Ein Öko-Dorf am Rande einer Großstadt
Gemeinschaftliches Leben, klimaneutral mit geringstem ökologischen Fußabdruck, hohem sozialen Standard und einer suffizienten (material- und energiesparenden) Lebensweise der Bewohner:innen. In dem "Tiny-Living"-Quartier werden die Vorteile einer Großstadt mit denen einer dörflich/nachbarschaftlichen Struktur verbunden - ein Ökodorf im urbanen Umfeld. Es wird gleichzeitig nachhaltiger und bezahlbarer Wohnraum geschaffen. Umgesetzt wird das Projekt in einem in Europa so noch nicht dagewesenen umfangreichen Beteiligungs- und Planungsprozess der zukünftigen Bewohner:innen.
Die Entwicklung nimmt Fahrt auf
Das Projekt startete im Januar 2019 durch eine Initiative des Vereins Transition Town Hannover. Im Oktober 2019 wurde die Wohnungsgenossenschaft gegründet und schon im gleichen Jahr bot die Stadt der Genossenschaft ein geeignetes 50.000 Quadratmeter großes Grundstück zum Kauf an. Die Genossenschaft hat heute fast 900 Mitglieder, die Planung für die ersten 160 Wohnungen ist fertig, die Finanzierung steht, die Baugenehmigungen sind beantragt und noch in diesem Jahr soll der Bau starten. Ab 2024 sollen jährlich circa 100 weitere Wohnungen gebaut werden, bis 2028 ein neues Stadtquartier mit etwa 500 Wohnungen für circa 1000 Menschen fertig ist.
Das Baugebiet: zwischen Stadt und Landschaft
Das Grundstück liegt an der Grenze zwischen intensiver Stadtbebauung mit perfekter Infrastruktur (alle Schulformen, Kitas, Stadtteileinkaufszentrum, Sportanlagen) und offener Landschaft. Circa 40 Prozent der Fläche werden mit zwei- bis vierstöckigen Häusern bebaut, gegliedert in 13 Wohnhöfe. Zusätzlich werden circa 50 Stellplätze für mobile private Tinyhäuser reserviert. Da nach dem Masterplan circa 60 Prozent der Fläche unbebaut bleiben sollen, entsteht außerhalb der einzelnen Wohnhöfe ein großzügiger Grüngürtel mit 4000 Quadratmetern Urban-Gardening-Fläche. Zusammen mit einer benachbarten Bio-Gärtnerei und einem angrenzenden Landschaftsschutzgebiet soll "ecovillage hannover" ein sehr grüner Stadtteil mit hoher Aufenthaltsqualität werden.
Ein Suffizienz-Quartier: Weniger ist mehr
Entstehen soll ein "Quartier der Genügsamkeit", bei dem die Reduktion des Ressourcenverbrauchs durch selbstbegrenzende Lebensweisen und gemeinschaftliche Lebensformen im Mittelpunkt steht. Die Stichworte sind Inklusion, Kooperation und Generationensolidarität. Alle Bewohner:innen erkennen beim Eintritt in die Genossenschaft mit ihrer Unterschrift eine Charta mit den Grundwerten Gleichwertigkeit, Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und Vielfalt an. Die sozialen und Bildungsprojekte im Quartier werden vom gemeinnützigen Verein "dorfleben ecovillage" betreut.
Wichtigstes Element der Genügsamkeit ist die Wohnungsgröße. Ziel ist, dass jede im "ecovillage" wohnende Person nicht mehr als 25 bis 30 Quadratmeter individuellen Wohnraum nutzt. Maximal zulässig sind für alle Bewohner:innen die Obergrenzen des öffentlich geförderten Wohnungsbaus (Alleinstehende bis 50 Quadratmeter, zwei Haushaltsmitglieder bis 60 Quadratmeter, drei bis 75 Quadratmeter, vier bis 85 Quadratmeter und fünf bis 95 Quadratmeter).
Neben dem individuellen Wohnraum wird es umfangreiche Gemeinschaftseinrichtungen geben.
Ein soziales Wohnquartier
Die Zusammensetzung der Genossenschaftsmitglieder entspricht hinsichtlich Alter, Einkommen und Sozialstruktur weitgehend dem hannoverschen Bevölkerungsdurchschnitt. "Ecovillage" wird also nicht wie manch anderes Projekt ein Ökoquartier für die obere Mittelschicht (da schrecken wohl auch die knappen Wohnungsgrößen ab). Von den circa 500 Wohneinheiten (WE) werden 50 Prozent mit öffentlichen Wohnungsbaumitteln gefördert, davon 60 mit Belegungsrechten der Stadt. Für diese Wohnungen beträgt die Miete je nach Einkommen 6,40 bis 7,50 Euro pro Quadratmeter. Außerdem werden in Kooperation mit einem Projektträger Wohnungen für Personen aus prekären Verhältnissen (unter anderem Obdachlose) geschaffen. Eine gemeinnützige GmbH plant eine Wohngruppe Jugendlicher und weitere Angebote der verhaltenstherapeutischen Hilfen. Zwei Stiftungen wollen Angebote für Alleinerziehende mit Kindern beziehungsweise für arme ältere Frauen schaffen und eine Elterninitiative plant ein Projekt mit schwerbehinderten Kindern und Jugendlichen. Die freifinanzierten Wohnungen haben eine Anfangsmiete von 11,60 Euro pro Quadratmeter, die in den Folgejahren jährlich voraussichtlich um circa 4,5 Prozent steigen wird. Dagegen stehen jedoch wegen des optimalen Energie- und Wasserkonzepts und viel ehrenamtlicher Hilfe der Bewohner:innen zum Beispiel bei der Pflege der Außenanlagen relativ niedrige Betriebskosten.
Wie sieht die Bewohnerstruktur aus?
Es gibt unter den Genossenschaftsmitgliedern grob gegliedert drei Gruppen: Zum einen "junge Radikale", die das Dogma des ständigen Wirtschaftswachstums infrage stellen und radikal über einen genügsamen Lebensstil mit geringem ökologischen Fußabdruck nachdenken; zweitens: "alleinstehende Ältere", (überwiegend Frauen), die wenig Rente zu erwarten haben und nach einer der Altersarmut vorbeugenden gemeinschaftlichen Wohnform suchen; drittens: "Gemeinschaftsmenschen" jeden Alters, die einerseits individuellen Wohnraum, andererseits mehr Gemeinschaft/Nachbarschaft wollen. Zur dritten Gruppe gehören zum Beispiel Familien mit Kindern (Kinderanteil 13 Prozent), die neben getrennten Wohnungen gemeinsame Kinderbereiche planen. Außerdem stark nachgefragt: "Co-Living-Wohnungen", bei denen zum Beispiel vier bis sechs Personen oder Paare jeweils ein circa 20-35 Quadratmeter kleines, aber voll funktionsfähiges Einzelappartement haben, aber eine große Küche und ein großes Wohnzimmer gemeinsam nutzen.
Beteiligung an der Quartiers- und Bauplanung
Nicht wie sonst üblich haben Stadtplaner:innen den Masterplan erarbeitet und eine Jury hat dann über ein Wettbewerbsverfahren entschieden, sondern die zukünftigen Bewohner:innen entwickelten in einem ersten Schritt ein "Wunschbuch". Darauf aufbauend erarbeiteten nach einer internationalen Ausschreibung sieben Planungsteams Vorschläge für den Quartiersmasterplan und abschließend entschieden die Genossenschaftsmitglieder in einer Mitgliederversammlung über den finalen Entwurf. Auch bei der Planung der einzelnen Gebäude gibt es eine intensive Beteiligung von Bewohner:innen, die mit den Architekt:innen zusammenarbeiten. Jeder Wohnhof bildet eine Arbeitsgruppe (AG), die sich an der Planung von Freiflächen und Gemeinschaftsbereichen beteiligt. Die Wohnhof-AGs entsenden Delegierte in den Dorfrat (ein Beirat gemäß Genossenschaftssatzung), der vor allen relevanten Entscheidungen der Gremien anzuhören ist und ein eigenes Vorschlagsrecht hat.
Das Konzept ist ökologisch
Das Quartier wird bei Wärme und Strom bilanziell völlig klimaneutral: Die Gebäude werden vollständig in "Passivhausbauweise" gebaut; auf allen geeigneten Dächern werden 16.000 Quadratmeter PV-Strom-Module angebracht; 50 Erdsonden fördern aus 150 Meter Tiefe auch im Winter zwölf Grad warmes Wasser, dass zu den Häusern transportiert wird und dort mit elektrischen Wärmepumpen auf die für Heizung und warmes Wasser benötigte Temperatur gebracht wird. Alle Häuser sind komplett aus dem CO2-neutralem Baustoff Holz.
Ein eigenes "Stromarealnetz" versorgt sowohl die Wohnungen als auch die Gemeinschaftseinrichtungen (Wegebeleuchtung) und die Ladesäulen für die E-Mobilität. Nicht sofort nutzbarer Sonnenstrom wird teilweise zwischengespeichert und nur der Überschuss wird ins überregionale Netz eingespeist. So können circa 50 Prozent der Produktion direkt im Quartier genutzt werden. Zu anderen Zeiten wird dann Ökostrom aus dem Netz bezogen.
Auch das (Ab-)Wasserkonzept ist ökologisch optimal: Das Regenwasser wird fast vollständig versickert (Grundwasserschutz) und verdunstet (Verbesserung des Kleinklimas). Die Nutzung von Trinkwasser wird durch Aufarbeitung von "Grauwasser", das in ein zweites Betriebswassernetz eingespeist wird, halbiert. Ein Forschungsprojekt experimentiert mit Spül-Trenntoiletten und der Aufarbeitung des Urins zu Dünger.
"Ecovillage" wird im Inneren weitgehend autofrei: Ideale Bedingungen für Fuß- und Radverkehr sowie die gute ÖPNV-Anbindung stehen im Vordergrund. Für je fünf Wohnungen wird nur ein Kfz-Stellplatz angeboten, vorrangig für private und gewerbliche Car-Sharing-Projekte, aber zwei Fahrradstellplätze pro Bewohner:in, einer davon in den Erdgeschossen der jeweiligen Häuser.
Wie wird das Projekt finanziert?
Insgesamt kostet das Projekt nach heutigem Preisstandard einschließlich Grundstück circa 130 Millionen Euro, die über Mitgliedereinlagen, Fördergelder und Bankdarlehen finanziert werden müssen. Als Anfangseinlage zahlt jedes erwachsene Mitglied 1000 Euro und bei Abschluss des Mietvertrages pro fünf Quadratmeter Wohnfläche weitere 1000 Euro. Mitglieder, die diese Beträge nicht finanzieren können, sind Ratenzahlungen und individuelle Sonderregelungen möglich. Zusätzlich haben viele Mitglieder freiwillig weitere Genossenschaftsanteile gezeichnet oder Darlehen gegeben, so dass sich schon jetzt mehr als drei Millionen Euro Eigenkapital angesammelt haben.
Weitere Infos über das Projekt: www.ecovillage-hannover.de
Probier’s mal mit Genügsamkeit
Flexibel handeln, agil denken, kreativ lernen
Der Schutz von Mandatsträgern vor Kündigungen
Nur bei Kindesunterhalt kommt Kindergelderhöhung an
Digitale Potenziale in der Eingliederungshilfe nutzen
Risiken entdecken und Gutes zeigen
Hinterlassen Sie einen Kommentar zum Thema
Danke für Ihren Kommentar!
Ups...
Ein Fehler ist aufgetreten. Bitte laden Sie die Seite erneut und wiederholen Sie den Vorgang.
{{Reply.Name}} antwortet
{{Reply.Text}}