank. Er ist geistig behindert und wird in der Caritas-Tagesstätte im Bischof-Maletzky-Haus betreut. "Ich bete für meine Freunde und die Caritas", sagt er strahlend und dankt während er mich umarmt.
"Danke" heißt "spasibo" - ursprünglich spasibog (deutsch: Errette uns Gott). Das "g" hat man im Atheismus entfernt. Im Herzen von Kostja, wie auch vielen anderen ist es geblieben. Denn nur Gott kann hier Veränderung schaffen. Und wir wollen gern dabei helfen.
Danke auch für Ihre Unterstützung. Vielleicht kommen Sie ja beim nächsten Mal mit? Wir würden uns freuen!
INFO:
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Telefon: 03 55 38 06 50, Telefax: 03 55 79 33 22
E-Mail: kontakt@caritas-dicvgoerlitz.de
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